Schloss Drazic: Vom Abstelllager zum Jugendschloss

Dražíč, foto: Chmee2, CC BY-SA3.0 Unported

Die südböhmische Gemeinde Drazic liegt etwa 5 Kilometer westlich von der Stadt Bechyne auf der Straße, die Tyn nad Vltavou mit Milevsko verbindet. Fast gegenüber der einstigen Drazicer Brennerei, in der sich heute eine Bierbrauerei befindet, erstreckt sich ein Schlossareal, zu dem unter anderem ein großer Obstgarten gehört. Der Gebäudekomplex wurde während der kommunistischen Ära Jahre lang von einer LPG als Abstellraum genutzt. Das recht verwüstete Schlossgelände wurde vor einigen Jahren wieder belebt.

Bei einem Rundgang durch die Gemeinde kann man das Schlossareal nicht übersehen, auch wenn es hinter Bäumen und teilweise der Schlossmauer ein wenig versteckt ist. Die Barockkapelle rechts von der Einfahrt in den Hof sieht fast frisch renoviert aus. Sie ist mit dem einstöckigen länglichen Schlossgebäude verbunden, von dem vor allem die Arkaden auffallend sind, die sowohl im Erdgeschoss, als auch im ersten Stock errichtet wurden. Neben dem Schlosseingang hängt die Tafel mit der Überschrift "Zamek Mladi" zu deutsch "Jugendschloss". Mit dem Vorhaben, hier ein Jugendprojekt zu starten, hat Leopold Graf Deym auch das verwüstete Schlossareal vor einigen Jahren gekauft. Graf Deym lebt in Bayern, aber kommt oft nach Drazic, um hier bei den Sanierungsarbeiten zu helfen. Diesmal verbringt er hier den ganzen Oktober. Ich fragte den Freiherrn von Stritez, der Jahre lang im karitativen Bereich tätig war, wie er auf die Idee kam, das fast zerfallene Gebäude hier zu kaufen:

Schlossareal in Dražíč,  foto: Chmee2,  CC BY-SA3.0 Unported
"Um ehrlich zu sein, es war ein Zufall, aber ich habe bei dem Zufall entdeckt, dass da die wesentlichen Dinge in mir angesprochen worden sind: Meine familiäre Herkunft - ich bin auch in einem Schloss aufgewachsen, der Sinn für alte Häuser und Gemäuer und auch die Notwendigkeit, den alten Gemäuern einen neuen Geist zu verleihen. Das schlummerte alles in mir, und wie ich dann durch Zufall dieses Haus gesehen habe und der Bürgermeister gesagt hat: ´Kommen Sie, retten Sie das Haus, helfen Sie hier beim Wiederaufbau´ - da konnte ich nicht mehr aus."

Leopold Graf Deym
Warum haben Sie das Schloss "Zamek Mladi" also "Jugendschloss" genannt?

"Das lag auf der Zunge - so zu sagen, als wir den Zweck bestimmt haben. Ich habe mich entschlossen, ein Jugendschloss zu errichten, das als eine Begegnungs-, Freizeit- und Bildungsstätte dienen würde - für deutsche sowie tschechische Jugendliche."

War das noch vor dem EU-Beitritt Tschechiens?

"Das war 1998. Ich wollte etwas Soziales machen, was für die Entwicklung hier, aber auch bei uns nützlich wäre."

Ich habe mir einen Teil des Areals angeschaut, der schon ganz gut hergerichtet ist, aber es bleibt hier noch viel zu tun. Wie sah es damals aus, als Sie zum ersten Mal gekommen sind?

"Ich muss gestehen, dass mich der Charakter dieses Hauses und seine Schönheit und Originalität so gefesselt haben, dass ich die schlechten Seiten weniger berücksichtigt habe. Der Schmutz sah innen sowie draußen grausam aus. Aber ich scheue nicht Arbeit und ich wusste, dass man das machen kann, und dass die Substanz gut ist. Das war das Wichtigste."

Sie haben sich bestimmt auch mit der Geschichte dieses Ortes beschäftigt. Wie war das Schicksal des Schlosses in den vergangenen Jahrhunderten?

"Drazic gehört zu den drei ältesten Orten im Bezirk, weil eben hier sehr früh eine Herrschaft war, die den ältesten Teil aufgebaut hat. Das war schon am Ende des 16. Jahrhunderts. Dieser Jan Svatkovsky hatte das Pech, im Dreißigjährigen Krieg nach der Schlacht am Weißen Berg auf der Seite der Verlierer gestanden zu haben, und dann ist es gleich konfisziert worden. Unabhängig davon - wie es schon mit alten Häusern so ist, ist es durch viele Hände gegangen. Es waren bekanntere Familien dabei, auch Familien, mit denen wir verwandt sind. Wir sind ja mit unseren Wurzeln nicht ganz weit von hier - in Stritez bei Milevsko - verankert. Die Familie Thamm hat es in der Barockzeit so ausgebaut, wie man es heute sieht - vor allem mit diesen architektonisch interessanten Bögen auf der Nordseite, die früher nicht verglast waren. Da gehört schon Mut dazu, solche Bögen auf die Nordseite zu setzen. Im Süden sieht das Schloss ganz anders und sehr viel eindeutiger barock aus. Dann ging es, wie es vielen Schlössern auch ging: Im 19. Jahrhundert gehörte es den Fürsten Paar, die in Bechyne lebten, die aber nie hier präsent waren. Die hatten einen Verwalter, und dem ist es dann während der ersten Bodenreform in der Ersten Republik übereignet worden. Die Töchter von einem gewissen Herrn Svoboda haben das dann nach der Wende von 1989 restituiert (zurück bekommen). Die eine lebt in England, die andere in Policka in Ostböhmen. Der Vater des damaligen Bürgermeisters, der mir hier sehr geholfen hat am Anfang einzusteigen - insofern, dass ich mit ihm, mit der Gemeinde eine GmbH gegründet habe (er war der erste Geschäftsführer), der hatte Beziehung zu dieser Familie Svoboda, weil sein Vater hier noch gearbeitet hatte. Das ist in kurzer Form die Geschichte. Als wir gekommen sind, waren noch die Gemeindekanzlei und die Bibliothek im Schloss untergebracht. Sonst wurde es ein Abstelllager für die LPG genutzt."

Bestandteil des Schlosses ist auch eine Kapelle, die durch das Oratorium mit dem oberen Stock des Schlossgebäudes verbunden ist. Die Kapelle sieht heute verhältnismäßig gut aus...

"Dies ist eine interessante Geschichte, die man weiter erzählen muss, weil man eben sieht, dass es auch in schlechten, ideologisch miesen Zeiten an vielen Orten Leute gegeben hat, die sich manches nehmen lassen mussten, aber die sich ihren Glauben und ihre Beziehung zum Gotteshaus am Ort eben nicht nehmen ließen. Die Kirche war die ganzen Jahre über gut im Schuss - wie gut, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass der Bürgermeister, von dem ich schon sprach, sie nach 1989 außen - wie man heute sieht - nochmals angestrichen und innen geweißt hat."

Schlosskapelle
Wer hilft Ihnen dabei, das Ganze auf die Beine zu bringen?

"Ich habe auf deutscher Seite im Bereich Jugendsozialarbeit gearbeitet: Das hieß Hilfe für Jugendliche zwischen Schule und Beruf, die Schwierigkeiten hatten mit der Gesellschaft, die aus den verschiedensten Gründe Probleme damit hatten, etwas zu erlernen. Und die sind sehr zufrieden, und ich brauche mich nicht zu beschweren. Es rufen Einrichtungen und Gruppen an, die fragen, ob sie kommen können und hier eine bis zu drei Wochen verbringen können. Dann geht es über ein Europaprogramm. Sie machen hier ein Auslandspraktikum. Das sind Jugendliche, die oft zu Haus in Lehrwerkstätten Mauern aufbauen und Mauern abbauen oder abreißen, aber hier bleibt mal was stehen. Sie sehen, dass sie an einem Werk mitarbeiten, sie kommen von der Einrichtung zu Hause raus, es ist pädagogisch eine neue Situation. Es ist auch mit Abenteuer verbunden und es macht Sinn und es kommt gut an. Ich glaube, dass dieses Projekt einmalig ist. Ich mache im Größeren seit dem 1. Mai 2004 jährlich ein Festival. Im nächsten Jahr will ich dieses Festival noch stärker profilieren. Wenn die Pläne so weiter laufen, nennen wir es ´Internationales Europatreffen für die Jugend´".

Sie arbeiten offiziell mit der Gemeinde zusammen, Sie haben eine GmbH hier gegründet und haben vor, hier einen Jugendklub der Gemeinde zur Verfügung zu stellen. Wie wurden Sie hier am Anfang aufgenommen?

"So ganz genau weiß man das ja nicht, weil man nur das mitkriegt, was man sieht und hört. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde lag mir sehr am Herzen, denn es macht überhaupt keinen Sinn, für eine Gemeinschaft da zu sein, wenn die Gemeinschaft das nicht will. Ansonsten habe ich großes Glück und freue mich sehr, dass die Leute richtig nett sind."

Meinen Sie, dass die Leute hier wissen, dass der eine Zweig Ihrer Familie böhmische Adelige waren, die sich im 19. Jahrhundert sehr engagiert hatten?

"Das wissen die wenigsten. Es gibt einige, die es wissen und ein paar, denen ich es erzählt habe. Wobei ich eigentlich sehr froh bin, dass wir alle hier unsere Wurzeln haben, und dass der Name tschechisch ist. Ich kann sagen: Ich bin ein germanisierter Tscheche und will zu euch zurück. Ich habe da überhaupt keine Schwierigkeiten und bin froh, dass es so läuft."

Foto: Autorin

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