Günstiges Wohnen für alle? Regierung streitet um den sozialen Wohnungsbau

Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Arbeitslose, Alleinerziehende, Senioren – sie sollen vom neuen Gesetz zum sozialen Wohnungsbau profitieren. Die Regierung hat es auf Druck des sozialdemokratisch geführten Sozialministeriums nun beschlossen, aber gegen den Widerstand vor allem der Partei Ano.

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Eine erschwingliche Wohnung, und das auch für die Ärmsten der Gesellschaft. Seit der Wende von 1989 war das nicht unbedingt gewährleistet. Der Staat baute keine Wohngebäude mehr und schob die Verantwortung auf die Kommunen. Diese verscherbelten ihre eigenen Wohnbauten oft an Investoren. Vor allem sozial schwache Menschen hatten das Nachsehen: Wohnraum wurde für viele unbezahlbar. Zahlreiche Bedürftige mussten in sogenannten Unterkünften unter fragwürdigen Zuständen eine Bleibe suchen. Zudem nahm die Obdachlosigkeit zu in Tschechien.

Die Sozialdemokraten in der jetzigen Regierung wollen das ändern und haben ein neues Gesetz zur Unterstützung von sozialem Wohnen eingebracht. Federführend dabei war Sozialministerin Michaela Marksová:

„Das Gesetz soll vor allem denjenigen helfen, die derzeit in sogenannten privaten Unterkünften für sozial Schwache leben. Der Staat sollte innerhalb weniger Jahre aufhören, diese unselige Art des sozialen Wohnens über Sozialleistungen zu subventionieren. Auf eine Sozialwohnung sollen in Zukunft aber auch all diejenigen Zugriff haben, die sich die marktüblichen Mietpreise einfach nicht leisten können.“

Michaela Marksová  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Gemeint sind damit Senioren, Alleinerziehende oder Menschen, deren geringer Lohn auch von der niedrigsten Miete aufgefressen wird. Insgesamt soll weiterhin die Verantwortung für soziales Wohnen bei den Kommunen bleiben. Sollten diese aber, aus welchem Grund auch immer, bei ihrem Auftrag versagen, kann in Zukunft der staatliche Fonds für Wohnraumentwicklung einspringen. Insgesamt würde die Reform fünf Prozent der Bevölkerung einen Zugang zu günstigen staatlichen Wohnungen ermöglichen.

Bei den Koalitionspartnern der Sozialdemokraten sieht man das jedoch kritisch. So sagte der Parteichef der Christdemokraten, Pavel Bělobrádek:

„Wir sind der Meinung, dass der Gesetzesvorschlag nicht ausgereift ist. Wir werden im Abgeordnetenhaus deswegen bestimmt einige Änderungsvorschläge einbringen.“

Die schärfste Kritikerin des Vorschlags aus dem Sozialministerium ist jedoch Karla Šlechtová. Sie leitet für die zweitstärkste Koalitionspartei, die liberale Ano, das Ressort für regionale Entwicklung. Ihrer Meinung nach ist die Definition, wer als sozial bedürftig gilt, viel zu weit gefasst:

„Wir von Ano sind entschieden dafür, dass die ‚Zielgruppe‘ für Sozialwohnungen eingegrenzt werden sollte. Der Staat und der staatliche Fonds für Wohnraumentwicklung haben nicht die Mittel dazu, jetzt Wohnungen von Immobilienunternehmen aufzukaufen und diese dann über die Gemeinden an Menschen zu verteilen, die lediglich ein geringes Einkommen haben.“

Karla Šlechtová  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Ano werde deshalb, wenn der Gesetzesvorschlag der Regierung noch vor den Wahlen im Herbst ins Abgeordnetenhaus kommt, nicht dafür stimmen. Rückendeckung bekommt die Ano-Partei von der konservativen Opposition. Markéta Pekarová Adamová kümmert sich bei der Top 09 um das Soziale und äußerte gegenüber dem Tschechischen Fernsehen ihre Bedenken:

„Viele Menschen, die heute in privat vermieteten Wohnungen leben und nur eine Unterstützung in Form von Sozialleistungen brauchen, würden unter die Räder kommen. Zwar werden die Sozialleistungen mit dem Vorschlag der Regierung zusammengefasst, was an sich gut ist. Die Zahl derer, die Anspruch auf diese Unterstützung hätten, verringert sich damit aber dramatisch.“

Bei aller Kritik steht jedoch eines fest: Der Druck auf die Regierung beim sozialen Wohnungsbau ist groß. Denn den langsam steigenden Löhnen in Tschechien stehen die rasant steigenden Mieten und Immobilienpreise gegenüber.