Wo der Hofmeister den König empfing: Rittersäle im Schloss Pardubice

Schloss in Pardubice (Foto: Martina Schneibergová)

Es ist eine der Dominanten der ostböhmischen Kreisstadt Pardubice: das Schloss, das einst die Residenz der einflussreichen Adelsfamilie Pernstein war. Seit den 1990er Jahren hat dort das Ostböhmische Museum seinen Sitz. Folgen Sie uns nun zu einer Besichtigung des Schlosses.

Schloss in Pardubice  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Schloss in Pardubice / Pardubitz ließ Wilhelm von Pernstein (Pernštejn) Ende des 15. Jahrhunderts an einem Ort bauen, an dem zuvor eine Wasserfestung stand. Diese habe dem späteren ersten Prager Erzbischof und Berater von Karl IV., Ernst von Pardubitz (Arnošt z Pardubic), gehört, erzählt Helena Slepičková. Sie ist für den Betrieb im Schloss verantwortlich und führt die Touristen durch das Areal:

„Einige Überreste dieser Wasserfestung lassen sich heute in den Kellerräumen finden. Mehr Informationen über die Wasserburg könnten aber nur archäologische Forschungen unter dem Burgwall liefern. Wilhelm von Pernstein und seine Nachkommen haben Pardubice sehr gern. Das wissen wir aus der Korrespondenz von Wilhelms Söhnen. Die Pernsteins waren jedoch 1560 gezwungen, das Herrengut von Pardubice zu verkaufen. Sie besaßen damals noch viele andere Güter, vor allem in Südmähren. Zudem ließen sie zu jener Zeit das Renaissanceschloss in Litomyšl / Leitomischl errichten. Für den Verkauf des Schlosses in Pardubice bekamen die Pernsteins damals Bargeld, das sie dringend brauchten.“

Schlosskapelle  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Pernsteins ließen in ihrer Residenz eine Kapelle errichten, die den heiligen drei Königen geweiht wurde. In den vergangenen 50 Jahren war der Sakralraum geschlossen, er diente als Lager. Erst im Frühjahr 2013 wurde die Kapelle nach einer gründlichen Instandsetzung wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht:

„Seit 500 Jahren ist die Kapelle den heiligen drei Königen geweiht, daran hat sich nichts geändert. Der Hauptaltar stammt jedoch nicht aus der Pernstein-Zeit, sondern aus dem 19. Jahrhundert. Die Barockaltäre befanden sich früher in der hiesigen Marienkirche. Da sie Bestandteil der Sammlungen des Ostböhmischen Museums sind, konnten sie hier platziert werden. Der Chor, auf dem es leider keine Orgel mehr gibt, ist noch nicht zugänglich. Dort wird bald eine historische Dauerausstellung zu sehen sein. Die Kapelle ist nicht täglich geöffnet. Sie kann man im Rahmen der kunsthistorischen Führung besichtigen. Zudem werden hier Kammerkonzerte veranstaltet. Es passen nur etwa 30 Zuschauer in den Raum, aber die Atmosphäre ist sehr schön“, so Helena Slepičková.

Foto: Martina Schneibergová
In der Kapelle ist das spätgotische Gewölbe erhalten geblieben, das unter Wilhelm von Pernstein geschaffen wurde. An den Wänden sind Fragmente von Renaissance-Malereien zu sehen:

„Diese Malereien sind Wilhelms Söhnen Johann und Adalbert (Vojtěch) zu verdanken. Ihr Vater hätte derartige Renaissance-Verzierungen für eine Geldverschwendung gehalten. Die Söhne luden jedoch italienische Maler nach Pardubice ein. Innerhalb von fünf bis sieben Jahren schufen die Italiener im ganzen Schloss herrliche Wandmalereien. In der Kapelle sind nur ein paar Fragmente erhalten geblieben.“

Luthers Antithese des Alten und Neuen Testaments  (Foto: Martina Schneibergová)
Aus der Kapelle geht es weiter einige Stufen hinauf in die erste Etage, in die früheren Audienzsäle der Familie Pernstein. In diesen „Rittersälen“ findet man die urkundlich ältesten Exemplare von großflächigen Renaissance-Wandgemälden in Böhmen, sagt Helena Slepičková:

„Im ersten der Renaissancesäle, dem ´mázhaus´, ist die Wandmalerei zum Thema von Luthers Antithese des Alten und Neuen Testaments zu sehen. Viele Details zu diesem Bild ließen sich erläutern. Das Bedeutendste daran ist, dass der Mensch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Neue Testament für wichtiger halten sollte als das Alte Testament. Auf dem Wandgemälde ist ein kleiner Mensch abgebildet, der zwei Berater hat – auf der einen Seite steht Johannes der Täufer, auf der anderen der Prophet Jesaja. Der Mensch schaut in die Richtung des Neuen Testaments, wendet sich mit seinem Körper aber immer noch dem Alten Testament zu, also den Zehn Geboten.“

Foto: Martina Schneibergová
Die Pernsteins ließen die Wandmalerei mit einer Aufschrift in tschechischer Sprache versehen. Dies war damals sehr ungewöhnlich, üblicher war der Gebrauch von Latein oder Deutsch. Die Expertin:

„Man sollte daran erinnern, dass dieser Raum als Sitzungssaal diente. Johann von Pernstein traf sich hier mit den böhmischen Adeligen, um mit ihnen das Programm der böhmischen Glaubenskonfession zu diskutieren. Die Wandmalerei mit tschechischen Texten kann man daher als eine Art Reklame dafür betrachten.“

´Fortuna volubilis´  (Foto: Martina Schneibergová)
Möglicherweise ließen sich die italienischen Künstler durch die Werke von Lucas Cranach oder Hans Holbein inspirieren. Auch ein weiteres Bild erinnert an Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, sagt Helena Slepičková:

„Es ist die ´Fortuna volubilis´, was soviel bedeutet wie ´Glück ist schwankend´. In dem Wandgemälde steht die Fortuna auf der Erdkugel. Die nackte Frauenfigur hat einen herrlichen Renaissancehut auf dem Kopf. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um das älteste Aktgemälde in Böhmen überhaupt. Die Frau hält einen Spiegel in der Hand – also wieder ist die Inspiration durch Cranach zu erkennen. Die Fortuna sollte den Gästen im Saal ins Gedächtnis rufen, nie zu vergessen, dass ihr Glück auch vergänglich sein kann. Genauso mahnend sollte auch das Gemälde an der Wand gegenüber wirken. Es stellt Samson und Dalila dar, in dem Moment, als Samson vergisst aufzupassen und Dalila ihm das Haar schert. Damit verliert Samson seine Kraft. Der Audienzsaal war nur mit Malereien geschmückt, die die Versammelten belehren sollten.“

Samson und Dalila  (Foto: Martina Schneibergová)
Im Saal gibt es in der Ecke einen Erker. Wozu er diente, weiß man nicht genau. Unter Umständen befand sich dort einst eine kleine Privatkapelle.

„Der Erker hat ein spätgotisches Gewölbe, das genauso aussieht wie die Gewölbe im alten königlichen Palast auf der Prager Burg. Nicht zu übersehen an dem Gewölbe sind die Wappen der Pernsteins. Wilhelm Pernstein und später auch sein Sohn Johann waren die obersten Hofmeister des Königtums, also direkte Stellvertreter des Königs.“

Weihnachtskrippe aus Kristallglas  (Foto: Martina Schneibergová)
Oft sei der junge böhmische König Vladislav Jagiello zu den Pernsteins zu Besuch gekommen. Der Hofmeister gab ihm Ratschläge, wie aus Wilhelm Pernsteins Briefen bekannt ist. Der König sei aber vor allem gekommen, um Geld von seinem Hofmeister zu kassieren, erzählt die Expertin.

Von den Originalmöbeln aus dem 16. Jahrhundert ist im Schloss nichts mehr erhalten geblieben. Als die Familie Pernstein das Schloss an Kaiser Ferdinand I. verkaufte, wurde die gesamte Schlosseinrichtung in andere Residenzen der Pernsteins überführt. In einem der weiteren Rittersäle ist seit Herbst vergangenen Jahres eine Weihnachtskrippe aus Kristallglas ausgestellt.

Foto: Martina Schneibergová
„Das Ostböhmische Museum hat sich auf böhmische Glasproduktion spezialisiert. Glasmacher Jaromír Rybák ließ seine Krippe im Schloss installieren. Das Kunstwerk wiegt etwa drei Tonnen und musste in acht Teile zerlegt werden, damit es überhaupt transportiert werden konnte. Die Krippe stellt nicht nur die typische Szene mit dem Jesuskind dar. Die Besucher können sich das Kunstwerk auch von hinten anschauen, wo sich in einem großen Stück Kristallglas das Weltall mit den Sternen bewundern lässt“, sagt Slepičková.

In den anderen Schlosssälen aus der Renaissancezeit sind eine Dauerausstellung über die Geschichte der Glasproduktion in den Böhmischen Ländern sowie die Münzensammlung des Museums zu sehen. Zudem sind in der Residenz eine Dauerausstellung mit Waffen und eine Exposition über die Landschaft der Region untergebracht. Hinzukommen sollen künftig noch eine archäologische und eine historische Ausstellung.


Das Schloss in Pardubice ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.


Dieser Beitrag wurde am 31. Januar 2014 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.

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