Steuersenkungen / Lohnpolitik

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßen Sie Martina Schneibergova und Rudi Hermann. Das nächste Jahr werden die Tschechinnen und Tschechen etwas weniger Steuern zahlen als bisher, dafür dürfte das Lohnwachstum weniger hoch ausfallen, als sich das zumindest die Arbeitnehmerverbände, also die Gewerkschaften vorstellen. Dies sind zwei Bereiche, auf die wir in der ersten Wirtschaftssendung des neuen Jahres 2001 - und damit auch des gesamten Milleniums - eingehen wollen. Wir wünschen dazu guten Empfang.

Nur zwei Dinge im Leben sind sicher, sagt eine Redensart, nämlich Steuern und der Tod. Und die Steuerbelastung gehört in Tschechien nicht zu den mindesten im europäischen Vergleich. Immerhin werden aber die Steuerzahler in diesem Jahr etwas weniger tief in die Tasche zu greifen haben als noch im vergangenen, denn gerade noch Ende Jahr vermochte die Abgeordnetenkammer eine Novelle des Gesetzes über die Steuersätze zu verabschieden. Dass die Zeit so knapp wurde, rührte daher, dass in der Vorlage ein umstrittener Paragraph zur Besteuerung von Schulden war und das Gesetz erst nach einem Differenzbereinigungsverfahren zwischen Abgeordnetenkammer und Senat seine endgültige Fassung fand.

Was also gibts Neues im tschechischen Steuergesetz bei der Einkommensbesteuerung natürlicher Personen? Zur Anwendung gekommen sind klassische Instrumente zur Verminderung der Steuerbelastung, nämlich die Anhebung des steuerfreien Betrags sowie der Abzüge für einen nicht erwerbstätigen Ehepartner sowie unmündige Kinder oder vom Steuerzahler betreute Invalide. Des weiteren sind die Bänder der einzelnen Steuersätze, die sich mit steigendem Einkommen erhöhen, verbreitert worden, so dass sich daraus bei gleichbleibendem Einkommen de facto eine Verringerung der Belastung ergibt.

Zwei Neuerungen sind allerdings grundsätzlicheren Charakters. Einmal können ab 2001 die tschechischen Steuerzahler bis zu einer gewissen Obergrenze Versicherungsbeiträge für Lebensversicherungen von der Berechnungsgrundlage für die Einkommenssteuer abgesetzt werden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil dadurch die Bevölkerung zur Altersvorsorge stärker motiviert werden kann. Und dies ist nötig, denn das tschechische Sozialversicherungssystem sieht problematischen Zeiten entgegen. Das Augenmerk der Bevölkerung auf die Möglichkeit steuerlich begünstigter privater Vorsorge zu lenken ist deshalb auch im Interesse des Staates. Bisher konnten nur Beiträge für Pensions-Zusatzversicherungen von der Steuer abgesetzt werden. Mit der Einschliessung der Lebensversicheurngen in diese Regelung erwarten die Finanzhäuser ein wesentliches Anwachsen des Interesses für dieses Sparprodukt.

Die zweite wichtige Änderung betrifft die Besteuerung von Kleingewerblern. Wer jährlich weniger als eine Million Kronen Umsatz erzielt, umgerechnet also etwa 30 000 Euro, der kann jetzt optional die Steuern als Pauschale entrichten und dafür auf das Ausfüllen einer Steuererklärung verzichten. Die Vereinfachung des Steuersystems wiederum könnte sich günstig auf die Motivation zur Errichtung eines Kleingewerbes auswirken, und dies ist ein Instrument zur Senkung der Arbeitslosigkeit. Wie der Direktor der Abteilung für direkte Steuern beim Finanzministerium, Petr Pelech, gegenüber der Presse sagte, bedeutet die Neuerung allerdings keinen finanziellen Vorteil für die Kleingewerbler gegenüber der bisherigen Steuerregelung, sondern namentlich eine Verringerung des administrativen Aufwands. Da in dieser Zeit allerdings wieder gearbeitet werden kann, ergibt sich vor allem für die Kleinstgewerbler, für die die Neuerung vorrangig gedacht ist, dennoch wieder ein - allerdings nicht direkt finanziell erfassbarer - Vorteil.

Führte die Novelle des Steuergesetzes im Parlament zu erhitzten Diskussionen, dann waren es allerdings nicht die eben erwähnten Punkte, sondern der umstrittene Vorschlag, nicht bezahlten Schulden zu besteuern. Der Vorstoss war von seiten des bürgerlichen Abgeordneten Vlastimil Tlusty gekommen und hatte konkret zum Inhalt, dass ein Schuldner mit Verpflichtungen, die spätestens bis Ende November zurückzuzahlen gewesen wären, diese Schulden quasi als Einkommen zu deklarieren. Damit sollte nach Tlustys Ansicht die Zahlungsmoral verbessert werden. Gegen das Vorhaben erhob sich aber eine Welle der Kritk, da dadurch eine Art der Doppelbesteuerung entstanden wäre, weil nämlich der Gläubiger nach erfolgter Rückzahlung diese ebenfalls als finanziellen Zufluss versteuern muss. Weiter wurde am Paragraphen kritisiert, dass er nicht unterscheide, auf welche Weise eine Verpflichtung zustande gekommen sei, und deshalb ein allzu pauschales Rezept darstelle. Der Initiant Tlusty lehnte diese Kritikpunkte jedoch ab und meinte, dahinter verberge sich in der grossen Mehrheit eine grundsätzliche Unlust zur stärkeren Belangung schlechter Zahlungsmoral in der tschechischen Wirtschaft. Das Abgeordnetenhaus, das das Steuergesetz wegen dieses Abschnitts vom Senat zur Neuberatung zurückerhalten hatte, mochte Tlustys Argumentation aber nicht folgen und verabschiedete die Novelle mit grosser Mehrheit ohne die strittigen Bestimmungen.


Steuern sind eines, Löhne ein zweites. Mitte Dezember kam es im Rahmen der regelmässigen halbjährlichen Treffen zwischen Gewerkschaften und Nationalbank zu einem ersten offiziellen Kontakt zwischen dem neuen Nationalbankgouverneur Zdenek Tuma und dem Vorsitzenden der Dachorganisation der Gewerkschaftsverbände, Richard Falbr. Dieses Treffen stand vor dem Hintergrund der Befürchtung von Finanzanalytikern, dass eine Zunahme des Geldumlaufs die Inflation anheizen und damit von der Nationalbank als Gegenmassnahme eine Zinserhöhung provozieren könnte. Wie die Wirtschaftszeitung Hospodarkse noviny berichtete, gehen sowohl die Gewerkschaften wie auch die Nationalbank von ähnlichen Prognosen der makroökonomischen Entwicklung im Jahr 2001 aus, haben aber abweichende Vorstellungen darüber, welchen Raum diese Entwicklungen für Lohnerhöhungen bieten sollten.

Der oberste Gewerkschafter Falbr argumentierte, die Arbeitsproduktivität wachse in verschiedenen Sektoren schneller als im vergangenen Jahr, was sich auch im Lohnzuwachs reflektieren müsse. Nationalbankgouverneur Tuma meinte dazu, es sei nicht Sache der Nationalbank, den Gewerkschaften zu raten, was für Forderungen sie stellen sollten. Im Gegensatz zu den Arbeitnehmerorganisationen sieht die Nationalbank jedoch ein adäquates Lohnwachstum in der Gegend von 7-8 und nicht bei 10 %. Tuma sagte, er befürchte namentlich, dass die Forderungen in gewissen Branchen nicht dazu führten, dass in der ganzen Wirtschaft ein allzu hohes Lohnwachstum einsetze.

Die Finanzanalytiker stehen eher auf der Seite der Nationalbank in ihren Einschätzungen. Ein Argument lautet, das Lohnwachstum müsse tiefer ausfallen als das Wachstum der Produktivität, damit Raum für die Schaffung neuer Arbeitsplätze entstehe. Wenn die Gehälter im Sinne der Forderungen der Gewerkschaften steigen sollten, würde dadurch im Gegenteil der Druck auf Entlassungen erhöht. Ein zweites Argument betrifft die Notwendigkeit, dass die Unternehmen ihre Gewinne steigern und durch Reinvestition ihre eigene Entwicklung fördern können. Wachsen die Löhne zu schnell, so rechnen die Finanzanalytiker damit, dass die Nationalbank sich gezwungen sieht, über eine restriktivere Währungspolitik der drohenden Inflation vorzubeugen.

Autoren: Martina Schneibergová , Rudi Hermann
abspielen