Nationalbankbericht über die IPB

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unseres Magazins mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft von Rudi Hermann. Das heisseste wirtschaftspolitische Thema dieses Sommers war zweifellos die Intervention der Nationalbank bei der Investicni a postovni banka. Wie bekannt, wurde diese nach der Bilanzsumme drittgrösste, nach der Zahl der verwalteten Konten gar grösste tschechische Geschäftsbank Ende Juni von der Zentralbank unter Zwangsverwaltung gestellt, weil sie ihren Zahlungsverpflichten nicht mehr nachkommen konnte. Besorgte Kunden hatten nämlich begonnen, ihre Einlagen abzuziehen, nachdem Gerüchte in Umlauf gekommen waren, ein demnächst erscheinender Rechnungsprüfungsbericht würde bedeutende Mängel der Bank bei der Rückstellung von Mitteln für Risikokredite an den Tag bringen, was, in einen einfachere Sprache übersetzt, eine ungenügende Kapitalbasis und damit unsichere Zukunft der Bank bedeuten würde. Und punkto Banken sind die Tschechen gebrannte Kinder - Bankzusammenbrüche hat das Land schon mehrere erlebt, und vom Fernsehen sind die ungläubigen Gesichter von Kunden, die möglicherweise um ihre gesamten Ersparnisse gekommen sind, nur allzu gut bekannt. Ob der energische Eingriff der Zentralbank bei der IPB gerechtfertigt war oder ob die Bank auf andere Art wieder hätte in Schwung gebracht werden können, ist seit Ende Juni Gegenstand leidenschaftlicher Auseinandersetzungen, die wir auch an dieser Stelle schon reflektiert haben. Die Wochenzeitung Respekt hat Ende Juli einen interessanten und eigentlich nicht zur Veröffentlichung gedachten Bericht der Nationalbank in einer Zusammenfassung publiziert, aus dem interessante Aspekte ihrer Entscheidungsfindung hervorgehen. Auf diesen Bericht möchten wir nachfolgend eingehen. Wir wünschen guten Empfang.

Die Verhängung der Zwangsverwaltung über der Investicni a postovni banka IPB durch die tschechische Zentralbank am 16. Juni dieses Jahres mochte die Führung der IPB zwar überrraschen, aus heiterem Himmel kam dieser Eingriff jedoch nicht. Schon am 25. Februar hatte nämlich der damalige IPB-Generaldirektor Jan Klacek einen 50 Seiten starken Bericht der Abteilung für Bankaufsicht der tschechischen Nationalbank entgegengenommen, in welchem die Inspektoren der Zentralbank auf Nachlässigkeiten, Versäumnisse und Probleme in dieser tschechischen Grossbank hinwiesen. In diesem Bericht war unverblümt davon die Rede, dass in der IPB ein Chaos herrsche, die eine Hand nicht wisse, was die andere tue, den Managern jedwelche Strategie fehle und bestehende Probleme verschleiert würden. Zudem äusserten die Nationalbankinspektoren den Verdacht, dass die Bankabschlüsse verfälscht worden seien, was für die Polizei ein direkter Anstoss dazu ist, gegen frühere Managementmitglieder der IPB Ermittlungen aufzunehmen.

Die Arbeit der Nationalbankinspektoren bestand darin, die von der IPB gewährten Kredite auf ihre Qualität hin zu überprüfen und festzustellen, ob die Bank das mit ihnen verbundene Risiko richtig einschätze und die entsprechenden Rückstellungen vornehme. Das Kreditvolumen der IPB betrug zum überprüften Zeitpunkt 157 Milliarden Kronen, wovon sich die Inspektoren eine Probe der 186 grössten Darlehen mit einem Umfang von insgesamt 60 Milliarden vornahmen. Von diesen 186 Kreditnehmern führte die IPB 61 als problematisch oder sogar ausgesprochen risikoreich, das betroffene Volumen machte nach Angaben der Bank 11 Milliarden Kronen aus. Die Inspektoren kamen jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis: 105 Risikoklienten und ein Umfang von faulen Krediten von 28 Milliarden Kronen. Die Prüfer kritisierten, dass bankintern oft die gleichen Sachbearbeitern, die den Kredit verfügt hätten, auch für dessen Bewertung zuständig seien. So sei es nur logisch, dass sie die von ihnen betreuten Kunden im besten Licht erscheinen lassen wollten, um sich selbst nicht um die Erfolgsprämie zu bringen. Auch eine zweite Methode ermittelte die Nationalbank: Problematischen Kunden sei in der IPB oft ein zweites Konto eröffnet worden, das nach aussen als zuverlässig geführt wurde und damit die Probleme, die die kreditnehmende Firma hatte, zu verschleiern half. Der von der Zeitung Respekt zitierte Bericht nannte explizit drei Firmen, wo faule Kredite in der Gesamthöhe von mehr als 600 Millionen Kronen auf diese Weise maskiert wurden. Ferner wurde auch darauf hingewiesen, dass in gewissen Fällen das oberste Management der Bank die Anweisung erteilt habe, Kunden, die von den Sachbearbeitern als problematisch eingestuft wurden, dennoch als problemlose Kunden zu führen. Dies sei beispielsweise bei der Firma Proventa geschehen, einer Firma, die von Managern des inzwischen konkurs gegangenen Imperiums Chemapol geführt wurde, oder bei der jetzt ebenfalls bankrotten Firma Nero des Industriellen Lubomir Soudek, der eine Zeitlang an der Spitze des Konzerns Skoda Pilsen gestanden hatte.

Der Bericht der Nationalbank beinhaltete ferner Informationen darüber, dass von der Investicni a postovni banka verbindliche Richtlinien über die Verteilung des Risikos bei Kreditvergaben in bestimmte Länder oder an einzelne Klienten nicht eingehalten wurden. Die Richtlinien besagten, dass Kredite ins Ausland je nach Kreditwürdigkeit des Ziellands als solchem bis zu einer gewissen Höhe gewährt werden könnten, wobei die Limite natürlich vom jeweiligen Land abhängig war und von der Nationalbank festgesetzt wurde. So überschritt die IPB die Limite für Kredite nach Kasachstan um mehr als 500 Millionen Kronen, im Fall von Weissrussland um mehr als 350 Millionen Kronen. Noch gigantischere Zahlen verzeichnete die Untersuchung der Nationalbank hinsichtlich der Kreditvergaben an Firmenkonglomerate, die nach den Vorschriften der Nationalbank so eng miteinander verflochten waren, dass sie als einheitliche Firmengruppe betrachtet werden sollten. Auf solche erstreckte sich die Bestimmung, dass die Bank ihnen zusammen nicht mehr als 25 % ihres eigenen Kapitals ausleihen dürfe, wobei als Kapital im wesentlichen das Stammkapital plus Gewinn zu gelten habe. In den von der Zeitung Respekt zitierten Passagen des Nationalbankberichts fanden sich drei Beispiele für Fälle, in denen die IPB die Limit drastisch überschritten hatte, in einem Fall betrug das Kreditvolumen fast 40 % des Eigenkapitals der Bank.

Ein weiteres Kapitel der Nationalbankuntersuchung betrifft die Erstellung von Expertisen für ein Einschätzung von Wertpapierportfolia, die die Bank als Garantie für erteilte Kredite an die drei erwähnten Firmenkonglomerate erhielt. Hier wiesen die Nationalbankprüfer darauf hin, dass erstaunlicherweise zwei nach aussen unabhängig voneinander vorgenommene Expertisen, eine erstellt von einer Beratungsgruppe und die andere von einem Einzelexperten, in allen 56 geprüften Fällen zu absolut identischen Resultaten gekommen seien, einschliesslich absolut deckungsgleicher Formulierungen und sogar Tippfehler. Den Verdacht der Inspektoren weckte auch, dass der Einzelexperte oft seinen Befund in der Mehrzahl formulierte. Ausserdem bemängelte die Nationalbank, dass die angestellten Experten offensichtlich Instruktionen von der IPB erhalten hätten, wie die Aktien, die sie selbst und unabhängig zu bewerten hätten, einzuschätzen seien. So seien eine Expertise bei der Bewertung von Aktien der Versicherungsgesellschaft Ceska Pojistovna auf die Zahl von 2800 Kronen gekommen, auf die Forderung der IPB hin sei der Wert jedoch auf 7300 Kronen erhöht worden, einen Wert, den die Aktien laut einer ausländischen Expertise aus dem Jahr zuvor erreicht hatten. Auf Grund all der aufgezählten Mängel, so heisst es in der Zusammenfassung der Wochenzeitung Respekt, sei die Zentralbank zum Schluss gekommen, dass die IPB sehr unvorsichtig vorgehe und Geschäfte auf eine Art abschliesse, die die Sicherheit und Stabilität der Bank gefährdeten.

Autor: Rudi Hermann
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