Wirbel um Merkel-Aussagen: alles nur Fake News?

Angela Merkel (Foto: ČTK / AP Photo/ Markus Schreiber)

Es gebe Vereinbarungen zur Rückführung von Migranten, und das auch mit Tschechien. Mit dieser Aussage hat Bundeskanzlerin Angela Merkel für Verwirrung im politischen Prag gesorgt.

Angela Merkel  (Foto: ČTK / AP Photo/ Markus Schreiber)
In Deutschland herrscht dicke Luft zwischen der CDU und der CSU, das politische Schicksal von Christsozialen-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer ist weiterhin unklar. Schuld am Koalitionsstreit ist vor allem die Migrationsfrage, die bayerische CSU will da im Gegensatz zur CDU kompromisslos sein. Ein Mosaikstein in der Krise ist die Aussage von Bundeskanzlerin Merkel, dass 14 EU-Staaten, darunter Tschechien, einem Rückführungsabkommen für in den Ländern registrierte Flüchtlinge zugestimmt zu haben. Dies hatte die CDU-Chefin in einem Brief an die Koalitionspartner in Berlin geschrieben, wie die Presseagentur DPA am Wochenende meldete. In Prag – und später in Warschau, Budapest und Bratislava – hört man laut der dortigen Spitzenpolitiker zum ersten Mal von der Vereinbarung. So meinte Tschechiens Premier Andrej Babiš:

Andrej Babiš  (Foto: ČTK / Jakub Dospiva)
„Das ist Unsinn, ich habe das schon dementiert, ich begreife das nicht. Bisher dachte ich, wir haben hier nur russische Fake News, anscheinend gibt es auch deutsche. Das Ganze ist eine Lüge, ich habe nicht mit Kanzlerin Merkel verhandelt, denn da gibt es nichts zu verhandeln. Wir würden so ein Papier nicht unterschreiben, auch wenn sich die Kanzlerin damit an uns wendet. Aber das hat sie sowieso nicht gemacht. Das alles ist Unsinn.“

Durch die Dementi aus den Visegrád-Staaten sah sich die CSU in ihrer Haltung bestätigt. Damit sei eine Umsetzung der Beschlüsse vom EU-Gipfel vergangene Woche unwahrscheinlich, meinte unter andrem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber der Bild am Sonntag. Am Sonntag ruderte schließlich Merkel selbst zurück, konkrete Vereinbarungen habe es nicht gegeben, lediglich Absichtserklärungen.

In Tschechien schaut man insgesamt ratlos nach Berlin in den vergangenen Tagen. Was die Migration angeht, wundert man sich, dass es nach den Beschlüssen vom EU-Gipfel überhaupt Bedarf gibt an neuen Abmachungen. Aleš Chmelář ist tschechischer Regierungsbeauftragte für die Europäische Union:

Aleš Chmelař  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Wir sprechen mit der deutschen Seite, wir haben so unser Bedauern über die Aussagen Merkels deutlich gemacht. Wir brauchen keine neuen Absprachen, da wir schon gut zusammenarbeiten. Man muss diese Kooperation nicht an neue Migrationswellen binden, die es in Tschechien ohnehin nicht gibt. Die bisherigen Regeln decken die Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Deutschland bereits ab.“

Doch es gibt in Tschechien auch Kritik an der Haltung Prags. So unter anderem vom Politologen Lukáš Macek, der derzeit in Frankreich forscht und lehrt:

„Mich würde schon sehr wundern, wenn die Bundesregierung irgendetwas in die Welt posaunt, das sie sich aus den Fingern gesogen hat. Irgendeine Kommunikation muss da schon abgelaufen sein. Die deutsche Seite hat das wahrscheinlich als Zustimmung gewertet, wobei die anderen Regierungen das als Ablehnung gesehen haben. Das wäre aber nicht das erste Mal, dass sich die Interpretationen von Absprachen, die in Brüssel hinter verschlossenen Türen entstanden sind, so grundlegend unterscheiden. Dieses Problem macht die Debatten in der EU so schwer.“

Foto: Archiv Seefar
Der ehemalige EU-Beauftragte bei der Regierung, der Sozialdemokrat Tomáš Prouza, warnt sogar vor Konsequenzen, sollte sich Tschechien allzu querstellen in der Migrationsfrage:

„Alles in allem stellt sich auch bei noch so großer ‚Selbstverpflichtung‘ die Frage für Tschechien: Nehmen wir jetzt aus eigenen Stücken 100.000 bis 500.000 Flüchtlinge auf oder freiwillig eben keinen einzigen. Dann müssen wir aber auch mit den Konsequenzen leben. Da geht es dann um die Finanzen oder darum, dass Tschechien zu wichtigen Debatten nicht mehr eingeladen wird.“