Tausende fordern erneut Rücktritt von Babiš

Foto: Martina Schneibergová

In Prag sind am Dienstagabend wieder mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen, um den Rücktritt von Premier Andrej Babiš zu fordern.

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„Rücktritt“ haben die Teilnehmer der Protestkundgebung am Dienstag immer wieder gerufen. Eigentlich wollte die Initiative „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ nach den Großdemonstrationen vom Sommer und Herbst bis Jahresende keine Proteste mehr organisieren. Neue Erkenntnisse rund um die Skandale von Premier Andrej Babiš brachten seit vergangener Woche dennoch wieder mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Dabei geht es um die Wiederaufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Ano-Politiker wegen der Causa Storchennest und einen EU-Audit zum Interessenskonflikt rund um den Konzern Agrofert. Vorige Woche haben sich rund 70.000 Menschen vom Prager Wenzelsplatz durch das Stadtzentrum zum Prager Hauptbahnhof begeben, wo sie Flugblätter an die Passanten verteilten. Auch diesmal begann die Demonstration am Wenzelsdenkmal. Mikuláš Minář von der Initiative „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ begrüßte die Teilnehmer:

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„Wir sind aus den folgenden Gründen hier zusammengekommen: Erstens, dass wir uns gegenseitig einen schönen Advent wünschen wollen. Es ist fantastisch, dass bei dem kalten Wetter eine Woche vor Weihnachten noch so viele gekommen sind, um die Demokratie zu unterstützen. Der zweite Grund ist, dass wir den Verfall der politischen Kultur in unserem Land nicht dulden wollen. Es darf nicht zur Norm werden, Gesetze zu umgehen, im Interessenskonflikt zu sein und öffentlich zu lügen.“

Vom Wenzelsplatz begaben sich die Demonstranten durch das Stadtzentrum am Regierungsamt vorbei zum Klárov-Park. Dem Umzug schlossen sich inzwischen weitere Menschen an, die Zahl der Teilnehmer wurde auf mehr als 15.000 geschätzt. Die Organisatoren der Demonstration entschieden sich zum ersten Mal, Vertreter der Oppositionsparteien und der Sozialdemokraten einzuladen. Sie sollten unter anderem die Frage beantworten, wie sie die Wähler der Ano-Partei ansprechen möchten. Die Sozialdemokraten sind jedoch nicht gekommen. Der Vizevorsitzende der Top-09 Tomáš Czernin ergriff als erster das Wort:

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„Was bewegt die Menschen dazu, die Ano-Partei zu wählen? Einige vielleicht die Frustration, dass sich ihre Träume nicht erfüllt haben. Andere sind von der Politik enttäuscht und haben das Gefühl, dass man nichts ändern kann. Und plötzlich taucht ein Big Boss auf, der alles für einen erledigt. Das ist auf den ersten Blick sehr verlockend.“

Nach Meinung des Chefs der Bürgermeisterpartei Stan Vít Rakušan dürfen die Politiker die Ano-Wähler nicht missachten, sondern versuchen, deren Probleme zu verstehen. Er forderte alle zur Diskussion mit den eigenen Nachbarn und zum Engagement in der Gesellschaft auf. Die bürgerdemokratische Abgeordnete Miroslava Němcová rief zur Zusammenarbeit derjenigen auf, die sich gegen Premier Babiš und Präsident Zeman stellen.

Marek Výborný  (Foto: ČTK / Michal Krumphanzl)
„Wir haben den ersten Premierminister nach 1989, der in den Akten des kommunistischen Geheimdienstes als Agent geführt wird. Es ist der erste Premier, der strafrechtlich verfolgt wird, der erste Premier, der ununterbrochen im Interessenskonflikt ist. Seine höchst umstrittener Umgang mit EU-Geldern wird von den Brüsseler Behörden und dem Europäischen Parlament untersucht.“

Die Parteichefs der Piraten und der Christdemokraten, Ivan Bartoš und Marek Výborný, sind davon überzeugt, dass man Babiš in den nächsten Wahlen schlagen kann. Dies sei aber vielleicht nur nach einer Änderung des Wahlrechts realistisch, meinen die beiden Politiker. Marek Výborný:

„Falls wir gerechte Wahlen haben wollen, müssen wir das Wahlgesetz ändern. Es geht darum, im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit dafür zu gewinnen.“

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In den Augen der Opposition begünstigt das gegenwärtige System vor allem die stimmstarken Parteien. Der Piratenchef Bartoš machte darauf aufmerksam, dass der Premier anstelle Visionen anzubieten, nur das Land mit Hilfe von Marketingkampagnen steuert. Der Premier plündert dem Piraten zufolge die Ressourcen des Landes und verteilt Geschenke aus der Staatskasse auf alle Seiten. Bartoš bezeichnete darum die Gegenwart als die dunkelste Zeit seit der Wende von 1989.

Vor der Prager Demonstrationen hat es bereits am Montag Proteste in 220 kleineren Städten Tschechiens gegeben. Für den Donnerstag wurden Kundgebungen in allen Kreisstädten einberufen.