Ano begräbt Regierungsstreit, will aber geänderten Koaltionsvertrag

Milan Chovanec (Foto: ČTK)

Am Streit über die bevorstehende Reorganisation der Polizei schien sie sich zu entzünden, die erste echte Krise in der Dreierkoalition von Sozialdemokraten (ČSSD), Christdemokraten (KDU-ČSL) und der Ano-Partei. Nach der Absegnung der Polizeireform durch Innenminister Chovanec (ČSSD) lenkte Ano indes ein. Die Partei will nun aber eine neue Form des Koalitionsvertrags. Ist das Bündnis nun leck geschlagen, oder ist alles nur ein Sturm im Wasserglas?

Milan Chovanec  (Foto: ČTK)
Die Vereinigung von mehreren Spezialeinheiten der Polizei unter dem Dach einer Zentralstelle zum Kampf gegen das organisierte Verbrechen sei unausgegoren. Sie destabilisiere die Polizeiarbeit. Sollte Innenminister Chovanec diese Maßnahme unterschreiben, erwäge man, die Regierungskoalition aufzukündigen. Mit diesen Worten wagte Ano- Parteichef Andrej Babiš vor ein paar Tagen erstmals die offene Konfrontation mit den Koalitionspartnern. Das Resultat sieht jedoch anders aus: Chovanec blieb konsequent, bewilligte die Reform – und die Ano-Partei machte ihre Drohung nicht wahr. Bei einer dreistündigen Unterredung der Koalitionsspitzen habe man sich noch einmal die Meinung gesagt, am Ende aber sei man sich einig gewesen, man wolle die Koalition fortsetzen. Deshalb sei das Einlenken seiner Partei auch keine Niederlage, erklärt Umweltminister und Ano-Politiker Richard Brabec:

Richard Brabec  (Foto: ČTK)
„Wenn jemand in dieser Sache verloren hat, dann sind es leider die Menschen, die eine Bekämpfung der Korruption wollten. Sie haben verloren, und wenn wir mit ihnen verloren haben sollten, dann war es eine ehrenvolle Niederlage.“

Völlig klein beigeben aber will die Ano-Partei indes nicht. Bei der Polizeireform berief sie sich auf einen Passus im Koalitionsvertrag, demnach in strittigen Fragen immer ein „Einigungsverfahren“ angestrengt werden müsse. Laut der Ano-Partei ist das eine schwammige Formulierung, von der niemand wisse, wie sie anzuwenden sei. Deshalb will man nun Klarheit schaffen und den Vertrag entsprechend ändern. Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten):

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČT24)
„Einige Formulierungen sind unklar, es gibt dazu verschiedene Deutungen. Deshalb sehe ich kein Problem darin, dass wir uns zusammensetzen und erörtern, was wir in den verbleibenden anderthalb Jahren noch anpacken wollen.“

Die Debatte darüber, wie die Regierungsparteien den Rest ihrer Legislaturperiode ausfüllen wollen, und ob man dazu den Koalitionsvertrag ändern müsse, wird erst am kommenden Mittwoch geführt, wenn der Regierungschef von seiner China-Reise zurück ist. Die Ano-Partei will dieses Treffen aber auch zum Anlass nehmen, um die Partner erneut zu fordern. Richard Brabec:

Foto: Miroslav Zimmer,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Wir ziehen uns nur dann aus der Regierung zurück, wenn sich bei dieser Debatte zeigen sollte, dass die anderen Koalitionspartner kein Interesse an einem grundsätzlichen Neustart in den gemeinsamen Beziehungen haben. Wir haben noch anderthalb Jahre vor uns und müssen viele Aufgaben bewältigen.“

Und um zu verdeutlichen, wie diese Zusammenarbeit aussehen könnte, hat die Ano-Partei vor den Verhandlungen bereits eine neue Drohkulisse aufgebaut. Man erwäge die Kündigung des Koalitionsvertrages, falls bei den Verhandlungen zum Staatshaushalt 2017 ein größeres Defizit als 60 Milliarden Kronen vereinbart werden sollte, tönte Finanzminister Babiš. Vizepremier und Christdemokraten-Chef Pavel Bělobrádek schüttelte darüber nur den Kopf. So wie er denkt auch der Politologe Kamil Švec:

Kamil Švec  (Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag)
„Solange es zwischen den Koalitionspartnern keinen primären Konsens darüber gibt, wie die Zusammenarbeit zu funktionieren hat, beziehungsweise sie sich gegenseitig keinen Respekt zollen, bewahrt sie auch kein Dokument vor erneutem Streit.“

Oppositionsparteien wie Top 09 oder die Kommunisten glauben übrigens nicht daran, dass die Koalition vorzeitig zerbricht. Dazu sei das Mitregieren für Konzernchef Babiš und seine Partei viel zu vorteilhaft, orakelte der Top-09-Parteivorsitzende Miroslav Kalousek.