Der Augsburger Germanistik-Professor Freimut Löser freut sich über eine
kleine Sensation: Bei der Suche nach geistlichen Handschriften ist er
auf eine bisher unbekannte Variante eines Minnelieds von Walther von
der Vogelweide gestoßen. "Eigentlich habe ich Handschriften mit
Predigten gesucht", erzählt Löser von dem seltenen Glücksfall. In einem
Archiv in Brno (Brünn) habe er ein Buch aufgeschlagen und bemerkt, dass
zur Verstärkung des Buchdeckels Pergament-Handschriften eingeklebt
waren. Bei näherer Untersuchung konnte der Germanist das Wort "Nakcht"
entziffern. Da gingen bei ihm sofort die Alarmlampen an, denn dieses
Wort gebe es in dem berühmten Gedicht "Si wunderwol gemachet wip" von
Walther von der Vogelweide. Und tatsächlich konnte er den Vers
rekonstruieren, in dem der Dichter schildert, eine Dame "nackt" gesehen
zu haben, ein im Mittelalter beliebtes "Venus-Motiv". "Bei dem
Brünner-Fund handelt sich um eine späte Handschrift aus dem 14.
Jahrhundert, deren Urheber unbekannt ist", beschreibt der Germanist
seine Entdeckung, die er für "unbezahlbar" hält.