Von der Josephsquelle zur Schönen Peppi: Auf Hrabals Spuren in Kersko

Foto: Martina Schneibergová

Der Ort Kersko ist dank dem Schriftsteller Bohumil Hrabal bekannt geworden. In der Waldsiedlung, die etwa 30 Kilometer östlich von Prag liegt, hatte der Schriftsteller sein Sommerhaus. Dort fand er auch Inspirationen für seine Werke. Die Bewohner von Kersko hat Hrabal in seiner Prosasammlung „Schneeglöckchenfeste“ beschrieben. Regisseur Jiří Menzel hat das Buch 1983 verfilmt und dabei an mehreren Orten in Kersko gedreht.

Kneipe „Hájenka“  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Waldsiedlung Kersko gehört zur Gemeinde Hradištko. Diese liegt nur neun Kilometer westlich von Nymburk / Nimburg, wo Bohumil Hrabal aufgewachsen ist. Mit dem Bus von Prag aus sind es etwa 30 Minuten nach Kersko. Von der Haltestelle überquert man die Hauptstraße und geht weiter geradeaus auf einer Straße, nach ein paar Hundert Metern kommt man zur Kneipe „Hájenka“. Sie ist dank Jiří Menzels Film „Slavnosti sněženek“ (Das Wildschwein ist los) bekannt geworden. Nahe der inzwischen legendären Gaststätte befindet sich das Waldatelier Kuba mit einer Galerie. Draußen vor dem Atelier veranstaltet der Bohumil-Hrabal-Leserklub immer Ende Mai das Festival „Hrabals Kersko“. In diesem Jahr sind die Bewunderer des Schriftstellers zum 18. Mal dort zusammengetroffen. Zuerst gab es eine literarische Wanderung. Václav Kořán ist ein Lokalpatriot und kennt fast jeden Baum von Kersko. Er beginnt seine Führung bei der Josephsquelle, die sich auf der Straßenseite gegenüber der „Hájenka“ befindet.

Josephsquelle  (Foto: Martina Schneibergová)
„Als Josef Hyross, der letzte Privatbesitzer dieses Waldstücks, die Grundstücke für den Bau von Sommerhäusern zu verkaufen begann, musste er auch eine Infrastruktur schaffen. Nur so ließen ich Interessenten anlocken. Er baute diese Landstraße, die wir ‚betonka‘ nennen. Es ist zwar eine Asphaltstraße, aber die untere Schicht wurde aus Beton gegossen. Hyross ließ hier zwei Mineralquellen bohren. Die erste befindet sich heute auf dem privaten Grundstück neben dem Restaurant Hájenka. Sie hieß die Heiligabend- Quelle, weil sie 1934 zu Heiligabend gebohrt wurde. Die Josephsquelle wurde auch Ende desselben Jahres gebohrt. Sie wurde nach dem Heiligen Joseph benannt, weil Herr Hyross und dessen Sohn beide Josef hießen. Auch ein Mitschüler von Hyross Junior vom Gymnasium in Český Brod hieß Josef. Herr Hyross hatte einen Wettbewerb für die Benennung der Mineralquelle ausgeschrieben. Der Junge vom Gymnasium schlug den Namen Josephsquelle vor und gewann.“

Mineralquelle und Freibad

Holzplastik des Heiligen Joseph  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Ursprünglich befand sich die Quelle in einem kleinen Haus mit einem kleinen Springbrunnen. Die Bedienung zapfte das Mineralwasser und reichte es durch ein Fenster den Kunden. Das Häuschen wurde später abgerissen, die Wasserleitung verstopfte. 1985 wurde eine neue Quelle gebohrt, 1993 wurde sie überdacht. 2012 wurde die neue Josephsquelle samt einer Holzplastik des Heiligen Joseph geweiht. Bald darauf schnitt jedoch jemand den Kopf der Plastik ab, erzählt Václav Kořán.

„Die hiesigen Bewohner führten eine Spendensammlung durch und installierten eine neue Statue. Nach einem Jahr haben wiederum irgendwelche Dummköpfe den Kopf der Statue abgeschnitten. Der Gemeinderat ließ den Torso der Plastik beseitigen. Derzeit wird darüber verhandelt, ob erneut eine Plastik hier stehen soll.“

Von der Josephsquelle geht es nach links, der Weg führt durch einen stillen Laubwald bis zu einem Teich. Einst gab es dort ein Freibad. Der frühere Besitzer des Waldstücks, Josef Hyross, habe das Bad Mitte der 1930er Jahre anlegen lassen, erzählt Václav Kořán:

Foto: Martina Schneibergová
„Am Teich war auch für Unterhaltung gesorgt. Dort, wo das Wochenendhaus steht, befand sich vor dem Krieg ein Restaurant. Mein Vater war dabei, als das Erholungsareal eröffnet wurde. Man konnte damals hier auch Boote ausleihen. Heute darf man hier vor allem aus hygienischen Gründen nicht mehr baden.“

Bohumil Hrabals Sommerhaus

Vom Teich führt der Waldweg nach links an einigen Sommerhäusern vorbei bis zur Landstraße. Über die Straße geht es direkt zum Bohumil Hrabals Sommerhaus. Die Villa ist weiß mit grün gestrichenen Türen und Fensterläden. Václav Kořán:

Bohumil Hrabals Sommerhaus  (Foto: Martina Schneibergová)
„Das Sommerhaus wird weiter genutzt. Bohumil Hrabal und seine Frau haben es dem Sohn ihrer Nachbarn vererbt, dessen Familie kommt an Wochenenden hierher. An dem Haus hat sich nichts geändert. Ich kann mich erinnern, wie hier Hrabal auf seiner Schreibmaschine tippte. Für ihn war das Haus sein Zweitwohnsitz. Später lebte er hier immer von Frühjahr bis Herbst. Im Winter kam er mit dem Bus um 10 Uhr vormittags und fuhr dann um 12 Uhr wieder zurück. Heute stehen bei seiner Haltstelle einige Katzenplastiken aus Holz.“

Der Schriftsteller liebte Katzen und hat sich auch in Kersko um sie gekümmert. Nicht weit vom Sommerhaus des Schriftstellers steht ein Anwesen mit einem Garten, in dem einige Szenen aus dem Film „Das Wildschwein ist los“ gedreht wurden.

Menhir am Wegesrand

Kreuz „Na kostelíku“  (Foto: Martina Schneibergová)
Aus dem Wald geht es wieder zur Straße, die von Semice nach Hradištko führt. In einer Kurve steht auf der rechten Straßenseite ein Kreuz. Die Stelle wird „Na kostelíku“ (Am Kirchlein) genannt. Ab der frühen Neuzeit stand dort eine Fronleichnamskapelle. Neben der Kapelle wurde damals ein Friedhof für die Bewohner von Hradištko angelegt. 1780 wurde in der Kapelle zum letzten Mal ein Gottesdienst zelebriert. Sechs Jahre später wurde sie geschlossen. In einigen Jahren war der Sakralbau schon halb zerfallen. Der Friedhof diente nur bis 1785 seinem Zweck. Bei den archäologischen Ausgrabungen Ende des 19. Jahrhunderts wurden an diesem Ort einige Artefakte gefunden, die heute im Regionalmuseum in Poděbrady aufbewahrt werden. Im 19. Jahrhundert wurden die sterblichen Überreste der Bestatteten exhumiert, erzählt Václav Kořán:

„Die sterblichen Überreste wurden in einem gemeinsamen Grab bestattet, das weiter auf dem Friedhof zu erkennen ist. Fürst Philipp Hohenlohe von Schillingfürst ließ über dem Grab 1891 ein Kreuz aus Gusseisen aufstellen. Es wird zwar erzählt, dass Hynek Boček z Kunštátu hier schon im 14. Jahrhundert eine Kapelle errichten ließ. Dies ist jedoch gar nicht belegt. Es stimmt schon, dass er einige Gemeinden in der Umgebung gegründet hat. Die hiesige Kapelle ist aber erst nach dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert erbaut worden.“

„Menhir von Kersko“  (Foto: Martina Schneibergová)
Vom früheren Friedhof geht es zurück auf die Landstraße. Nach etwa 100 Metern führt ein Weg links in den Wald bis zu einem Steinblock, dem sogenannten „Menhir von Kersko“. Er ist 76 Zentimeter hoch, sein Gewicht wird auf 200 Kilogramm geschätzt. Seit wann dort der Steinblock steht, wisse man nicht, erzählt Václav Kořán:

„Ob er sich hier seit prähistorischen Zeiten befindet oder erst später hergebracht wurde, ist unklar. Einige Experten sind der Meinung, dass er vielleicht als Grenzstein zwischen dem Hoheitsgebiet der Přemysliden und der Zličans oder der Slawnikiden gedient hat. Nach einer anderen Hypothese stellte der Menhir einen Grenzstein zwischen drei Verwaltungsgebieten der Přemysliden dar: Vyšehrad, Kouřim und Boleslav. Es gibt noch eine dritte Hypothese, der zufolge die keltischen Druiden bei ihren Zeremonien den Menhir benutzt haben sollen.“

Wildschweinbraten mit Hagebuttensauce

Föhre „Krásná Pepina“  (Foto: Martina Schneibergová)
Vom Menhir geht es zurück auf die Straße und wieder nach rechts in den Wald, in dem man auf immer mehr Kiefern trifft. Zwei der prächtigen Föhren hat auch Bohumil Hrabal in seinen Werken verewigt. Von der vermutlich ältesten Föhre in Kersko, der sogenannten „Švarná Tonka“ (Hübsche Toni), ist nur noch ein umgestürzter Stumpf geblieben. Denn der Baum fiel 2007 dem Orkan Kyrill zum Opfer. Die Föhre „Krásná Pepina“ (Schöne Peppi), deren Krone Hrabal mit den Fenstern des Veitsdoms verglichen hat, steht immer noch und wird zu Recht von Wanderern bewundert. Von der Schönen Peppi ist es nicht mehr weit zur Kersko-Allee Nr. 8, die „Nymburačka“ genannt. wird. Der Weg war im Mittelalter ein Stück der Straße, die von Prag nach Nymburk führte. Damals hieß die Stadt jedoch Svinibrod. Zurück zum Restaurant „Hájenka“ sind es etwa zehn Minuten. Bis heute wird in der Kneipe Wildschweinbraten entweder mit Hagebuttensauce oder mit Kraut serviert – genauso wie es die zerstrittenen Jäger in Menzels Film von 1983 verlangt haben.