Verfinsterte Demokratie: Dokumentarfilm über das tschechische Neonazi-Milieu

Litvínov, 2007 (Foto: http://michalmaly.blog.idnes.cz)

Die Aufmärsche von Neonazis sahen an den verschiedenen Orten Tschechiens in den letzten Jahren sehr ähnlich aus. Die skandierten Losungen waren nationalistisch, rassistisch und antisemitisch. Ein neuer Dokumentarfilm gibt einen tiefen Blick in das tschechische Neonazi-Milieu. Zusammenhänge sehen die Filmemacher auch zwischen dem Neonazismus und dem islamischen Extremismus.

Regisseur Oliver Malina-Morgenstern hatte sich in ein Projekt gestürzt, das Ausdauer verlangte. Vier Jahre lang sammelte er Material und dokumentierte das Verhalten der Neonazis während ihrer Aufmärsche und Kundgebungen. Malina-Morgenstern drehte bei den Märschen in Ústí nad Labem / Aussig, Prag, Krupka sowie in Litvínov. Die Marschierenden seien eigentlich keine Neonazis, sondern schlicht Nazis, meint der Regisseur:

"Es sind Leute, die sich zur NSDAP-Rhetorik aus der Vorkriegszeit bekennen. Es ist aber nicht richtig, sie als rechtsextremistisch zu bezeichnen. Denn die Symbole, die sie im Wappen haben - zum Beispiel eine starke Hand oder ein Hammer – kommen aus dem internationalen Sozialismus. Diese Extremisten sind weder rechts, noch links orientiert. Sie rufen nach einem Totalitarismus, der bei uns während der Nazi-Okkupation sowie später während des Kommunismus herrschte.“

Die Idee zu dem 80-minütigen Film bekam der Regisseur von Oldřich Stránský, der den „Verband der befreiten politischen Gefangenen“ leitet. Der 88-jährige beteiligte sich am Drehbuch des Dokumentarfilms und trat auch darin auf:

„Ich erinnere mich daran, wie schleichend sich einst der Nationalsozialismus durchgesetzt hatte. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, was das schließlich für uns bedeutete. Ich habe in den KZs meine ganze Familie verloren. Als ich von Märschen oder Konzerten der Neonazis hörte, bekam ich Angst, dass eine neue Diktatur auf uns zukommen könnte. Aus dem Grund habe ich Oliver bei seinen Dreharbeiten unterstützt.“

Oldřich Stránský
Die Stärke des Dokumentarfilms besteht auch in den Kommentaren eines Politologen, der sich mit dem Extremismus befasst. Seiner Ansicht nach gibt es Zusammenhänge zwischen dem Verhalten der Neonazis und ihrer offenen Sympathie für die Terrororganisationen der Islamisten. Der Regisseur:

„Wie nahe die Neonazis mit ihrem Judenhass den islamischen Extremisten stehen, darauf hat mich Oldřich Stránský aufmerksam gemacht. Ich habe selbst schon in Afghanistan, Pakistan, aber natürlich auch in Israel gedreht. Der Judenhass verbindet die Neonazis mit den islamischen Extremisten. Sie haben denselben Feind. Wir haben diesen Film ´Verfinsterte Demokratie´ genannt. Damit deuten wir hin auf das Dunkle in den Köpfen der Extremisten. Im Film zeigen wir nur Fakten und nochmals Fakten.“

Oliver Malina-Morgenstern will den Film mit einer anschließenden Diskussion an tschechischen Schulen vorstellen. Zurzeit entsteht eine englische Fassung von „Verfinsterte Demokratie“ (Zatemněná demokracie).