Finanzkrise: Tschechien nur indirekt betroffen – Euro-Einführung weiter aufgeschoben

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Die weltweite Finanzkrise ist das alles beherrschende Thema dieser Tage. Inwieweit aber hat sie auch schon die Tschechische Republik erfasst? Radio Prag hat Experten-Meinungen zusammengetragen, die auf diese Frage eine erste Antwort geben.

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Die globale Finanzkrise, die in den Vereinigten Staaten ausgelöst wurde und allmählich nach Westeuropa übergeschwappt ist, zeigt mittlerweile auch erste Auswirkungen in der Tschechischen Republik. Der größte Exporteur des Landes, der Pkw-Hersteller Škoda Auto in Mladá Boleslav, hat wegen der Finanzkrise seine Produktion bereits herunterfahren müssen. Die böhmische Glasindustrie steht gar kurz vor dem Zusammenbruch, denn Marktführer Bohemia Crystalex Trading (BCT), der Insolvenz angemeldet hat, steckt in größten finanziellen Schwierigkeiten. Auch die Textil- und die Schuhindustrie sind weiter in Nöten. Dennoch glaubt Dr. Jiří Malý von der Hochschule für Ökonomie in Prag, dass das alles nur Vorboten seien für einen wirklich nachhaltigen Einfluss, den die Finanzkrise auch für Tschechien haben dürfte:

„Ich denke, dass Tschechien von der Finanzkrise zunächst nur indirekt betroffen wird. Über einen längeren Zeitraum hinaus gesehen aber könnte uns diese Krise auf irgendeine Weise jedoch umso härter treffen. Und zwar insbesondere auf dem Feld der realen Wirtschaft. Als Exportnation ist die Tschechische Republik nämlich sehr eng an Westeuropa gebunden. Das bedeutet: Wenn das Wirtschaftswachstum in Westeuropa weiter stark zurückgeht, was jetzt zu befürchten ist, dann kann sich auch die Situation der tschechischen Exporteure zunehmend verschlechtern. Daraufhin würde sich auch die ökonomische Situation im Land weiter verschlechtern, Firmen könnten ihre Bankschulden nicht mehr tilgen und anderes mehr. Folglich kann also auch uns die Finanzkrise erfassen.“

Sehr unterschiedlich reagierten tschechische Politiker auf die Ankündigungen der Regierungen in den großen westeuropäischen Industrienationen Großbritannien, Frankreich und Deutschland, dem angeschlagenen Bankensystem ihrer Länder mit Finanzspritzen in Milliardenhöhe wieder auf die Beine helfen zu wollen.

Sozialdemokatenchef und Oppositionsführer Jiří Paroubek: „Wenn in diesem Zusammenhang vor allem über Garantien gesprochen wird, dann glaube ich, wir sind uns einig, dass es hier wirklich nur um eine Maßnahme zur Förderung des Vertrauens innerhalb der Bevölkerung geht.“

Martin Bursík,  rechts  (Foto: ČTK)
Ähnlich sieht es auch der Vorsitzende der Partei der Grünen, Vizepremier Martin Bursík: „Es ist wichtig, den Finanzsektor einschließlich des Aktienmarktes zu stabilisieren. Nur so kann, wie ich meine, das Vertrauen der Klienten in die Banken gewahrt bleiben. Das wiederum bedeutet, dass auch das Vertrauen in die Subjekte gewahrt bleibt, die sich auf dem Kapitalmarkt bewegen.“

Der tschechische Präsident Václav Klaus, ein Verfechter der wirtschaftlichen Liberalisierung, steht der auch in der EU diskutierten staatlichen Hilfe für die Banken jedoch sehr skeptisch gegenüber: „Ich möchte hiermit betonen: In erster Linie ist es notwendig, dass die Politiker in dieser Situation keine Überreaktion zeigen. Damit würden die Politiker dem Problem nur eine neue Dimension verleihen, und die ist überflüssig.“

Der Analytiker der Agentur Patria Finance, David Marek, geht sogar noch einen Schritt weiter. Es sei zwar zu begrüßen, dass mit den von mehreren Regierungen abgegebenen Versprechen, den Banken zu helfen, die Panik auf den Finanzmärkten gewichen sei, aber „nichtsdestotrotz sind die großen Finanzspritzen der Regierungen in das Bankensystem eine Verletzung der EU-Richtlinie zur öffentlichen Unterstützung der Wirtschaft. Dadurch sind nämlich jene Länder im Nachteil, die über einen gesunden Finanzsektor verfügen.“

Zdeněk Tůma  (Foto: ČTK)
Aufgrund der grassierenden Finanzkrise sehen sich mehrere Politiker und Finanzexperten in Tschechien nun auch darin bestätigt, dass man die Einführung des Euro bislang noch nicht als notwendig angesehen hat. In diesem Jahr werde man deshalb auch nicht mehr darüber nachdenken, wann der geeignete Zeitpunkt dafür wäre, erklärte der Direktor der Tschechischen Nationalbank, Zdeněk Tůma, unlängst im Tschechischen Fernsehen. Eine Entscheidung über den Einführungstermin werde man aber auch nicht auf die lange Bank schieben, so Tůma: „Wir müssen nicht über Jahre sprechen, denn ich gehe selbstverständlich davon aus, dass sich die akuten Probleme auf den Finanzmärkten binnen einiger Monate lösen lassen. Dann können wir zur Frage der Euro-Einführung schon im nächsten Jahr zurückkehren.“

Diese Haltung wird von den meisten Unternehmern in Tschechien kritisiert. Allen voran von den Exporteuren:„Ich bin der Meinung, dass es gegenwärtig keinen Grund dafür gibt, die Einführung des Euro zu verschieben“, sagte der Vorsitzende der Assoziation der Exporteure, Jiří Grund. Und Grund schiebt auch sofort nach, weshalb die Vertreter der Exportindustrie zuletzt sehr unter der starken Krone zu leiden hatten: „Die tschechischen Exporteure haben in den ersten sieben, acht Monaten dieses Jahres bereits 100 Milliarden Kronen eingebüßt.“

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Die Ankündigung, die Einführung des Euro in Tschechien bis auf weiteres zu verschieben, sieht auch Dr. Jiří Malý von der Hochschule für Ökonomie in Prag als keine gute Lösung an: „Ich denke, dass diese Entscheidung nicht ganz glücklich war. Und zwar deshalb, weil die Investoren auf den Finanzmärkten auch die politische Situation beobachten. Zur ihrer Beruhigung wäre es ganz sicher besser, wenn die tschechische Regierung sagen würde: Wir halten an einem Termin der Euro-Einführung fest, zum Beispiel das Jahr 2013. Denn wenn die Investoren keine Perspektive für die Einführung des Euro erkennen können, dann könnte die Tschechische Krone aufhören, der sichere Hafen zu sein, für den man sie heute hält.“

Der tschechische Finanzminister Miroslav Kalousek hält dem jedoch die Kritik entgegen, dass einige Länder der Eurozone wegen der Finanzkrise gegen die Richtlinien des gemeinsamen Wirtschaftsraumes verstoßen: „In dem Augenblick, wo einige Länder aufhören, sich in Anführungszeichen Gedanken über ihr Haushaltsdefizit und das Ausmaß ihrer Verschuldung zu machen, dann beginnen sie auch auf Kosten anderer Länder innerhalb der Eurozone zu leben.“

In Tschechien hat die gegenwärtige Finanzkrise also dazu geführt, dass die vorhandene Skepsis zum Konformismus in der Europäischen Union nicht abgebaut, sondern eher verstärkt wurde. Und mit der Tschechischen Krone als Währung im Rücken wollen mehrere Politiker und Finanzexperten wohl auch weiter beweisen wollen, dass es auch noch anders geht, als nur mit dem Euro. Bleibt also abzuwarten, ob die Finanzkrise an der Tschechischen Republik weitgehend vorbeigeht oder ob sie später doch noch kräftiger durchschlagen wird, wie von Dr. Jiří Malý prognostiziert wurde.