Neue Dokumentarserie beleuchtet tschechisch-deutsche Geschichte ab 1918

Foto: Tschechischen Fernseher

In Tschechien und der Slowakei wurde vor kurzem die Gründung des früheren gemeinsamen Staates vor 100 Jahren gefeiert. In der Tschechoslowakei lebten von 1918 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auch mehr als drei Million Bürger deutscher Sprache. Die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen im vergangenen Jahrhundert beleuchtet nun eine Dokumentarserie, die ab Dienstagabend im Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt wird.

Foto: Tschechischen Fernseher

„Česko-německé století“ – übersetzt: Tschechisch-deutsches Jahrhundert – so heißt die Dokumentarserie, die von Regisseur und Drehbuchautor Jiří Fiedor produziert wurde. Der ehemalige Dissident, Nach-Wende-Politiker und Journalist hat am Dienstagmorgen im Tschechischen Fernsehen sein neues Werk vorgestellt:

Jiří Fiedor  (Foto: Tschechischen Fernseher)
„In der Dokumentarserie versuchen wir, auf die historischen Ereignisse aufmerksam zu machen, die in der Vergangenheit entweder tabu waren oder unterschiedlich desinterpretiert wurden. Das beginnt schon mit dem Jahr 1918, als die Tschechoslowakische Republik entstand. Ihre Selbstständigkeit strebte aber ebenso die hier lebende deutsche Volksgruppe an, der 3,5 Millionen Menschen angehörten. Das ist ihr in den Friedensverhandlungen von Versailles und St. Germain jedoch nicht gelungen. Im Gegenteil, die Gebiete, in denen die Deutschen überwiegend lebten, wurden der Tschechoslowakei zugesprochen. Hier entstand folglich der erste Konflikt zwischen Tschechen und Deutschen, denn schon zu Ende des Jahres 1918 wurde die tschechoslowakische Armee in die Grenzgebiete des neuen Staates geschickt. Im Jahr 1919 kam es dort dann zu großen Streiks. Die Lage in den Grenzgebieten hat sich erst im Verlauf der 1920er Jahre beruhigt.“

Die gemeinsame tschechisch-deutsche Geschichte in den böhmischen Ländern reicht indes bis ins Mittelalter zurück. Warum man sich nur auf die letzten 100 Jahre beschränkt habe, begründete Fiedor vor allem mit einem: Die Serie solle möglichst authentisch sein und keine ausschließliche Betrachtung von Historikern. Für diese Authentizität stünden Zeitzeugen, so der Regisseur. Allerdings gibt es praktisch niemanden mehr, der noch die Gründerzeit erlebt hat. Jiří Fiedor sagt jedoch:

„Als Zeitzeugen für die erste Epoche kann man auch heutige Senioren heranziehen. Denn ihre Eltern haben die Zeit erlebt, und von ihnen haben sie Informationen aus erster Hand erhalten. Wir haben vor allem in den ehemaligen Sudetengebieten gedreht, vom Hultschiner Ländchen über Nordböhmen bis zum Böhmerwald. Und wir haben auch in Deutschland gedreht mit Zeitzeugen und lokalen Historikern. Dabei haben wir bewusst auf die Meinungen von Politikern verzichtet. Wir wollten vielmehr wissen, wie große politische Entscheidungen sich in der einfachen Bevölkerung niedergeschlagen haben.“

Zu den besonders schmerzvollen Entscheidungen gehörten der Münchner Vertrag von 1938, das sogenannte „Protektorat Böhmen und Mähren“ wie auch die Beneš-Dekrete und die Vertreibung der deutschen Volksgruppe. Ebenso hätten der Eiserne Vorhang an der tschechoslowakischen Westgrenze oder das aus Bayern sendende Radio Freies Europa eine wesentliche Rolle in den tschechisch-deutschen Beziehungen gespielt, sagt Fiedor. Umso erstaunlicher seien seine Begegnungen mit den Zeitzeugen gewesen, so der Filmemacher:

Die erste Folge der fünfteiligen Serie „Česko-německé století“ wird am Dienstag ab 22 Uhr im zweiten Programm des Tschechischen Fernsehens gesendet. Die weiteren Teile werden jeden weiteren Dienstag im Abendprogramm auf dem gleichen Kanal ausgestrahlt.

„Ich war überrascht, wie versöhnlich und barmherzig die Menschen heute über die tschechisch-deutschen Geschichte urteilen – selbst die, die direkt betroffen waren. Ich spreche von den Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder aber im Grenzgebiet gelebt haben.“

Vieles habe sich zum Positiven gewandelt, so Fiedor. Auch die einstige Forderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft nach der Rückgabe des Eigentums von Vertriebenen sei durch das Urteil eines deutschen Gerichts vor zirka einem Monat nun endgültig vom Tisch. Von daher bestätigte der Autor der Serie auch jene Aussagen, die tschechische und deutsche Politiker bei ihren Treffen immer wieder tätigen:

„Die Deutsch-Tschechische Erklärung aus dem Jahr 1997 hat viele Probleme beseitigt. Sehr gut funktioniert der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, der seit gut 20 Jahren besteht. Meiner Meinung nach sind die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen heute die besten seit wirklich langen Zeiten.“