Kampf oder Resignation? Jahrestag der Okkupation Tschechiens

Wehrmacht in Prag

Am 16. März 1939 herrschte Begräbnisstimmung von Prag bis Ostrava. Zu Grabe getragen wurde der letzte Rest der Tschechoslowakei. In Prag wurde damals das Protektorat Böhmen und Mähren ausgerufen. Am Tag davor waren die Truppen Nazi-Deutschlands in die sogenannte Rest-Tschechei einmarschiert.

Emil Hácha | Foto: Tschechischer Rundfunk
„Ich habe mich zur zwölften Stunde mit der Zustimmung der Regierung dazu entschlossen, Audienz zu erbeten bei Reichskanzler Adolf Hitler. Nach Einschätzung der Lage habe ich mich in vollstem Vertrauen dazu entschlossen, das Schicksal der tschechischen Nation und des tschechischen Staates in die Hände des Führers des deutschen Volkes zu legen.“

Mit diesen Worten des damaligen Präsidenten Emil Hacha hörte am 16. März 1939 die Tschechoslowakei endgültig auf zu existieren. Bereits ein Jahr zuvor schrumpfte sie zur sogenannten Zweiten Republik, die Sudetengebiete waren als Folge des Münchner Abkommens 1938 abgetrennt worden. Für die Tschechen sollten nun sechs schwere Jahre folgen. Sie wurden nämlich im Laufe eines Vormittags zu Bürgern des sogenannten Protektorats Böhmen und Mähren, also de facto zu einem Teil des Deutschen Reiches.

Jozef Tiso  (rechts). Foto: Narodowe Archiwum Cyfrowe,  Public Domain
Dem vorangegangen waren zwei angespannte Tage. Am 14. März spaltete sich die Slowakei ab und es entstand der faschistische Slowakische Staat unter dem katholischen Priester Jozef Tiso und der Hlinka-Garde. Doch auch im tschechischen Landesteil standen die Zeichen auf Sturm, wie sich der Schriftsteller Miloslav Moulis in einer früheren Aufnahme des Tschechischen Rundfunks erinnerte. Er war damals 18 Jahre alt:

„Ich erinnere mich noch, wie am 14. März mein Vater von der Arbeit kam. Er erzählte dann, was die Eisenbahner zu ihm gesagt hatten, die aus den Sudetengebieten kamen. In den Gemeinden um Pilsen, also Toužkov, Nýřany, Stod und weitere, wurden große Einheiten der Wehrmacht zusammengezogen, die dort etwas vorbereiteten. Vorher waren sie noch nicht da gewesen.“

Wehrmacht in Prag
Am 14. März wurde ebenso bereits geschossen, allerdings weiter östlich in der Gegend um Ostrava. Da die Armee ansonsten aber angewiesen war, stillzuhalten, stand die Wehrmacht bereits einen Tag später in Prag. Und Hitler persönlich kam auf die Burg, um die faktische Annexion Tschechiens zu besiegeln. Offiziell gemacht wurde dies schließlich am 16. März.

Dieser Tag und die Folgezeit sind den Tschechen schmerzhaft in Erinnerung. Und das nicht nur wegen der Okkupation, sondern auch wegen der Ratlosigkeit in der Bevölkerung. Denn bis heute wird diskutiert, ob man sich denn nicht hätte wehren sollen. Stanislav Kokoška ist Historiker am Institut für totalitäre Regime und weiß zu berichten, wie die Stimmung in jenen ersten Frühlingstagen war:

Auslöschung des Dorfes Lidice | Foto: ČT24
„Die tschechische Bevölkerung teilte sich damals in zwei Lager. Es gab einen demokratischen Kern, der später auch zum Widerstand wurde. Ein weit größerer Teil passte sich den Umständen aber an.“

So kam es nach der Okkupation Prags zu einigen Protesten auf dem Wenzelsplatz und in der Nationalstraße. Diese wurden von den Sicherheitskräften jedoch schnell niedergeschlagen. Insgesamt war die Angst der Tschechen vor der Reaktion der Besatzer groß, und der weitere Verlauf der Geschichte gab ihren Befürchtungen Recht. Es folgte die blutige Niederschlagung der Studentenproteste am 17. November 1939 und die Auslöschung der Dörfer Lidice und Ležáky nach dem Heydrich-Attentat 1942. Dennoch machten die zaghaften Proteste vom Frühjahr 1939 den Tschechen Mut in der Folgezeit, meint Stanislav Kokoška:

Stanislav Kokoška  (Foto: Archiv des Instituts für totalitäre Regime)
„Gleichzeitig brannte sich der Widerstand jener Tage immer tiefer in das Bewusstsein der Tschechen ein. Die Ereignisse vom März 1939 führten zu einem Aufbäumen der Bevölkerung und waren die Motivation für weiteren Widerstand.“