Einstige Spargel-Großmacht Böhmen entdeckt Edelgemüse wieder

Foto: Quadell, Creative Commons 3.0

Die Spargelsaison hat begonnen. Auch in Prag wird das Edelgemüse verkauft. Man muss aber sagen: erst nach Jahrzehnten wieder. Denn in kommunistischen Zeiten war der Spargel praktisch von den Esstischen verbannt worden, und die Nachwirkungen zeigten sich auch noch lange nach der politischen Wende. Zwischen den Kriegen aber war Böhmen sogar berühmt für seinen Spargel.

Markttag auf dem Kuba-Platz
Markttag auf dem Kuba-Platz im Prager Stadtteil Vršovice. Nasskalt ist es, und viele Bauern haben ihre Stände gar nicht erst aufgebaut. Doch der Spargel ist eingetroffen – ganz frisch aus dem Elbetal bei Mělník.

„Am Samstag war der Spargel bereits nach zwei Stunden ausverkauft. Es war wunderbares Wetter, es kamen eine Menge Leute und das Interesse war ziemlich groß“, sagt die Verkäuferin am Stand.

Doch frischer böhmischer Spargel war bis vor wenigen Jahren noch Mangelware. Eine Kundin erinnert sich:

„So frisch gab es ihn nur ganz selten. Oder wenn es ihn gab, dann meist nur in Konserven. Auch Anfang der 90er Jahre war das noch so. Erst nachdem die besseren Restaurants begannen, ihn zu importieren, haben die Menschen hierzulande wieder gelernt Spargel zu essen – und ihn erneut zu lieben. Glücklicherweise gibt es ihn jetzt das zweite Jahr wieder hier auf dem Markt.“

Die Genossen in der Tschechoslowakei hatten wohl ganze Arbeit geleistet. Der Feldzug gegen das bourgeoise Gemüse war erfolgreicher als in den meisten anderen Ostblockstaaten, auch in der DDR ließ sich frischer Spargel durchaus kaufen. Dabei ist gerade das Elbetal mit seinen sandigen Böden ideal zum Anbau von Spargel. Und historisch gesehen gehört das Gemüse auch einfach dorthin. Jiří Sedláček betreibt mit seiner Firma mehrere Bauernmärkte in Prag, unter anderem den auf dem Kuba-Platz:

Jiří Sedláček  (Foto: Ondřej Hošt)
„Deutschland und Österreich sind bekannt für ihren Spargel, auf Tschechisch chřest. Dort verkaufen ihn die Bauern auch am Straßenrand. Kaum jemand weiß aber, dass Anfang der 30er Jahre die damalige Tschechoslowakei eine Spargel-Großmacht war.“

Karel Schuster hieß ein Großbauer, der bei Mělník weite Felder weißen Spargels hatte. Er inspirierte damals die umliegenden Länder, auch dieses Gemüse anzubauen. Schuster wurde nach dem Krieg enteignet, der Spargel verschwand von den Feldern. Erst vor einigen Jahren kehrte er dorthin zurück und nachfolgend auch auf den tschechischen Markt:

„Wir haben diese Tradition de facto erneuert. Die Spargel-Plantagen hatte vor einigen Jahren eine holländische Firma gekauft. Der Besitzer glaubte, dass 90 Prozent der Produktion auf dem deutschen und holländischen Markt landen werden. Umso größer war seine Überraschung, als wir begannen, ihm jede Woche eine halbe Tonne Spargel für die Bauernmärkte abzunehmen“, so Sedláček.

Gerade ältere Tschechen kennen Spargel noch von früher. Doch bei den jüngeren Leuten war häufig Aufklärungsarbeit gefragt, wie Jiří Sedláček mit einem Schmunzeln sagt:

„Jeder zweite Verbraucher kam an den Stand und fragte: Was ist das bitteschön, wie kocht man das. Und wir haben erst einmal erklären müssen, dass dies ein berühmtes Gemüse ist mit einer langen Tradition.“

Die Marktkundin am Dienstag auf dem Kuba-Platz sagt indes, sie habe Spargel immer gekauft, auch wenn er nur schwer zu bekommen war. Und am liebsten möge sie ihn auf die einfache Art:„Im Dampf oder in Wasser gekocht und Butter drüber“, lautet ihre Empfehlung.

Autor: Till Janzer
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