Verfassungsgericht untersagt öffentlichen Arbeitsdienst für Arbeitslose

Foto: Kristýna Maková

Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2010 glaubte man in Tschechien, dass nun mit starker Hand regiert werde. Denn das Kabinett von Premier Petr Nečas konnte sich damals im Parlament auf eine satte Mehrheit von Abgeordneten aus seiner Koalition stützen. Die Opposition, bestehend aus Sozialdemokraten und Kommunisten, trat anfangs dann auch relativ zögerlich auf. Im Vorjahr aber sahen die Sozialdemokraten eine Chance, der Koalition ein Bein zu stellen. Sie attackierten die Art und Weise, wie diese gleich 14 Reformgesetze im Parlament durchpeitschte – ohne der Opposition die Möglichkeit zu geben, ihre Änderungsvorschläge einzubringen. Daraufhin legten sie beim Verfassungsgericht in Brno / Brünn Beschwerde ein. Am Dienstag fällte das Gericht nun sein Urteil.

Foto: Kristýna Maková
Nach Meinung der Sozialdemokraten (ČSSD) habe die Regierung ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus dazu missbraucht, die Reformgesetze quasi im Alleingang durchgesetzt zu haben. Der daraufhin von ihnen eingereichten Beschwerde hat das Verfassungsgericht jedoch nur zum Teil entsprochen. Im Paket der umstrittenen Gesetze, die vor einem Jahr verabschiedet wurden, hat es den öffentlichen Arbeitsdienst für Arbeitslose gestrichen. Dazu erklärte der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Pavel Rychetský:

„Es geht darum, dass mit diesem Dienst das Recht auf die Menschenwürde gefährdet wird. Der öffentliche Arbeitsdienst für Arbeitslose wird nämlich so durchgeführt, dass die betreffende Person bei der Arbeit eine Weste zu tragen hat und beaufsichtigt wird. Auf die gleiche Weise wird aber auch die Strafarbeit von Gefangenen vollzogen.“

Pavel Varvařovský  (Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Auch aus diesem Grund haben nicht wenige Arbeitslose den öffentlichen Arbeitsdienst verweigert. Das hatte allerdings die Konsequenz, dass sie aus der Arbeitslosenkartei gestrichen wurden und ihren Anspruch auf finanzielle Unterstützung verloren. Diese Praxis haben die Verfassungsrichter nun den Arbeitsämtern untersagt. Eine Änderung, die auch Ombudsmann Pavel Varvařovský begrüßt. Er rät zu einer Renaissance:

„Ich kann mir vorstellen, dass man wieder zur vorherigen Regelung zurückkehrt. Da haben Leute, die am Existenzminimum lebten, sich mit dem öffentlichen Arbeitsdienst noch etwas hinzuverdienen können. Dadurch waren sie auch aus eigenem Willen an einer solchen Arbeit interessiert.“

Jeroným Tejc  (Foto: Archiv der ČSSD)
Die Hoffnung der Sozialdemokraten, aufgrund ihrer Verfassungsbeschwerde alle 14 Reformgesetze rückgängig machen zu können, hat sich indes nicht erfüllt. Dennoch wertete ČSSD-Fraktionschef Jeroným Tejc die nun vom Verfassungsgericht verlangten Korrekturen als Erfolg:

„Ich muss sagen, dass mit diesen Urteil der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Jaromír Drábek zum Negativ-Rekordhalter geworden ist. Denn dass in einem Reformgesetz die von der Verfassung geschützten Grundrechte und Freiheiten gleich neunmal verletzt werden, hat es noch nicht gegeben.“



Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Die Regierung wiederum nahm den Urteilsspruch nüchtern und gefasst auf. Sie fühlt sich einerseits in ihrem Kurs bestätigt, denn die Reformgesetze als solche bleiben bestehen. Andererseits muss sie nun vor allem im Sozialbereich nachbessern. Premier Petr Nečas:

„Auch wenn ich nicht mit allem einverstanden sein muss, was entschieden wurde, respektiere ich das Urteil. Wir müssen jetzt sehr sorgfältig die Begründung des Gerichts studieren, um daraus konkrete Schlüsse bei der Korrektur dieser Gesetze ziehen zu können.“