25 Jahre danach: Marktwirtschaft hat sich etabliert, ein paar Altlasten müssen noch beseitigt werden

Photo: Barbora Kmentová

In diesen Tagen wird in Tschechien viel zurückgeschaut, analysiert und bewertet. Der Rückblick geht bis in den Herbst 1989, in dem es die politische Wende gab von einem totalitären Regime zur Demokratie. Analysiert und bewertet wird die Entwicklung, die es seitdem gab. Auch in der Wirtschaft.

Miloš Zeman und Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Auf einer Konferenz zum Thema „25 Jahre freies Unternehmertum“ waren sich alle Experten weitgehend darin einig, dass die Transformation der einstigen sozialistischen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft gelungen ist. Mit besonders starkem Nachdruck wird diese Einschätzung vertreten von Václav Klaus, der Wirtschaftsminister in der föderalen Tschechoslowakei und erster Premierminister in Tschechien war:

„Die Transformation unserer Wirtschaft war ein Erfolg. Diese These ist für mich grundlegend, unstrittig und über allen Zweifel erhaben.“

In seinen damaligen Funktionen war Klaus auch die entscheidende Person zur Durchsetzung der umstrittenen Kuponprivatisierung, von deren Notwendigkeit der ehemalige Premier und Ex-Präsident jedoch zu 100 Prozent überzeugt ist. Nicht so kritiklos sieht dies der amtierende Präsident Miloš Zeman. Er bemängelt, dass die bei dieser Privatisierung ziemlich breit gestreute Eigentumsaufteilung unter den Aktionären die Kontrolle der Unternehmen erschwert habe. In einigen Fällen habe dies soweit geführt, dass gewissenlose Betrüger die ehrlichen Anleger arg verprellt haben. Deshalb nennt Zeman in seiner Einschätzung auch den Namen des wohl größten Betrügers bei Kapitalgeschäften in den vergangenen 25 Jahren in Tschechien:

„Wir beschreiten einen aufsteigenden Weg, auf dem manchmal unnütze Steine liegen. Einer davon war Viktor Kožený.“

Gouverneur der Tschechischen Nationalbank  (ČNB),  Miroslav Singer  (Foto: Filip Jandourek)
Die Aufwärtsentwicklung der nationalen Wirtschaft belegte auf der Konferenz dann auch der Gouverneur der Tschechischen Nationalbank (ČNB), Miroslav Singer. Seinen Ausführungen zufolge ist die tschechische Ökonomie von 1993 bis 2013 um 67 Prozent gewachsen, die Ökonomien der benachbarten ehemaligen Ostblockstaaten Polen und Slowakei sogar um 133 beziehungsweise 129 Prozent. Die Tschechische Republik und ihre Nachbarstaaten hätten den Rückstand zu den Wirtschaften in West- und Nordeuropa sogar in noch größerem Maß verkürzt als es die genannten Zahlen angeben. Bei den Berechnungen zum Bruttoinlandsprodukt würden indes einige Faktoren in Tschechien, Polen und der Slowakei unterbewertet, meint Singer.

Das heutige Leben sei unvergleichbar freier und reicher als vor 25 Jahren, und der Lebensstand in Tschechien habe sich mehr als verdoppelt, hebt der Präsident der Wirtschaftskammer, Vladimír Dlouhý, hervor. Dlouhý verweist indes auch auf die negativen Erscheinungen, die es endlich zu meistern gilt:

„Der Staat muss schnellstens mit den Folgen der Korruption aus der Vergangenheit aufräumen. Und zum Zweiten müssen bessere und transparentere Gesetze geschaffen werden.“

Jiří Hlavatý ist Generaldirektor der Textilfirma Juta in Hradec Králové / Königgrätz. Dort hat er sich seit 1972 vom einfachen Arbeiter bis zum Eigentümer des Unternehmers emporgearbeitet, mit entschlossenem und zielstrebigem Engagement. Für ihn sind es daher in erster Linie die Unternehmer, die die heutige Gesellschaft tragen:

Foto: Archiv der Textilfirma Juta in Hradec Králové / Königgrätz
„Es sind heutzutage vor allem die Unternehmer, die etwas bewegen. Sie sind es, die dafür sorgen, dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Und sie sind es auch, die wesentlich zum Wachstum in der Gesellschaft beitragen.“

Andererseits stört es Hlavatý sehr, dass die Leistungen der Unternehmer noch zu wenig Anerkennung finden. Er kennt jedoch auch den Grund und hofft, dass die faulen Äpfel endlich aussortiert werden:

„Die Spitze des Eisberges sind die Unternehmer, die betrügen. Es sind die Unternehmer, die sich bei den Ausschreibungen einen unlauteren Vorteil verschaffen. Es sind die Unternehmer, die keine Steuern entrichten, von ihren Kunden aber fordern, dass sie in bar bezahlen. Es sind diejenigen, die unseren Ruf arg beschädigen.“

In dem Vierteljahrhundert seit der Wende haben sich Hlavatý zufolge die Aufgaben und Anforderungen an einen Unternehmer kaum geändert, das wirtschaftliche Umfeld dafür aber umso mehr:

„In den zurückliegenden 25 Jahren hat sich gewiss vieles verändert. Als wir nach der Wende begonnen haben, war die Konkurrenz noch nicht so hart wie heute. In diesen 25 Jahren haben wir uns eindeutig davon überzeugen können, dass die Tschechische Republik eine völlig offene Wirtschaft hat. Im Gegensatz dazu halten einige westeuropäische Länder an ihrem durchaus gesunden Nationalismus fest.“

Foto: Barbora Němcová
In diesem Zusammenhang erhofft sich Hlavatý in der Zukunft von der Regierung und den zuständigen Behörden mehr Weitblick und Prinzipientreue, wenn es um die Bewilligung staatlicher Investitionen geht:

„Ich wäre sehr froh, wenn die Gelder aus den europäischen Fonds so umverteilt und genutzt würden, dass mit ihnen vernünftige Investitionen getätigt werden können. Diese Gelder sollten dazu dienen, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu erhöhen und nicht dafür, dass damit Bobbahnen, Golfplätze oder Hotels gebaut werden, die ein Verlustgeschäft sind. Und auf der anderen Seite haben wir Straßen, die Panzerübungsplätzen gleichen.“

Aber nicht nur auf der Unternehmerseite ist heute ein Unterschied zu 1989 festzustellen, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt. Die Zeitschrift „Annonce“ analysiert die Anforderungsprofile der Arbeitnehmer, Lenka Černá ist deren Direktorin:

„Vor 25 Jahren war es leichter, eine Arbeitskraft zu finden, andererseits war nicht jede Einstellung mit der erforderlichen Qualifikation verbunden. Das kam daher, weil damals, beim Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus, die Beschäftigung eine Selbstverständlichkeit war. Es war für gewöhnlich so, dass eine freie Stelle in der Firma zumeist auf Empfehlung eines Anderen besetzt wurde. Oder aber der Arbeitgeber stellte einen Schulabgänger ein.“

Und heute?

„Heutzutage sehen wir eine große Verschiebung, insbesondere bei den Schulabgängern oder aber beim Verlauf des Auswahlverfahrens. Die Schulabgänger haben eine sehr schwere Position auf dem Arbeitsmarkt, weil sie zumeist nur den Schulabschluss, aber keine Erfahrungen oder ein absolviertes Praktikum vorweisen können.“

In den 25 Jahren seit der Wende hat sich also auch allerhand in der Wirtschaft verändert. In Tschechien hofft man nun, dass man aus so manchem Fehler lernt und dass insbesondere die ganz alten Zöpfe endlich abgeschnitten werden.