Prag, der Boris-Nemzow-Platz und Russlands Botschaft

Foto: Archiv von Jegor Litwin

Vor fast fünf Jahren wurde der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow in Moskau erschossen. Nun soll ein Platz in Prag nach ihm benannt werden. Dieser liegt ausgerechnet vor Russlands diplomatischer Vertretung.

Foto: Archiv von Jegor Litwin

Boris Nemzow  (Foto: Dhārmikatva,  CC BY-SA 3.0)
Der Prager Magistrat hat die Weichen schon gestellt. Demnächst soll der Stadtrat zustimmen, dass der Platz vor der russischen Botschaft den Namen von Boris Nemzov erhält. Oberbürgermeister Zdeněk Hřib von den Piraten dazu gegenüber Radio Prag International:

„Auch unsere Koalitionspartner unterstützen dies. Sie teilen dieselben moralischen Werte wie wir Piraten. Der Vorschlag ist zunächst von der Ortsnamen-Kommission gebilligt worden. Ich denke, am 24. Februar kann darüber dann im Rat abgestimmt werden. Das heißt, dass die feierliche Umbenennung dieses öffentlichen Ortes am 27. Februar stattfinden könnte. Das ist der fünfte Jahrestag der Ermordung von Boris Nemzow.“

Der frühere russische Vizepremier und spätere Oppositionspolitiker wurde 2015 in Moskau erschossen. Die Tat geschah auf offener Straße. Boris Nemzow hatte unter anderem Präsident Wladimir Putin scharf kritisiert und Beweise dafür gesammelt, dass Russland am Krieg in der Ostukraine beteiligt ist.

„Es ist ein Indikator für den Zustand der Demokratie im jeweiligen Land, wenn ein Oppositionspolitiker ermordet wird. Das darf es einfach nicht geben“, meint der Prager Oberbürgermeister.

Platz vor der russischen Botschaft | Foto: ŠJů,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Die Initiative zur neuen Namensgebung für den Platz vor der russischen Botschaft kommt von den Anwohnern. Bisher heißt der Ort dort „Unter den Kastanien“. Das Bürgerbegehren mit Unterschriftensammlung war schon vor vier Jahren gestartet worden. Danach nahm die Ortsnamen-Kommission aber lange Zeit eine ablehnende Haltung ein. Die Idee zur Umbenennung stammt vom Grünen-Politiker Petr Kutílek, er gehört heute der Stadtverordnetenversammlung im vierten Prager Bezirk an:

„Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Stadt Prag und Tschechien ihre Unterstützung für die demokratischen Kräfte in Russland ausdrücken. Menschen, die tapfer für die Demokratisierung autokratischer Regimes kämpfen und manchmal dafür mit ihrem Leben bezahlen, dürfen nicht vergessen werden. Ihnen sollte Respekt gezollt werden.“

Zdeněk Hřib  (Foto: Archvi des Prager Magistrats)
Muss die russische Seite dies aber nicht als weitere Provokation von tschechischer Seite betrachten? Im vergangenen Jahr gab es mit Moskau unter anderem bereits Streit um eine Statue des sowjetischen Weltkrieg-Generals Iwan Konew. Der sechste Prager Stadtbezirk will das Denkmal nämlich entfernen lassen. Doch Oberbürgermeister Hřib sieht im Falle Nemzows keine Probleme:

„Soweit ich weiß, sind die Mörder Nemzows gefasst und verurteilt worden. Ich verstehe nicht, warum jemand damit ein Problem haben sollte, wenn in Prag ein Platz nach einem bedeutenden russischen Politiker benannt wird, der wohl gerade wegen seiner Ansichten eines gewaltsamen Todes starb. Vielleicht sollte man auch daran erinnern, dass Nemzow früher russischer Vizepremier war. Warum sollte es also dagegen Widerstand geben? Im Übrigen wird auch der russische Botschafter zur feierlichen Umbenennung geladen sein.“

Petr Kutílek  (Foto: Archiv von Petr Kutílek)
Zdeněk Hřib verweist zudem darauf, dass weitere Städte bereits Plätze oder Straßen nach Nemzow benannt haben. Etwa Washington, Vilnius und Kiew. Und Initiator Kutílek meint:

„Man muss sagen, dass die russische Regierung behauptet, sie habe mit dem Mord an Nemzow nichts zu tun gehabt. Deswegen denke ich, dass sie auch nicht gegen die Initiative protestieren kann.“

Tatsächlich haben russische Richter zwei Jahre nach dem Mord an Nemzow die mutmaßlichen Täter und Verantwortlichen schuldig gesprochen. Es sind fünf Männer aus Tschetschenien, die zwischen 11 und 20 Jahre Haft erhielten. Angehörige und Freunde des ermordeten Politikers denken jedoch, dass die wahren Drahtzieher nicht aufgedeckt wurden.

Prag will außer dem Platz vor der russischen Botschaft auch eine Allee im Stromovka-Park hinter der Vertretung neu benennen. Sie soll an Anna Politkowskaja erinnern. Die russische Journalistin wurde 2006 in Moskau ermordet. Auch dieser Fall gilt als unzureichend aufgeklärt.