Ende des Revitalisierungsexperiments?

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft. In aller Stille hat die sozialdemokratische Regierung dieser Tage eines ihrer wirtschaftspolitischen Paradeprojekte de facto begraben: Die staatlich gelenkte sogenannte Revitalisierung grosser Industriebetriebe. Ende Januar nämlich wurde die Tätigkeit der zu dieser Revitalisierung eigens geschaffenen Agentur eingestellt.

Blenden wir kurz zurück. Als die Sozialdemokraten noch in der Opposition zu den bürgerlich dominierten Regierungen von Vaclav Klaus und später der Übergangsregierung von Josef Tosovsky gestanden hatten, pflegten sie diesen vorzuwerfen, dass der Staat keine Industriepolitik betreibe, die diesen Namen auch verdiene. In der Tat hatte namentlich Klaus als Ministerpräsident die Ansicht vertreten, der Staat solle so wenig wie möglich in den Gang der freien Marktwirtschaft eingreifen.

Als die Sozialdemokraten nach ihrem Wahlsieg von 1998 die Macht übernahmen, änderte das. Eines ihrer wirtschaftspolitischen Hauptthemen im Wahlkampf hatte nämlich beinhaltet, dass der Staat durch gezielte Hilfe an einzelne grosse Industrieunternehmen eine Sogwirkung erzielen könne, die der ganzen notleidenden Branche aus dem Sumpf helfen könne. Die Grundüberlegung lautete, dass Grossunternehmen, die grundsätzlich lebensfähig seien, aber an Altlasten litten, saniert würden und als gesundete Firmen auch ihrem ganzen Zuliefersektor auf die Beine helfen könnten. Waren sich Experten einig darin, dass das Programm, um Wirkung zu erzielen, schnell eingeleitet und durchgezogen werden sollte, so trat allerdings das Gegenteil ein. Denn zunächst stritt sich die neue Regierung monatelang darüber, wie die Revitalisierung im Detail ablaufen sollte. Eine liberalere Version wurde vom Vizeministerpräsidenten für Wirtschaftsfragen, Pavel Mertlik, vorgelegt, eine staatsintervenitionistischere im Gegenteil von Industrie- und Handelsminister Miroslav Gregr.

Schliesslich kam es zu einem Kompromiss, der allerdings deutlichere Züge der Version Mertlik trug. Grundbedingungen für eine Eingliederung eines Unternehmens in das Revitalisierungsprogramm waren etwa ein Betriebsgewinn im vorhergehenden Jahr oder eine Beschäftigtenzahl von 2000 oder mehr, damit durch das Erreichen einer kritischen Grösse des Unternehmens ein Multiplikationseffekt erzielt würde. Von solchen Unternehmen gibt es in Tschechien nicht allzu viel, und es handelt sich um die bekannten Sorgenkinder der Industrie wie der Maschinenbaukonzern Skoda Pilsen, der Traktorenhersteller Zetor Brno, der LKW-Produzent Tatra Koprivnice oder die Stahlwerke Vitkovice. Insgesamt gab es acht Anwärter auf das Programm.

Um in den Genuss des Revitalisierungsprogramms zu kommen, sollten die Aktionäre eines Unternehmens ursprünglich bereit sein, ihre Eigentümerrechte der sogenannten Revitalisierungsagentur abzutreten, die mit staatlicher Unterstützung die Sanierung vornehmen und dann das abgespeckte Unternehmen an einen neuen strategischen Investor zu verkaufen versuchen würde. Später wurden diese Bedingungen allerdings aufgeweicht. Mit der Leitung der Revitalisierungsagentur wurde in einem Auswahlverfahren ein Konsortium der ausländischen Firmen Lazard und Latona beauftragt. Nach rund zweijähriger Tätigkeit hat die Agentur jetzt ihre eigentliche Arbeit abgeschlossen - zwei Jahre früher als ursprünglich vorgesehen und ohne ein Projekt bis zum völligen Ende gebracht zu haben. Als Schlussrechnung hat sie einen Verlust von 233 Millionen Kronen vorgelegt. Dieser Verlust setzt sich zusammen aus den Betriebskosten sowie den Honoraren für die Verwaltung.

Wie wird das sozialdemokratische Experiment, die Industrie mit einem Unterstützungsprogramm wieder in Schwung zu bringen, nach dem Abschluss der Tätigkeit der Revitalisierungsagentur bewertet? Der Ökonom Miroslav Zamecnik, der die Agentur de facto gründete, ist überzeugt, dass diese dem Staat gewaltige Finanzmittel einzusparen half. Denn einerseits sei durch die Beratungstätigkeit vermieden worden, dass der Staat Subventionen nach dem Giesskannenprinzip an die notleidenden Industrieriesen verteilt habe, und andrerseits sei auch keines dieser Unternehmen in einem für den Staat teuren Konkurs gelandet. Auch der Chef des Metallarbeitergewerkschaftsbundes Kovo, Jan Uhlir, gewinnt dem Programm positive Aspekte ab. Gewisse Ergebnisse seien erzielt worden, auch wenn die Abmagerungskur in einigen Fällen sehr hart ausgefallen sei.

Doch Zetor habe überlebt, Vitkovice habe überlebt, deshalb gebe es keinen Grund zur Unzufriedenheit. Der frühere Direktor der Revitalisierungsagentur, Michael Saran, betrachtet die Ergebnisse angesichts des Arbeitsumfelds ebenfalls als akzeptabel. Da die Agentur nicht Eigentümerin der Sanierungsfälle gewesen sei, habe sie auch nur bestimmte Kompetenzen gehabt und in der kurzen Zeit, die zur Verfügung gestanden sei, ein zufriedenstellendes Resultat erreicht. In der Tat bestand ein Problem darin, dass die Agentur, im Gegensatz zum ursprünglich geplanten Szenario, nicht in der Lage war, für die zu sanierenden Unternehmen Bankkredite zu Marktkonditionen aufzunehmen. Der Staat hatte nämlich beschlossen, diese Kredite für günstige Preise an die staatliche Konsolidierungsbank überzuführen, um die Grossbanken vor ihrer Privatisierung nicht damit zu belasten. Damit schränkte er den Wirkungskreis der von ihm selbst geschaffenen Restrukturierungsagentur wesentlich ein. Die Arbeit wird nun nach der Einstellung von deren Tätigkeit vom Staat selbst direkt über die betroffenen Ministerien weitergeführt.

Weniger freundliche Worte fand für den Abschluss des Revitalisierungsexperiments der Wirtschaftskommentator der Tageszeitung Mlada Fronta dnes, Jan Smid. Dieser schrieb in einem Beitrag mit dem Titel der teure Tod der Revitalisierung, letztlich habe sich der Minister für Industrie und Handel, Miroslav Gregr, mit seiner Vorstellung einer finanziell aufwendigen Restrukturierung durchgesetzt. Gregr aber benehme sich wie ein Chirurg, der vor einer Operation zurückschrecke und statt einem riskanten Schnitt den Patienten lieber langsam an teuren Geräten sterben lasse. Weiter schrieb Smid, Zitat:

Am Anfang siegte ein Kompromiss. Bisher hatte die Revitalisierung eine klare Zielsetzung: Lebensfähige Unternehmen am Leben zu erhalten. Nach einem Jahr aber ging Mertliks Einfluss zurück, und Gregr konnte die Revitalisierungsagentur auflösen. Jetzt kommt das Projekt unter den direkten Einfluss des Staates. Die erfahrenen ausländischen Berater gehen weg. Sie hätten Erfolgsprämien dafür einstreichen sollen, dass sie die Unternehmen rasch sanieren. An ihre Stelle treten allenthalben unerfahrene Staatsbeamte. Werden sie auch daran verdienen, dass die Unternehmen schnell wieder auf die Beine kommen? Das geht meistens nicht ohne grössere Entlassungen, und davor fürchten sich die Politiker. Ihnen ist vor allem an der Erhaltung der Arbeitsplätze gelegen. Auch zum Preis, dass diese unablässig aus öffentlichen Geldern subventioniert werden.

Deshalb konservieren sie lieber den jetztigen Zustand, als die Grosskonzerne über Wasser zu halten. Ohne die notwendigen Veränderungen steuern diese aber unausweichlich dem Zusammenbruch zu. Was wird das gegenwärtige Kabinett unternehmen? Um die drohenden Entlassungen abzuwenden, werden weitere Milliarden überflüssig bereitgestellt. Damit bestätigen sich die vorhergehenden Erfahrungen, dass die Regierung nur mit Geldverteilen helfen kann. Ergebnisse sicherstellen kann sie nicht. Ein zweifelhaftes Projekt stellt sich damit selbst in Frage. Was bleibt, ist nur noch Geldverschwendung.