Was wusste der Bundesnachrichtendienst (BND) über den „Prager Frühling 1968“ in der Tschechoslowakei? Welche Rolle spielte er bei der Reformbewegung? Und wie hat die tschechoslowakische Staatssicherheit darauf reagiert? Diese Fragen werden in einer Studie beantwortet, die in dieser Woche gemeinsam vom BND und dem tschechischen zivilen Auslandsnachrichtendienst (ÚZSI) herausgegeben wurde.
Prokop Tomek (Foto: Jana Chládková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Reformversuch in der kommunistischen Tschechoslowakei, der als
„Prager Frühling“ bekannt ist, und sein Ende durch den sowjetischen
Einmarsch im August 1968 – sie gehören zu den am meisten untersuchten
Zeiträumen der modernen tschechoslowakischen Geschichte. Trotzdem sind
auch heute noch neue Erkenntnisse möglich. So haben tschechische und
deutsche Historiker die Tätigkeit der Geheimdienste und ihre Rolle
analysiert. Ihre Publikation ist nun herausgekommen. Der Schwerpunkt liegt
auf Dokumenten aus dem Bestand des BND-Archivs. Prokop Tomek ist Historiker
am Militärhistorischen Institut in Prag. Er sagte dazu dem Tschechischen
Rundfunk:
„Die Geheimdienstler wussten in den 1960er Jahren und vor allem ab dem Frühling 1968, dass hierzulande etwas geschieht. Sie waren aber nicht imstande, die Gefahren zu beurteilen und den Zeitpunkt vorherzusagen, in dem es zur Okkupation durch die Sowjets kam. Ähnliches zeigen auch die Unterlagen der CIA, die heute online erforscht werden können. Die westlichen Nachrichtendienste waren nicht so perfekt, dass sie alles wissen konnten.“
Das Sicherheitsarchiv des ÚZSI hat zu der Studie beigetragen, indem es die Aktivitäten des BND in der Tschechoslowakei aus Prager Sicht beleuchtet, und zwar durch Analysen der kommunistischen Staatssicherheit. Prokop Tomek:
„Der BND und die Bundesrepublik Deutschland waren nach den USA der größte Feind der kommunistischen Tschechoslowakei und der kommunistischen Spionagedienste.“
Allerdings waren diese Analysen vom ideologischen Blick und von der Angst der Geheimdienstler um ihr eigenes Schicksal geprägt. Der Historiker:
August 1968 (Foto: ČT24)
„Interessant ist, dass die Staatssicherheit die Einflussnahme der
westlichen Nachrichtendienste auf die Entwicklungen während des Prager
Frühlings in der Tschechoslowakei deutlich übertrieben hat. In den
Dokumenten der kommunistischen Partei aus der Zeit nach 1968 wurden
hingegen die westlichen Spionagedienste nicht erwähnt. Der Feind oder das
Problem wurde eher innerhalb der kommunistischen Tschechoslowakei
gesucht.“
Die zweisprachige Publikation „Der Bundesnachrichtendienst und der ‚Prager Frühling‘ 1968“ ist der neunte Band der Mitteilungen der Forschungs- und Arbeitsgruppe „Geschichte des BND“.
Das Buch ist zum Lesen und zum Herunterladen online frei zugänglich, und zwar auf der Webseite des Auslandsnachrichtendienstes ÚZSI, unter http://uzsi.cz/files/spolkova-zpravodajska-sluzba-prazske-jaro-1968.pdf.