„Risiko für Einzelhandel und Tourismus in Grenzregion“- IHK-Umfrage zur Maut

Quelle: TUBS, Wikimedia CC BY-SA 3.0

In Deutschland sorgt sie für intensiven Gesprächsstoff, in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik stößt sie bereits auf Missstimmung – die Rede ist von der sogenannten Infrastrukturabgabe, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt womöglich schon ab 2016 für sämtliche Straßen Deutschlands einführen will. Direkt betroffen von dieser Abgabe wären auch viele Tschechen, die den kleinen Grenzverkehr zu regelmäßigen Einkäufen und Besuchen beim deutschen Nachbarn nutzen. Genau deshalb hat die Industrie- und Handelskammer Regensburg unlängst eine Umfrage unter den Einwohnern der tschechischen Regionen, die an Bayern grenzen, durchgeführt. Zu den Ergebnissen der Umfrage im Folgenden ein Interview mit Matthias Segerer von der IHK Regensburg.

Matthias Segerer  (Foto: Archiv der IHK Regensburg)
Herr Segerer, im Juli hat der deutsche Verkehrsminister sein Konzept zur Einführung einer Infrastrukturabgabe vorgestellt. Das ist quasi eine flächendeckende Pkw-Maut, die aber besonders in Bundesländern, die an Nachbarstaaten grenzen, auf Widerstand stößt. Warum?

„Man muss sich das so vorstellen: Die Infrastrukturabgabe wirkt ja wie eine Art Eintrittskarte für Deutschland. Daraus ergeben sich unserer Meinung nach zwei grundsätzliche Effekte: einerseits der ökonomische. Letztlich werden Einkaufs- und Freizeitfahrten nach Deutschland für unsere ausländischen Nachbarn insgesamt teurer. Das zweite ist der psychologische Effekt. Unsere Nachbarn werden sich nicht mehr so willkommen fühlen wie bisher, einfach weil alle Straßentypen durch diese Infrastrukturabgabe bemautet werden. Diese beiden Effekte werden sich am Ende vor allem in der Grenzregion auswirken und zu spüren sein.“

Oberpfalz  (Quelle: TUBS,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Auch in Bayern werden diese Befürchtungen gehegt, unter anderem in den an die Tschechische Republik grenzenden Regionen der Oberpfalz und Niederbayern. Die Stadt Regensburg gehört zur Oberpfalz, und Ihre Industrie- und Handelskammer hat deshalb jüngst eine Umfrage unter den benachbarten Tschechen gemacht. Mit welchem Ziel?

„Grundsätzliches Ziel der Befragung war es herauszufinden, für welche Aktivitäten unsere Nachbarn aus Westböhmen nach Bayern kommen und wie viel Geld sie dort speziell im Einzelhandel und Tourismus ausgeben. Dazu kann man sagen, dass wir 500 Haushalte in den Bezirke Cheb, Domažlice, Klatovy, Pilsen-Stadt, Pilsen-Nord, Pilsen-Süd und Tachov zu ihrem Einkaufs- und Freizeitverhalten vor und nach der Einführung der Infrastrukturabgabe befragt haben. Das war der eine Baustein, über den wir unsere Zahlen erhoben haben. Der andere Baustein war, dass wir an sechs Standorten in unserem IHK-Bezirk, also vor Ort, Interviews mit circa 300 tschechischen Kunden geführt haben. Damit haben wir praktisch die Ergebnisse der Haushaltsbefragung über eine POS-Befragung (Point-of-sale-Befragung, in etwa: eine Befragung an den Verkaufsorten, Anm. d. Red.) abgesichert. Da sowohl die räumliche Verteilung als auch die Altersverteilung der befragten 190.000 Haushalte in Westböhmen recht gut abgedeckt sind, kann man von einer absolut repräsentativen Umfrage sprechen. Sie spiegelt das Kundenverhalten der Westböhmen in der Grenzregion, speziell in der Oberpfalz, aber auch insgesamt in Bayern wider.“

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Was sind denn nun die Ergebnisse der Umfrage? Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

„Das wichtigste Ergebnis für uns ist, dass dem bayerischen Einzelhandel durch die geplante Maut etwa 51,8 Millionen Euro aus Westböhmen verloren gehen werden. Allein in den Oberpfälzer Grenzlandkreisen, das heißt also in Tirschenreuth, Neustadt, Waldnaab, Cham, Schwandorf und in der kreisfreien Stadt Weiden rechnen wir mit einem Umsatzminus von rund 32 Millionen Euro. Man muss sich auch immer vor Augen führen, dass da die Ausfälle aus dem Bereich Tourismus noch nicht mal eingerechnet sind, da wir die Zahlen dafür gerade noch auswerten. Insbesondere Betriebe, die sich bislang speziell um das tschechische Klientel gekümmert haben und viel Energie und viele Ideen dort hineingesteckt haben, würden diese wirtschaftlichen Einbußen zu spüren bekommen. Dazu muss man auch wissen, dass tschechische Kunden aufgrund der schwächeren Kaufkraft gegenüber anderen Nachbarländern wie Österreich oder der Schweiz deutlich kostensensibler sind. Während ein tschechischer Bürger im Schnitt gerade mal 3100 Euro für den Einzelhandel pro Jahr zur Verfügung hat, sind es beim Österreicher zum Beispiel 6600 Euro. Am Ende kann man sagen, dass die Maut tatsächlich ein Draufzahlgeschäft sein könnte, bei dem die Wirtschaft und besonders die Grenzregion einen Teil der Zeche zahlen. Es muss dann schließlich mit sinkenden Umsätzen im Bereich Einzelhandel und Tourismus gerechnet werden.“

Foto: Barbora Kmentová
Was ist das Fazit dieser Umfrage?

„Generell ist die Infrastrukturabgabe für alle Straßentypen ein Risiko für den Einzelhandel und den Tourismus, speziell in der Grenzregion. Sie sendet natürlich auch ein völlig falsches Signal im Hinblick auf das Zusammenwachsen von Europa aus. Viel entscheidender wird die Frage sein: Wie können wir die Finanzierung unserer Straßeninfrastruktur langfristig auf die Beine stellen? Hierbei ist eben die Maut - für welche Straßentypen auch immer sie endgültig gelten würde - nur ein Baustein von vielen, um zu einer langfristigen Sicherung einer funktionierenden Infrastruktur zu gelangen. Das muss das zentrale Ziel sein. Ein grenznaher Landkreis ist mit Arbeitsplätzen und Wirtschaftskräften nicht so gut bestückt ist wie die Metropolregionen. Deshalb ist es wichtig, dass die Maut so konstruiert ist, dass sie dem Grenzgebiet nicht schadet.“