Pilotenchef Gaspar: Staat ist in der Krise kein idealer Eigentümer für ČSA

Die tschechische Fluggesellschaft ČSA wird gegenwärtig privatisiert. Vor knapp einem Monat ist die erste Runde des Privatisierungsverfahrens beendet worden. Zu einem Zeitpunkt also, an dem sich die aktuelle Lage in der tschechischen Industrieproduktion leicht verbessert, die Situation auf dem hiesigen Arbeitsmarkt aber weiter verschlechtert hat. Auch die Verschuldung im Land ist gestiegen.

Foto: Štěpánka Budková
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Industrieproduktion in Tschechien im März um 17 Prozent gesunken. Das ist bereits eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Februar, gab das Tschechische Statistikamt (ČSÚ) am Dienstag bekannt. Insbesondere die Kennzahlen aus dem Bauwesen geben Anlass zu leisen Hoffnungen – hier betrug der Rückgang lediglich neun Prozent. Einer der Gründe, warum sich der Abwärtstrend verlangsamt hat, ist die Abwrackprämie, die in mehreren Nachbarländern eingeführt wurde. Sie verhalf vor allem der hiesigen Autoindustrie und ihren Zulieferern zu neuen Aufträgen. David Marek, Chefökonom der Finanzagentur Patria Finance, blickt daher schon etwas optimistischer in die Zukunft:

„Es ist durchaus möglich, dass die Ergebnisse der Industrieproduktion in den kommenden Monaten deutlich günstiger ausfallen werden, als im Januar und im Februar. Es gibt gewisse Anzeichen, dass sich die Wirtschaft innerhalb der Eurozone zu stabilisieren beginnt. Oder anders ausgedrückt: Die Wirtschaft schrumpft in einem langsameren Tempo als befürchtet, was ganz sicher auch positiv für die tschechische Industrie sein dürfte.“

Man muss es jedoch immer wieder betonen, um nicht missverstanden zu werden: Abwärtstrend ist Abwärtstrend, von einer Hurra-Stimmung kann also keineswegs die Rede sein. Die Krise ist folglich längst noch nicht ausgestanden. Das bekommen vor allem die Arbeitnehmer zu spüren. In Tschechien ist die Arbeitslosigkeit weiter gestiegen – im April lag die Quote bei 7,9 Prozent. Das bedeutet: Ende April saßen hierzulande 153.000 Leute mehr auf der Straße als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Und nach Ansicht von Wirtschaftsanalyst Miroslav Frayer vom Bankhaus Komerční banka ist der Scheitelpunkt der Entlassungswelle noch nicht erreicht:

„Die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich weiter. Wir erwarten, dass die Arbeitslosigkeit in Tschechien in diesem Jahr zunehmen wird. Zu befürchten ist, dass die Arbeitslosenquote zu Beginn kommenden Jahres die Zehn-Prozent-Marke überschreitet.“

Wo weniger gearbeitet und produziert wird, fließt auch weniger Geld. Geld, das viele Tschechen aber brauchen, um ihre Kredite abzuzahlen. Mit sinkender Erwerbstätigkeit fällt jedoch auch ihre Zahlungsfähigkeit. Kein Wunder, dass die Büros der staatlich anerkannten Schuldnerberatung in diesem Jahr von immer mehr Tschechen aufgesucht werden. Im vergangenen Jahr half die „Beratung für finanziell Notleidende“ (Poradny při finanční tísni) insgesamt 4120 Menschen. Laut David Šmejkal, dem Direktor der Schuldnerberatung, wurde diese Zahl in diesem Jahr bereits im April überschritten. Probleme mit Zahlungsunfähigkeit haben vor allem Menschen zu lösen, die monatlich 10.000 bis 20.000 Kronen verdienen, was etwa 400 bis 800 Euro entspricht. David Šmejkal:

Tschechische Nationalbank  (Foto: Štěpánka Budková)
„Unserer Statistik zufolge liegt die Verschuldung meist bei einer Höhe von bis zu 300.000 Kronen, gefolgt von der nächsten Gruppe Schuldner, die Schulden von bis zu 600.000 Kronen haben. Der von den Klienten am meisten genutzte Kredit ist der Verbraucherkredit.“

In Euro ausgedrückt heißt das: Die häufigste Schuldenhöhe der Tschechen liegt bei bis zu 11.200 Euro, gefolgt von der Gruppe, die bis zu 22.500 Euro abzuzahlen hat. Dazu vielleicht noch eine letzte Zahlenangabe: Laut den Angaben der Tschechischen Nationalbank (ČNB) schuldeten die hiesigen Haushalte ihren Banken und Kreditinstituten Ende März umgerechnet knapp 34 Milliarden Euro. Innerhalb der letzten zwölf Monate ist ihr Schuldenberg dabei um zirka 5,6 Milliarden Euro gestiegen.


Hinter die Fassade geschaut

Wir haben schon mehrfach darüber berichtet: Der tschechische Staat hat seinen 92-prozentigen Aktienanteil an der nationalen Fluggesellschaft ČSA zum Verkauf freigegeben und daher Mitte Januar ein entsprechendes Privatisierungsverfahren eingeleitet. Vor knapp einem Monat ist die erste Runde des Verfahrens abgeschlossen worden. Danach stand fest: Nur zwei der vier Bewerber schafften den Sprung in die zweite Runde. Es sind ein Konsortium aus der von der Island-Air dominierten tschechischen Charterflug-Gesellschaft Travel Service und dem tschechischen Reise- und Handelsunternehmen Unimex Group sowie die internationale Fluggesellschaft Air France-KLM. Aus dem Rennen sind dagegen die US-amerikanische Investmentgesellschaft Odien und die russische Fluggesellschaft Aeroflot. Eine Entscheidung, die auch von den Piloten der ČSA begrüßt wird:

„Ich sehe das als ein positives Ergebnis. Die Regierung hat bei ihrer Entscheidung all die Unterlagen berücksichtigt, die ihr zur Verfügung standen. Das waren sowohl die Pläne der am Kauf von ČSA interessierten Firmen als auch die Empfehlungen mehrerer Ministerien und der Nachrichtendienste“, sagte der Präsident der ČSA-Pilotenvereinigung (CZALPA), Filip Gaspar. In dieser Entscheidung spiegle sich außerdem der Standpunkt der Vereinigung wider, so Gaspar.

„In die nächste Runde sind jene beiden Fluggesellschaften gekommen, die über jahrelange Erfahrungen im Flugverkehr verfügen. Das war auch eine der Bedingungen, die unsere Pilotenvereinigung von Anfang an gestellt hatte. Wir sind der Meinung, dass ČSA gerade in der gegenwärtigen Finanzkrise einen Eigner braucht, der sich in der Branche auskennt und sich nicht erst neu orientieren muss.“

Gegen die finanzstarke Aeroflot hätten vor allem erhebliche Sicherheitsbedenken gesprochen, hieß es. Zu den Schattenseiten, die das Flugunternehmen auf diesem Sektor hat, zählt unter anderem der Flugzeugabsturz bei Perm im vergangenen Jahr, bei dem 88 Menschen ums Leben kamen. Nach dem „Aus“ für die Russen kritisieren Wirtschaftsexperten mittlerweile jedoch, dass der erhoffte Verkaufspreis von umgerechnet 150 Millionen Euro nun illusorisch sei, weil die Konkurrenz fehle. Und einige Ökonomen befürchten, dass die neue Regierung unter Premier Jan Fischer die Privatisierung sogar ganz stoppen könnte. Das allerdings wäre mehr als töricht, hält der Chef der Pilotenvereinigung, Filip Gaspar, dagegen:

„Ich finde, dass die Privatisierung fortgesetzt werden sollte auch um den Preis, dass der Verkaufserlös für den Staat nun geringer ausfallen könnte, als erhofft. Der Staat ist in der jetzigen Krise nicht der ideale Eigentümer. Das zeigt sich vor allem daran, dass er kaum in der Lage ist, auf aktuelle Probleme schnell zu reagieren.“

Sollte die Regierung Fischer bei der Privatisierung von ČSA bleiben, dann ist mit der Bekanntgabe des neuen Eigentümers voraussichtlich noch bis Ende September zu rechnen.