Schlüssel gegen das Vergessen: neue Skulptur in der Prager Innenstadt

Foto: ČTK

Am Mittwoch hat sich in der Prager Innenstadt etwas verändert: Nahe des Altstädter Platzes ragt eine sieben Meter hohe Skulptur in die Höhe. Auf einem Sockel türmen sich blitzende Buchstaben. Sie formen das Wort: Revoluce – Revolution. Geht man näher heran, sieht man, dass die Buchstaben aus Tausenden kleinen Schlüsseln bestehen.

Passantin Anna Adamková ist vor der Skulptur stehen geblieben. Als Pragerin weiß sie, wofür das Kunstwerk steht. Aber gefällt es ihr auch?

Jiří David  (Foto: ČTK)
„Na ja… gefallen... dieses Symbol wurde hier aufgestellt, damit alle in dieser Stadt es sehen und sich daran erinnern. Im Jahr '89 war hier die Revolution und alle haben mit ihren Schlüsseln geklingelt. Das hier ist eine Erinnerung an diese Schlüssel.“

Ins Leben gerufen hat das Projekt die Firma Vodafone. Sie hatte ihre tschechischen Kunden gebeten, die Schlüssel zur Verfügung zu stellen, mit denen sie am 17. November 1989 auf dem Wenzelsplatz zu Hunderttausenden zum Protest geläutet hatten. Und das hatte Erfolg: 85.000 Schlüssel wurden bei den Vodafone-Filialen abgegeben. Realisiert hat die Installation der tschechische Künstler Jiří David. Bereits in der Vergangenheit hatte der 53-Jährige mit Installationen im öffentlichen Raum für Aufsehen gesorgt, wie mit dem großen Neon-Herz auf der Prager Burg oder der grell-blauen Dornenkrone über dem Rudolfinum. Auch mit dem aktuellen Kunstwerk auf dem Franz-Kafka-Platz in der Prager Altstadt will er die Passanten zum Nachdenken anregen:

Foto: ČTK
„Das Wort ‚Revolution’, das die Schlüssel bilden, hat einen permanenten Bezug zur gegenwärtigen politischen Situation. Das ist also eine permanente Revolution. Die Schrifttype des großen ‚R’ und der übrigen Buchstaben erinnert an Produkte aus der Zeit vor 1989. Der Schriftzug ist instabil; er bewegt sich und scheint in sich zusammenzufallen. Er symbolisiert damit die Revolution, die ihre eigenen Kinder frisst.“

Ist das nicht etwas paradox? Touristengruppen, die nach Prag kommen um zu shoppen und sich zu vergnügen, fotografieren sich mit dem Kunstwerk, wissen aber kaum etwas damit anzufangen. Und der Künstler, der den Konsum kritisiert, wurde selbst von einem Wirtschaftsriesen beauftragt. Jiří David kann das trennen:

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„Von Anfang an habe ich in meinem Vertrag mit Vodafone verlangt, dass mein Werk und das Wort ‚Revolution’ nicht in deren Werbekampagne verwendet wird. Wenn es dabei nur um Reklame gegangen wäre, hätte mich das nicht interessiert. Das ist ein Kunstwerk und kein Werbegag.“

Ursprünglich wurde im Internet per Facebook eine Umfrage gestartet, wo das Kunstwerk aufgebaut werden sollte. Prag – als Herz der Samtenen Revolution – bekam die meisten Stimmen. Noch einige Monate soll die Skulptur in der Hauptstadt bleiben, danach wird sie auch in anderen tschechischen Städten zu sehen sein.