Staatsminister Morlok: Qualifizierte Kräfte aus Tschechien sind in Sachsen willkommen

Sven Morlok

Wie wir bereits berichtet haben, weilte der Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und stellvertretende Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Sven Morlok, Anfang Februar zu einem zweitägigen Arbeitsbesuch in Tschechien. Bei einem Pressegespräch in der Deutschen Botschaft Prag nutzten die anwesenden Journalisten die Möglichkeit, zu bestimmten Fragen und Problemen nachzuhaken. Es ging um die Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Sachsen.

Sven Morlok
In den bilateralen Gesprächen von Staatsminister Morlok mit den tschechischen Amtskollegen seiner Ressorts – Wirtschaftsminister Martin Kocourek, Arbeitsminister Jaromír Drábek und Verkehrsminister Vít Bárta – wurden zwangsläufig wirtschafts- und verkehrspolitische Themen erörtert. Von Minister Bárta bekam Morlok dabei zu hören, dass das letzte Teilstück der tschechischen Autobahn D8, die bei Petrovice auf die deutsche Autobahn A17 und dann weiter bis nach Dresden führt, bis zum Jahr 2013 fertiggestellt sein wird. Ist das aber vielleicht nicht wieder nur ein frommer Wunsch angesichts der ständigen Verzögerungen bei der Erlangung des Baurechts für den 16 Kilometer langen Abschnitt zwischen Lovosice und Řehlovice? Sven Morlok verwies noch einmal auf seine Unterredung mit Vít Bárta:

„In dem Gespräch, das wir gestern geführt haben, ist deutlich geworden, dass die tschechische Regierung eine zügige Fertigstellung dieses Projektes wünscht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es an Finanzmitteln mangelt. Die stehen nach dem Eindruck, den ich aus dem Gespräch gewonnen habe, zur Verfügung. Es wurde auch die Aussage gemacht, dass in den Abschnitten, in denen Baurecht besteht, sehr zügig mit den Arbeiten begonnen werden soll beziehungsweise bereits begonnen wurde. Das einzige Problem sei tatsächlich die Erlangung des Baurechts und nicht der politische Wille, das Projekt zu vollenden.“

Auch im Bahnverkehr streben Tschechien und Sachsen eine neue Fernverbindung an. Der Grund: Die jetzige Bahnstrecke zwischen Prag und Dresden entlang des romantischen Elbtals ist vor allem für den Gütertransport schon längst zu einem Nadelöhr geworden. Aber wo soll die neue Trasse entstehen, wenn auch das zu überwindende Osterzgebirge sehr viele geografische Engpässe bereithält? Gegenwärtig favorisiert Minister Morlok die erdintensive Variante:

Schandauer Bahnhof im sachsisch-tschechischen Grenzgebiet  (Foto: Dopravní Web)
„Wir gehen momentan in unseren Überlegungen davon aus, dass es wohl eine Tunnellösung geben muss, weil wir sonst im Hochgeschwindigkeitsbereich nicht die Möglichkeit haben, die entsprechenden Fahrtzeiten einzuhalten. Wir werden versuchen, das Projekt in die Revision des Bundesverkehrswegeplans zum Jahre 2015 mit aufzunehmen. Bis dahin werden wir mit den vorhandenen Mitteln ebenso versuchen, verschiedene Planungsprozesse weiterzuentwickeln, um eine höhere Validität zu bekommen für die Frage, wo der Korridor verlaufen soll. Momentan gehen wir davon aus, dass es eine Tunnellösung geben wird. Allerdings sind wir davon noch relativ weit entfernt. Wenn man die Sache objektiv betrachtet, haben wir nicht mehr als einen Strich auf der Landkarte, eine Detailplanung der Trassenführung ist ja noch nicht erfolgt.“

Ein solches Projekt verursacht natürlich hohe Kosten. Für den Bau der neuen Bahnstrecke werden Tschechien und Sachsen folglich auch europäische Finanzmittel beantragen. Man müsse jedoch beachten, dass man dabei in Konkurrenz zu anderen europäischen Verkehrsprojekten stehen könnte, sagte Morlok und ergänzte:

„Von daher muss man auch realistisch sein in der Frage, zu welchem Zeitpunkt ein solches Projekt umgesetzt werden kann. Wenn wir die wesentlichen Dinge ins Auge fassen – Planungsprozesse, die durchgeführt werden müssen, und die sowohl in Tschechien als auch in Deutschland ziemlich knappen Finanzmittel für Verkehrsinfrastrukturprojekte –, dann müssen wir realistisch sein und können nicht von Baumaßnahmen vor dem Jahr 2020 ausgehen. Aber langfristig ist es natürlich wichtig, das Projekt auf der europäischen Ebene zu verankern. Wir wissen ja, dass sich entlang der wichtigen Verkehrsadern immer auch Wirtschaft ansiedelt - von daher ist das Projekt im Interesse beider Staaten.“

Elbe in Děčín  (Foto: CzechTourism)
Streben Tschechien und Sachsen beim Verkehr auf der Schiene also gemeinsam eine neue und durchlässigere Lösung an, so haben sie beim Schiffsgütertransport auf der Elbe ganz unterschiedliche Vorstellungen. Tschechien will mit der Errichtung zweier Staustufen bei Děčín / Tetschen bessere Voraussetzungen für eine ganzjährige Schiffbarmachung auf der Elbe schaffen. Ein Vorhaben, das aber in Sachsen auf wenig Gegenliebe stößt:

„Wenn man eine unterjährige Schiffbarmachung für den Güterverkehr in Betracht zieht, die dann zu einer ganzjährigen Schiffbarkeit führt, so meine ich schon, dass wir als Sachsen uns sehr gut überlegen sollten, ob das in unserem Interesse ist. Wenn Sie sich das Elbtal anschauen, wäre so etwas auf sächsischer Seite nur mit erheblichen Einschnitten möglich. Überdies würde das nur gehen, wenn auch auf sächsischer Seite entsprechende Staustufen gebaut würden, anders wäre diese Schiffbarmachung nicht möglich. Wenn ich aber die Stimmung in der sächsischen Bevölkerung wahrnehme, sehe ich da momentan keine Bereitschaft, über so etwas nachzudenken.“

Güterhafen in Děčín  (Foto: Daniel Kortschak)
Die Schiffbarmachung der Elbe für einen stark frequentierten Gütertransport steht für den Freistaat Sachsen also derzeit nicht zur Diskussion. Viel gegenwärtiger aber ist eine Veränderung, die am 1. Mai vollzogen wird: Ab diesem Tag erlangen unter anderem auch die Tschechen die volle Freizügigkeit am Arbeitsmarkt in Deutschland und Österreich. In Sachsen steht man diesem Schritt sehr positiv gegenüber, auch dank der guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu Tschechien. Dazu Morlok:

Foto: Europäische Kommission
„Ich denke, dass sich in Sachsen nicht so viel ändern wird, wenn sich überhaupt etwas ändert im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Befürchtungen, die man hier hat, teilen wir als Staatsregierung ausdrücklich nicht. Dennoch werden wir natürlich die Entwicklung sorgfältig beobachten und reagieren, falls es wider Erwarten zu Verwerfungen kommt. Das sehen wir aber momentan nicht. Wir freuen uns, dass wir am 1. Mai gemeinsam einen weiteren Schritt der europäischen Integration erleben werden. Letztlich haben die Menschen in Sachsen und in Tschechien auch dafür gekämpft und sind dafür auf die Straße gegangen.“

Sven Morlok  (Foto: FDP Sachsen)
Die vagen Befürchtungen, dass tschechische Arbeitnehmer den sächsischen Arbeitsmarkt ab dem 1. Mai überschwemmen könnten, teilt Staatsminister Morlok also nicht. Im Gegenteil, er sieht die Öffnung des Arbeitsmarktes sogar als Chance, dass Sachsen damit mittelfristig den drohenden Arbeitskräftemangel in einigen Branchen besser lösen könnte:

„Wir haben Zahlen, wonach wir im Jahr 2014 bereits mehr Berufsabgänger haben werden – also Menschen, die in Rente gehen –, als Menschen, die neu in einen Beruf einsteigen. Wir wissen natürlich auch, dass das in den verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich ist. Während meinetwegen im Bereich der Verwaltungsberufe noch ein erhebliches Angebot an Arbeitskräften auf dem Markt vorhanden ist, sieht es in den technischen Berufen, in den Ingenieurberufen schon anders aus. Man kann eigentlich jetzt schon davon sprechen, dass es anfängt knapp zu werden. Und in diesem Bereich haben sicherlich qualifizierte Bewerber, sowohl aus Tschechien als auch von weiter her, eine gute Chance auf dem sächsischen Arbeitsmarkt.“