Die Rede von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor dem Europäischen
Parlament in Strasbourg hat Polemik ausgelöst zwischen den Befürwortern
einer stärker zentralisierten EU und ihren Skeptikern. Von den
tschechischen Europaabgeordneten wurde das „Sticheln“ von Juncker an
der „zögerlichen“ Haltung Tschechiens in der Migrationskrise zur
Kenntnis genommen. Eine Reihe von ihnen äußerte sich enttäuscht vom
Auftritt des Kommissionschefs.
Christdemokratin Michaela Šojdrová (KDU-ČSL) bemerkte indes eine
„merkliche Verschiebung“ in Junckers Position. Er sei nicht mehr so
radikal wie früher und stelle nun die Sicherheit an die erste Stelle der
Agenda. Das heißt, die Staaten müssten sowohl ihre eigene Sicherheit als
auch die gemeinsame europäische Solidarität in gleicher Weise wahrnehmen,
sagte Šojdrová.
Nach Aussage von Jiří Pospíšil, Europaparlamentarier der konservativen
Partei Top 09, habe ihn die Rede von Juncker nicht grundsätzlich
enttäuscht. Aber seinen Vorschlag, ob die EU-Länder künftig zu wichtigen
Fragen einstimmig oder mit einer qualifizierten Mehrheit entscheiden
sollten, die Antwort darauf sollte man Wähler bei der nächsten Europawahl
überlassen, meinte Pospíšil. Enttäuscht von Junckers Rede zeigten sich
die Europaabgeordneten der Bürgerdemokraten (ODS). Anstelle für eine
flexible, unterschiedlich schnelle und reformierte Union des 21.
Jahrhunderts warb Juncker erneut für die längst verpuffte Vision einer
zentralisierten Union, kritisierte Jan Zahradil.