Perle der Renaissance in Ostböhmen

Schloss Litomyšl (Foto: Martina Schneibergová)
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Das Schloss in der ostböhmischen Stadt Litomyšl / Leitomischl gilt als eine der schönsten Renaissanceresidenzen in Mitteleuropa. Der Oberstkanzler von Böhmen Vratislav von Pernstein ließ es im 16. Jahrhundert für seine Gattin erbauen. 1999 wurde das Schloss von der Unesco in die Liste des Weltkulturerbes eingetragen.

Schloss Litomyšl  (Foto: Martina Schneibergová)

Zdeňka Kalová  (Foto: Martina Schneibergová)
Schloss Litomyšl ist am einfachsten mit dem Bus zu erreichen, dieser hält nur etwa 100 Meter vom Schlosseingang entfernt. Die Fassade ist mit unterschiedlichen Renaissancegiebeln geschmückt. Ein dreigeschossiger Arkadengang umgibt den Innenhof. Die älteste Erwähnung von Litomyšl ist allerdings bedeutend älter als das Schloss selbst. Sie stammt aus dem Jahr 981. Und Cosmas von Prag hat sie Anfang des 12. Jahrhunderts in seine Chronica Boemorum aufgenommen. Zdeňka Kalová ist Kastellanin des Schlosses:

„Erwähnt wird eine Burgstätte, die auf dem alten Trstenice-Handelsweg lag. Das war damals der wichtigste Handelsweg nach Osten. Die älteste Geschichte von Litomyšl ist mit der katholischen Kirche verbunden. Karl IV. gründete 1344 in der Stadt ein neues Bistum. Es war nach Prag das zweite Bistum in Böhmen. Als wichtige katholische Stadt wurde Litomyšl zweimal zum Ziel von Angriffen der Hussiten. 1425 plünderten die Hussiten dann die Stadt. Nach den Hussitenkriegen gehörte die Herrschaft nicht mehr der Kirche, sondern einer Adelsfamilie, und zwar den Kostka von Postupice. Diese nahmen jedoch Mitte des 16. Jahrhunderts am Aufstand gegen den Kaiser teil. Aus diesem Grund wurde ihr Eigentum konfisziert.“

Ein Schloss für die spanische Hofdame

Foto: Martina Schneibergová
Die Herrschaft wurde an eine weitere Adelsfamilie verpfändet: Die Pernsteins bekleideten hohe Posten am Hof in Wien und führten ein kostspieliges Leben. Vratislav von Pernstein legte am 18. März 1568 den Grundstein für das Schloss. Das Datum war von den Astrologen empfohlen worden. Vratislav von Pernstein war Oberstkanzler Böhmens und zudem ein guter Freund von Kaiser Maximilian II. Die Kastellanin.

„Pernstein hatte seine spätere Frau Maria Manrique de Lara am spanischen Königshof kennengelernt. Sie war Hofdame von Maria von Spanien, der Frau von Maximilian II. Den Erzählungen nach gefielen Vratislavs spanischer Gattin die alten Burgen der Familie Pernstein nicht. Deswegen habe sie ihren Mann dazu gebracht, eine Residenz im Stil der Renaissance bauen zu lassen. Als Vorbild diente die spanische und italienische Architektur der Zeit. Vratislav konnte das Schloss aber nicht lange genießen. Er starb 1582, ein Jahr nachdem es fertiggestellt war.“

Schloss Litomyšl  (Foto: Martina Schneibergová)
Vratislavs Enkelsohn Vratislav Eusebius starb 1631 während der Kämpfe im Dreißigjährigen Krieg. Mit ihm erlosch das Geschlecht Pernstein im Mannesstamm. Danach erbte seine Schwester Frebonia die Stadt. Sie habe sich um Litomyšl segr verdient gemacht, erzählt die Kastellanin:

„Frebonia zog nach Litomyšl um, gründete hier ein Piaristenkloster und ein Studentenkolleg. Kurze Zeit gehörte das Schloss den Lobkowicz. Diese verkauften es an die Adelsfamilie Trauttmansdorff. Diese besaß die Residenz bis 1753. Franz Wenzel von Trauttmansdorff ließ die Renaissanceräume im Barockstil umbauen. Sein Schwiegersohn und sein Enkelsohn wiederum waren verantwortlich dafür, dass das Interieur im klassizistischen Stil umgestaltet wurde. Und so sind die Innenräume bis heute geblieben.“

Aus dieser Zeit stammt auch das Theater, das Georg Josef Waldstein-Wartenberg einrichten ließ. Es gehört zu den ältesten erhaltenen Theatern in Mitteleuropa. Besonders wertvoll sind die Originalbühnenbilder und Dekorationen von Joseph Platzer.

Im Stil von Louis XVI.

Schlosstheater  (Foto: Martina Schneibergová)
Aus dem Schlosstheater, das sich im Erdgeschoss des Westflügels befindet, geht es über die Reitertreppe in den Arkadengang. Von dort aus bietet sich ein schöner Blick auf den Innenhof. Vom Arkadengang führt der Rundgang weiter in die Prunkräume im Westflügel. Der Audienzsaal sei bei Konzerten, Bällen und Empfängen genutzt worden, erzählt Zdeňka Kalová:

„Die großen Säle im Schloss wurden für ihre einzigartige künstlerische Gestaltung bekannt. Sie sind nach französischen Vorbildern im Stil von Louis XVI. ausgemalt. Als in Frankreich dann die Revolution ausgebrach, wurde in Österreich alles Französische verboten. In Böhmen ist eine derartige Gestaltung der Räumlichkeiten nur an zwei Orten erhalten geblieben, einer davon ist dieses Schloss. Die Familie Waldstein-Wartenberg hatte den jungen Maler Dominik Dvořák mit der Ausmalung der Repräsentationsräume beauftragt. Er studierte in Wien und kam nach Litomyšl, um sich um einen kleinen Auftrag zu bewerben. Letztlich lebte er 30 Jahre lang in der Stadt und wurde auch auf dem hiesigen Friedhof bestattet. Das Schloss wurde zu seinem lebenslangen Auftrag.“

Letzte adelige Besitzer  (Foto: Martina Schneibergová)
Familie Waldstein-Wartenberg verkaufte Schloss Litomyšl im Jahr 1855 an die Thurn und Taxis. Das waren die letzten adeligen Besitzer. Allerdings haben sie nie dort gewohnt, die Residenz war für sie nur eine Immobilien-Investition.

In den Repräsentationsräumen ist eine ganze Galerie von Porträts der Schlossbesitzer zu sehen. Sie stammen aber nicht aus Litomyšl, erzählt die Kastellanin:

„Bei den Gemälden handelt es sich um Leihgaben aus den Schlössern Hrubý Rohozec und Sychrov. Die Porträtgalerie beginnt mit einem Bild von Franz Wenzel von Trauttmansdorff. Er war Geheimrat bei Karl VI., dem Vater von Maria Theresia. Im Empiresalon sind dann Porträts der zweiten Generation der Waldsteins zu sehen. Georg Christian Waldstein-Wartenberg war der Begründer der hiesigen Schlosstheater. Er initiierte die Einrichtung des ersten Theaters im zweiten Stock des Schlosses und ließ den Theatersaal im Erdgeschoss anlegen. Den Bau eines weiteren Theaters konnte er jedoch nicht mehr zu Ende führen, dies blieb seinem Sohn Georg vorbehalten. Wir haben auch ein Porträt von Emmanuel Waldstein, dem das Schloss Duchcov gehörte und der Giacomo Casanova als Bibliothekar angestellt hatte.“

Porzellan und Pferde

Speisesaal  (Foto: Martina Schneibergová)
Der Speisesaal ist der Kastellanin zufolge der schönste Raum im westlichen Schlossflügel. Dort habe man nur bei besonders feierlichen Gelegenheiten gegessen, sagt Kalová:

„Hier können die Besucher das wertvollste Porzellan des Schlosses bewundern. Es stammt aus Meißen und aus Wien. Das Kristallglas wurde in Nový Bor hergestellt. Die Stukkaturdecke wurde vom namhaften tschechischen Bildhauer Maxmilián Kaňka gestaltet. Zudem befinden sich hier zahlreiche Gemälde mit Pferden. Sowohl der letzte Trauttmansdorff, als auch alle Waldsteins haben Pferde geliebt und gezüchtet. Sie propagierten die sogenannten Barock-Pferde, die aus der Verbindung spanischer Hengste mit hiesigen Stuten hervorgegangen sind.“

In der Residenz wird auch ein Foto der letzten Schlossbesitzer gezeigt. Das waren Albert Maria Thurn-Taxis und seine Frau Margarethe von Österreich.

Foto: Martina Schneibergová
„Das Foto stammt von 1940. Das Schloss wurde 1945 vom tschechoslowakischen Staat beschlagnahmt. Margarethe starb 1955, ihr Mann 1952. Die Nachkommen leben in Regensburg, aber auch in Kanada und in den USA.“

Im östlichen Schlossflügel befinden sich Gäste- und Privatzimmer. Auch dort gibt es schöne Stukkaturdecken, wertvolle arabische Teppiche und Biedermeier-Möbel. Die Privatzimmer im östlichen Flügel sind erst seit September 2018 für die Öffentlichkeit zugänglich. Die meisten ausländischen Besucher des Schlosses kommen aus Polen, der Slowakei und aus Österreich. Die Tatsache, dass Litomyšl auf der Unesco-Kulturerbe-Liste steht, lockt laut der Kastellanin vor allem Touristen aus Japan, Südkorea und China hierher.

Schloss Litomyšl ist vom Mai bis September täglich außer montags geöffnet. Im Oktober ist die Residenz nur am Wochenende zugänglich.

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