JIC in Brünn - das erfolgreichste tschechische Startup-Zentrum

Foto: Archiv JIC

Einige wirklich große tschechische Startup-Firmen sind im südmährischen Brno / Brünn entstanden und nicht in Prag. Dazu gehören zum Beispiel Skypicker, Y Soft oder Gina Software. Möglich wurde dies durch das Startup-Zentrum JIC – ein Besuch dort.

Jiří Hudeček  (Foto: Archiv JIC)
Inkubátor – also Brutkasten. So heißen Startup-Zentren umgangssprachlich in Tschechien. In Brünn sitzt ein besonders erfolgreicher Brutkasten des Landes. Jihomoravské inovační centrum oder kurz JIC ist der Name. Der Unternehmer Jiří Hudeček ist der Leiter:

„Was wir machen, ist im Prinzip widersinnig und wirtschaftlich betrachtet sogar Selbstmord. Wir bauen eine Firma auf, bis sie endlich Gewinne erzielt. Danach schicken wir sie in die Welt. Bei dem, was wir machen, sind wir das älteste Zentrum hierzulande. Außerdem hat niemand ein so ausgefeiltes Angebot wie wir.“

Das JIC ist technologieorientiert. Es fördert besonders Leute aus der Digitalwirtschaft wie Jaroslav Benc. Der Programmierer hatte die Idee für eine Software namens Datamatic, mit ihr werden Infografiken im Internet mediengerecht.

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„Wenn Graphiken gedruckt werden sollen, werden die Texte vorher lektoriert, und ein Graphiker fertigt die Schaubilder an. Wenn man strukturierte Daten im Internet visualisieren will, dann schlägt man sich aber meist elendig damit herum. Mit unserer Software kann man aber auf einfache Weise Infografiken erstellen, die interaktiv sind. Und die Software ist auf das jeweilige Medium zugeschnitten. Das ist auch der Unterschied zur Konkurrenz. Google Sheets, Excel und weitere Grafikgeneratoren ermöglichen zwar, Schaubilder zu erstellen – aber meist nicht im Stil des anwendenden Medienunternehmens.“

Jaroslav Benc  (Foto: Archiv JIC)
Jaroslav Benc bekennt, er sei zwar begeisterter Programmierer. Doch bisher war er als Angestellter beschäftigt, weit entfernt von der Gründung einer eigenen Firma. Den Schritt dorthin kann das JIC beschleunigen, wie Jiří Hudeček betont:

„Viele unserer Klienten sind junge Menschen, die nie vorher geschäftstätig waren. Man muss also einen Geschäftsplan ausloten. Dazu haben wir Experten. Das Ausloten geschieht sowohl von der technischen als auch der ökonomischen Seite her. Selbst wenn jemand glaubt, ein einzigartiges Produkt gefunden zu haben, kostet die Markteinführung etwas. Das Knowhow genau in diesem Bereich ist das Wertvollste, was wir anbieten können – es ist sozusagen unser Tafelsilber. Wenn der Geschäftsplan sinnvoll erscheint, dann sind wir in der Lage, relativ schnell die Jungunternehmer mit Leuten vom Fach zusammenzubringen – mit Investoren, mit strategischen Partnern, mit Zulieferern, Abnehmern oder weiteren kooperierenden Firmen.“

Junge Menschen werden erstmals geschäftstätig

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Jaroslav Benc hat bereits zahlende Kunden. Das Problem liegt anderswo: Er trägt die Verantwortung für eine Familie mit drei Kindern. Und deswegen hat er gezögert, seine Arbeit zu kündigen. Im vergangenen Jahr absolvierte er das Einsteigerprogramm JIC Enter. Mittlerweile wird er ausgerechnet von Konkurrent Google gefördert. 35.000 Euro vom IT-Riesen bieten ihm Sicherheit.

„Zwar sieht unser Projekt im Internet bereits wie eine Firma aus. Ich betreue auch schon Kunden, die zahlen. Das rechne ich aber bisher über den Gewerbeschein ab, eine GmbH habe ich noch nicht. In den nächsten Monaten soll aber genau dies kommen, weil es bestimmte Vorteile bringt.“

Foto: Archiv JIC
Das JIC besteht seit 2003. Ausgangspunkt war, dass der Kreis Südmähren eine regionale Entwicklungsstrategie entworfen hatte. Neben dem Kreis sind noch die Stadt Brünn und die vier dortigen Hochschulen die Gründerväter. Heute gehört das Startup-Zentrum zum European Business Network, einem Netzwerk von Business- und Innovationszentren in Europa. Das überprüft regelmäßig die Qualität seiner Mitglieder. Mittlerweile beschäftigt das JIC rund 40 Festangestellte, die zumeist unternehmerische Erfahrung haben.

„Unsere Festangestellten sind meist Projektmanager, praktisch so eine Art externe Mitarbeiter der Startups. Sie begleiten den Jungunternehmer bei der Firmenentwicklung. Sie wissen also, was er anbieten kann und was die Firma braucht. Daher können sie relativ schnell Kontakte zu externen Trainern und Mentoren aufbauen. Wir haben einen großen Pool von rund 80 externen Trainern und Mentoren. Das sind Menschen aus der Praxis, Unternehmer, die auch über Finanzen verfügen, über Knowhow und Kontakte.“, so Jiří Hudeček.

Foto: Archiv JIC
In Tschechien besteht eine Reihe an Technikzentren. Das JIC unterscheidet sich von ihnen durch klare Vorgaben für die Aufnahme, eine Betreuung, bei der Zielvorgaben eingehalten werden sollten, und Regeln für den Austritt. Wobei mittlerweile auch Programme für fortgeschrittene Unternehmer bestehen.

Software für die Uno und die EU

Für die Gründerszene in Südmähren jedoch besonders wichtig ist das Programm StarCube, der erste richtige Startup-Accelerator in Tschechien. Über 60 Firmen haben den StarCube bereits durchlaufen, dabei haben sie Investitionen von mehr als 119 Millionen Kronen (4,4 Millionen Euro) an Land ziehen können. Eines der ersten Unternehmen in diesem Programm war Gina Software. Es ist eine der vielen Erfolgsgeschichten des JIC. Boris Procházka ist Executive Manager der Firma:

Boris Procházka  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Im Jahr 2010 waren wir drei Firmengründer – Zbyněk Poulíček, Petra Černá und ich – Kommilitonen im fünften Studienjahr an der Fakultät für Informatik hier in Brünn. Zusammen haben wir uns zum Imagine Cup angemeldet, einem Studierenden-Wettbewerb von Microsoft. Der Untertitel lautete: Wie man mit moderner Technologie bei der Lösung der dringendsten Probleme auf der Welt helfen kann. Im Januar 2010 kam es zum Erdbeben auf Haiti, und wir haben beschlossen, eine Koordinierungssoftware für Rettungskräfte zu erstellen. Wir haben uns also zum Wettbewerb gemeldet, und dabei ist Gina entstanden. Die Retter auf Haiti haben die Software als Erste getestet, danach die EU und die Uno. Erst zwei Jahre später kam die Software dann sozusagen zurück und wird seitdem auch zentral von den Rettungskräften in Tschechien verwendet.“

Software von Gina  (Foto: ČT Brünn)
Die Software ermöglicht, dass alle Einsatzkräfte auf dem Navigationssystem stets sehen können, wo sich die Kollegen befinden. Außerdem lässt sich über die Software Verstärkung ordern, man kann Fotos vom Unfallort verschicken oder beispielsweise einem Hubschrauber-Piloten den günstigsten Landeplatz zuweisen. Mittlerweile expandiert die Software-Firma auch in die Slowakei und in die Schweiz. Außerdem gehören Sicherheitsdienste zu den Kunden von Gina. Rund eine halbe Million Kronen (18.500 Euro) haben die Gründer in die Firma investiert, 2014 lag der Umsatz bereits bei einer Million Euro.

Anteile an erfolgreichen Startups

Foto: Archiv JIC
Gina ist auch das erste Startup, an dem das JIC selbst Anteile erworben hat. Für diese Operationen entstand im vergangenen Jahr die Tochterfirma JIC Ventures. Jiří Hudeček:

„Wir werden derzeit zu 60 Prozent aus öffentlichen Quellen finanziert – vom Kreis, von der Stadt, durch öffentliche Fördermittel. Bei der Breite unseres Angebots werden wir uns zwar auch in Zukunft nicht komplett selbst finanzieren können. Aber wir sind sehr darauf aus, in die Start-ups zu investieren. Manchmal kaufen wir Anteile, manchmal bieten wir Anteile am JIC an. Das heißt, wir helfen, wollen dafür aber auch ein gewisses Prozent Anteil. Es geht ja ums Geschäft. Wir wären froh, wenn unsere Investitionen sich auszahlen und etwas abwerfen. Und das Geld möchten wir weiter investieren. Ein Teil davon könnte in den Betrieb des JIC fließen oder in weitere Startup-Projekte.“

Foto: Archiv JIC
Mit dem JIC verfolgt man in Südmähren hehre Ziele. Brünn soll zu einem Begriff für die innovative Unternehmerszene werden. Mit London, Paris oder Prag könne man natürlich nicht mithalten, bekennt Jiří Hudeček. Doch in der zweiten Liga, und er nennt dabei Köln oder Heidelberg, wolle man sich dauerhaft etablieren:

„Wir wollen, dass unternehmerisch tätige Leute hier herkommen, hier kann man gut leben, Spitzenfirmen haben sich hier angesiedelt, der Markt hier ist gesund – ein gutes Umfeld also, um eine Firma aufzubauen. Zudem sind wir eine Universitätsstadt mit 80.000 Studierenden an vier öffentlichen Hochschulen. Das heißt, hier besteht ein großes Reservoir an talentierten, geschickten Menschen, mit denen man auch für sein Startup rechnen kann. Wir wollen, dass Brünn auf der Weltkarte ein Punkt ist, bei dem man sich durchaus überlegt, ob man dort nicht hingehen könnte“, sagt Hudeček.

Firmen wie Gina Software, aber auch Y Soft oder Skypicker, eine Suchmaschine für Billigflugtickets, beweisen es: Brünn und die Eroberung des Weltmarkts müssen sich nicht ausschließen.

Autor: Till Janzer
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