Gescheitertes Gesetz zur Entschädigung der Opfer von 1968

August 1968, Vinohradska Straße in Prag

Die Opfer der Invasion der Warschauer-Pakt-Staaten im August 1968 in der damaligen Tschechoslowakei werden in absehbarer Zukunft nicht entschädigt. Das ist das Fazit einer Abstimmung im tschechischen Abgeordnetenhaus am Dienstag. Mehr dazu von Jitka Mladkova:

August 1968,  Vinohradska Straße in Prag
Die Gesetzesvorlage zur Entschädigung der Opfer der Besatzung des Landes nach dem 21.August 1968 vor allem durch die Truppen der Sowjetarmee ist nur bis in die zweite Lesung gelangt. Mit vereinten Kräften, sprich Stimmen, ist es den Kommunisten und Sozialdemokraten gelungen, den Vorschlag der Bürgerdemokraten (ODS) vom Tisch zu wischen. Dieser sah die finanzielle Entschädigung von Verwandten jener Bürger der Tschechischen Republik vor, die von den Okkupanten getötet wurden. Außerdem sollten auch diejenigen entschädigt werden, die während der Invasion bzw. im Zeitraum der sowjetischen Okkupation von 1968 - 1989 verletzt oder vergewaltigt wurden. Die größten Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf äußerten die Kommunisten: Das Gesetz könnte missbraucht werden, sagten sie. Aber auch die Sozialdemokraten (CSSD) nahmen das Gesetzeswerk gründlich unter die Lupe und kamen zum Schluss, das Dokument beinhalte eine ganze Reihe von Mängeln, die viele Probleme hervorrufen und möglicherweise in Gerichtsverfahren ausufern könnten. In einem Statement für die Nachrichtenagentur CTK begründete der CSSD - Abgeordnete Michal Kraus die Position der stärksten Regierungspartei unter anderem damit, dass das Gesetz die Frage des Nachweises von erlittenem Schaden nicht zufrieden stellend löse. Zuletzt sei auch nicht zu übersehen, dass dieses Gesetz auf den Staatshaushalt eine große Auswirkung hätte, sagte Kraus. Und so reagierte der stellvertretende Vorsitzende des verfassungs- und rechtspolitischen Ausschusses, der ODS-Abegordnete Jiri Pospisil, auf das Resultat der Abstimmung:

"Ich muss sagen, dass es mich sehr überrascht hat. Der Vorschlag wurde von den kommunistischen und sozialdemokratischen Abgeordneten abgelehnt. Die Gründe, die dafür angeführt wurden, hatten im Prinzip formalen Charakter. Genannt wurden z.B. eine fehlerhafte Bezeichnung, ein aus formaler Sicht nicht korrekter Name des Staates und Ähnliches. Das, glaube ich, kann nicht der wahre Grund für die Ablehnung des ganzen Gesetzes sein."

Direkt als skandalös bezeichnete die Ablehnung der Vorsitzende der ODS-Fraktion, Vlastimil Tlusty. Die ODS wollte mit ihrem nun gescheiterten Gesetzesvorschlag an ähnliche gesetzliche Vorlagen anknüpfen, die nach 1989 bereits vom Parlament gebilligt wurden. Vor vier Jahren war es z.B. das Gesetz zur finanziellen Entschädigung für jene Tschechen, die in den Jahren 1939 - 1945 als Angehörige ausländischer Streitkräfte gegen Hitler-Deutschland gekämpft haben. Gesetzlich verankert wurde vor einem Jahr auch die Entschädigung der Personen, die im Laufe der 40er und 50er Jahre aus der Tschechoslowakei in sowjetische Arbeitslager verschleppt worden waren. Nun, die Entschädigung der Opfer von 1968 findet vorläufig nicht statt. Offiziellen Quellen zufolge wurden allein zu Beginn der Okkupationszeit, also vom 21.August - 9.September, 72 Menschen getötet, 266 Menschen schwer und 436 leicht verletzt.