Export: Diversifikation oder Deutschland?

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Eine neue Umfrage des Wirtschaftsministeriums und von Verbänden zeigt, wie sich kleine und mittlere Unternehmen aus Tschechien international ausrichten.

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Auf Straße, Schiene oder übers Wasser – Firmen aus Tschechien bringen so viele Waren außer Landes, wie nie zuvor. Der Export boomt. Im vergangenen Jahr lag der Gesamtwert der ausgeführten Güter bei 4,2 Billionen Kronen (165 Milliarden Euro). Das bedeutete einen Anstieg um 5,7 Prozent gegenüber 2016.

Allein ein Drittel des Exports ging nach Deutschland, obwohl es die prozentual größten Zuwächse bei den Ausfuhren auf andere Märkte gab.

Allein ein Drittel des Exports ging nach Deutschland, obwohl es die prozentual größten Zuwächse bei den Ausfuhren auf andere Märkte gab. Karel Havlíček ist Vorsitzender des Verbandes kleiner und mittlerer Unternehmen in Tschechien. Bei der Präsentation der Umfrageergebnisse sagte er am Dienstag:

„Beim Export nach Deutschland lag der Zuwachs bei etwa fünf Prozent, also 70 Milliarden Kronen. Am meisten steigen jedoch die Ausfuhren nach Israel, Mexiko, Russland und in die Ukraine. Da liegen die Werte bei 10, 15 oder 20 Prozent. Doch die Märkte dort haben für uns bisher nur wenige Milliarden Kronen Umfang, und 20 Prozent mehr bedeuten also nur etwa eine Milliarde Kronen zusätzlich in der Bilanz. In absoluten Zahlen können diese Märkte mit Deutschland als dem Motor Europas nicht mithalten. Deswegen liegt mittlerweile auch der Anteil der EU an den Gesamtausfuhren bei 84 Prozent.“

Märkte gesättigt?

Tomáš Hüner  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Spätestens seit der Regierung Sobotka will Tschechien aber seinen Außenhandel breiter aufbauen. Diversifikation ist das Stichwort. Darf man das Ziel angesichts der Zahlen als obsolet betrachten? Der geschäftsführende Handels- und Wirtschaftsminister Tomáš Hüner (parteilos):

„Dass wir in dem Umfang in die EU-Staaten exportieren, ist sehr angenehm. Die Länder sind nicht so weit weg und stehen uns kulturell nah. Die Voraussetzungen für Handelskontakte dort sind sicher einfacher als etwa bei afrikanischen Ländern, bei denen man gewisse Risiken auf sich nehmen muss.“

Doch das Ziel einer Diversifizierung verfolge man weiter, beteuert der Minister:

„Bei dem Gedanken sind wir davon ausgegangen, dass man nicht ewig auf den bisherigen Erfolg setzen kann. Irgendwann sind die traditionellen Märkte gesättigt. Die Konkurrenz wird wachsen und uns möglichweise wieder hinausdrängen. Weil wir Realisten sind, versuchen wir daher, auch Märkte außerhalb der EU zu erschließen.“

Vladimír Bärtl  (Foto: Noemi Fingerlandová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Hüner nennt dabei in erster Linie China und die postsowjetischen Staaten, aber auch ausgewählte Länder Afrikas. Ein nicht unwichtiges Detail sind die Exporthilfen des tschechischen Staates, etwa über Büros der staatlichen Agentur CzechTrade oder auch direkt über die Botschaften und Konsulate. Dazu der Staatssekretär für Außenhandel im Wirtschaftsministerium, Vladimír Bärtl:

„Alle Vertretungen von CzechTrade, die wir in letzter Zeit neu eröffnet haben, lagen außerhalb der Europäischen Union. Wir bemühen uns, unter anderem mit unserem Förderprogramm zur Teilnahme an Messen und Wirtschaftsausstellungen auf Asien, Lateinamerika und Afrika zu zielen, gerade um neue Märkte zu erschließen. Allerdings ist es verständlich, dass die Firmen zunächst ihre Marketingpläne auf die Nachbarländer und auf den EU-Binnenmarkt ausrichten.“

KMU exportieren in immer mehr Länder

Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), also mit fünf bis 250 Angestellten, sind jedoch flexibler als die großen Produzenten. Das zeigt auch die Umfrage, die am Dienstag vorgestellt wurde. Fast 400 KMU wurden dabei befragt. Demnach exportiert die Hälfte von ihnen in sechs oder mehr Staaten. Ein Drittel hat sogar Handelspartner in elf und mehr Ländern. Vor allem aber ist die Tendenz steigend. Verbandspräsident Havlíček:

Gerade unsere Handelsbilanz mit den USA ist beeindruckend, was die Gewinnspanne anbetrifft. Wenn man sich dann im Detail damit beschäftigt, dann zeigt sich, dass wir ein Drittel aller Dienste gerade in die Vereinigten Staaten ausführen.

„Der Anstieg liegt bei einem Drittel. Das heißt, die Firmen sind sich zum einen auch selbst bewusst, dass sie ihre Risiken verteilen müssen. Zum anderen wollen sie natürlich den Exportumfang erhöhen. Wir halten diese Entwicklung für eine positive Nachricht, denn je geringer die Zahl der Zielländer, desto höher das Risiko.“

Apropos Risiken. Der Faktor Kursschwankungen hat sich deutlich erhöht. Vor einem guten Jahr hatte die tschechische Nationalbank ihre Devisenmarktinterventionen aufgegeben. Mittlerweile tänzelt der Kurs der Krone um einen Wert von 25,5 zum Euro, und die Unternehmen müssen sich beispielsweise extra versichern.

Im Übrigen setzen die KMU auch bei der Partnerwahl auf Sicherheit. Sie bevorzugen B2B-Kontakte, was Karel Havlíček erstmal auch lobt:

„Das zeigt, dass wir eine Industriegroßmacht sind. Die meisten der ausländischen Handelspartner Kunden kommen aus dem verarbeitenden Gewerbe. Daran ist positiv, dass solche Märkte relativ stabil sind. Der direkte Verkauf an den Kunden reagiert hingegen viel empfindlicher, man kann schnell hinzugewinnen, aber auch schnell wieder verlieren.“

Doch in einem Bereich sieht der Verbandspräsident großen Nachholbedarf für die kleinen und mittleren Unternehmen aus Tschechien.

Karel Havlíček  (Foto: Jana Přinosilová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Nur vier Prozent der Ausfuhren dieser Firmen geht in den öffentlichen Sektor der Exportländer. Das bedeutet, dass sich die tschechischen KMU nicht sonderlich stark um europäische Aufträge bemühen. Dabei besteht dort großes Potenzial. Ich würde es auch als eine Herausforderung für CzechTrade bezeichnen, die B2G-Kontakte stärker zu fördern. Denn die Möglichkeiten in diesem Bereich sind groß, und wir hinken weit hinter etwa Italien zurück und erst recht hinter den Deutschen oder auch Holländern“, so Havlíček.

Wachstumspotenzial biete aber genauso die Abkehr von den reinen Warenlieferungen, sagt Karel Havlíček. Entweder wird beispielsweise der Kundenservice gleich zum Produkt mit angeboten, oder einfach nur Knowhow exportiert. Dort liege die Gewinnspanne am höchsten, sagt der Verbandspräsident – und unterlegt dies mit einem Beispiel:

„Gerade unsere Handelsbilanz mit den USA ist beeindruckend, was die Gewinnspanne anbetrifft. Wenn man sich dann im Detail damit beschäftigt, dann zeigt sich, dass wir ein Drittel aller Dienste gerade in die Vereinigten Staaten ausführen.“

In diesem Zusammenhang fände es Havlíček gut, wenn auch der EU-Binnenmarkt für Dienste noch weiter liberalisiert würde.

Autor: Till Janzer
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