Ano setzt in Straßburg auf liberale Karte

Dita Charanzová (Foto: Eva Dvořáková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Am Mittwoch haben die Liberalen im Europaparlament einen neuen Namen und ein neues Gesicht bekommen. Neben der deutschen FDP und der französischen Macron-Partei „En Marche“ ist auch die Partei Ano von Premier Babiš Teil von „Renew Europe“. Die tschechischen Abgeordneten wollen in Zukunft auch eine wichtige Rolle spielen in der Fraktion, trotz offener Differenzen mit den tonangebenden Franzosen. Dita Charanzová war Ano-Spitzenkandidatin bei der Europawahl vergangenen Monat. Exklusiv für Radio Prag hat sie über die Zukunft der liberalen Politik in Europa gesprochen.

Dacian Cioloș  (Foto: Archiv der Europäischen Volkspartei,  Flickr,  CC BY 2.0)
Als eine gute Nachricht bezeichnet Dita Charanzová die Wahl des rumänischen Ex-Premiers Dacian Cioloș zum Vorsitzenden der liberalen Renew-Europe-Fraktion im Europaparlament. Er sei proeuropäisch und komme aus einem der neuen EU-Länder, so die Ano-Politikerin gegenüber Radio Prag. Cioloș könnte deshalb für die Zusammenarbeit der vielen verschiedenen Parteien in der Fraktion eine gute Wahl sein. Charanzová deutet gleichzeitig an, dass die Partei Ano eine aktive Rolle in der Umsetzung liberaler Politik in der neuen Fraktion spielen will:

„Die Partei Ano ist Teil der bisherigen liberalen Gruppierung Alde, die einer der Pfeiler von Renew Europe ist. Wir standen an der Wiege der Fraktion und haben an der Charta und den Strukturen des Bündnisses mitgearbeitet. Ich selbst wurde zur Chefunterhändlerin für Binnenmarkt-Fragen bestimmt bei den Koalitionsgesprächen mit den anderen Fraktionen im Europaparlament.“

Auf eine weitere Führungsposition in der Fraktion habe die Partei Ano bewusst verzichtet, erläutert Charanzová. Man wolle sich eher auf die Arbeit in den Ausschüssen des Europaparlaments konzentrieren. Deshalb warte man nun auch auf die weiteren Schritte bei der Besetzung des Kommissionspräsidenten und weiterer Spitzenpositionen.

Dita Charanzová  (Foto: Eva Dvořáková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Es ist kein Geheimnis, dass es offene Differenzen gibt zwischen Tschechiens Premier und Ano-Parteichef Andrej Babiš und dem französischen Staatschef Emmanuel Macron. Ein entscheidender Unterschied ist die EU-Vision beider Politiker. Während Babiš eine stärkere Stimme der Nationalstaaten fordert, steht sein Gegenspieler aus Paris für mehr europäische Integration ein. Gerade Macrons Partei „En Marche“ will aber bei Renew Europe den Ton angeben, und so gilt auch der neue Vorsitzende Cioloș als ein Wunschkandidat der Franzosen. Die Ano müsse daher mehr Werbung machen für ihre Positionen, räumt Charanzová ein:

„Wir haben Renew Europe mitbegründet und tun alles dafür, den Einfluss der Ano-Delegation zu stärken. Das soll Renew Europe aber auch insgesamt Antrieb geben im Europaparlament.“

Eine Frage steht dabei im Raum: Wie geschwächt ist die Verhandlungsposition der Ano durch den mutmaßlichen Interessenskonflikt von Premier Babiš wegen der EU-Fördergelder für seinen Ex-Konzern Agrofert. Laut Dita Chranzová war und ist das kein Thema auf der Bühne der Renew-Europe-Fraktion. „Darüber wurde überhaupt nicht gesprochen“, winkt die studierte Diplomatin bei der entsprechenden Frage ab.

Renew Europe ein relativ heterogener Parteienverband. In ihm sind eher bürgerlich-konservative Parteien organisiert wie die VVD des niederländischen Premiers Mark Rutte oder die Freien Wähler aus Deutschland, aber auch linksliberale Parteien wie die dänische Radikale Venstre oder die kroatische Amsterdam-Koalition. Mit dabei sind aber auch die österreichischen Neos oder die Partei Progresivné Slovensko, in der die neugewählte Präsidentin Zuzana Čaputová ihre politischen Wurzeln hat.