Vor zweieinhalb Jahren stießen Reporter einer tschechischen Tageszeitung auf einen ungewöhnlichen Fund. Über 5000 kleine Pappsärge lagerten in einer verlassenen Industriehalle im nordböhmischen Usti nad labem. Es waren die Überreste deutscher Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg auf tschechischem Boden starben. Der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte sie zumeist schon in den 90er Jahren exhumiert, um ihnen auf einem Soldatenfriedhof die letzte Ruhe zu geben. Drei Jahre wurden die sterblichen Überreste zwischengelagert, weil man in Tschechien keinen geeigneten Ort fand, um sie beizusetzen. Am Mittwoch fand die Odyssee in der Grenzstadt Cheb / Eger ihr Ende. Die Beisetzung auf dem städtischen Friedhof hat begonnen.
Er liegt an einer Ausfallstraße, der städtische Friedhof von Cheb.
Wolfgang Dietrich trägt Arbeitskleidung, eine warme Weste und eine
Militärhose, auf der man den Dreck nicht sieht. Er ist Angestellter der
Deutschen Kriegsgräberfürsorge und kümmert sich um die Ausbaggerung der
Gräber und die Beisetzung. Dietrich erklärt, wie die deutschen Soldaten
aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem neuen Friedhof bestattet werden.
„Eine Reihe lang hoch, eine Reihe lang runter. Die Toten sind nummeriert, dass man sie auch wiederfinden kann. Ein Beispiel: Reihe eins Grab zehn. Oder nehmen wir die sechs. Das ist dann die Nummer sechs bis 57. Das war ein Kameradengrab. Und hier sehen Sie Einzeltote. Da kann man eindeutig nachvollziehen auf den Zentimeter genau, wo ist das Grab meines Angehörigen.“
Die Journalisten stehen zwischen kleinen aufgetürmten grauen Pappsärgen. Wie Kindersärge sehen sie aus. Die Überreste von fast 5000 Soldaten werden heute und in den kommenden drei Wochen in Cheb beerdigt. Sie sind alle gegen Ende des Zweiten Weltkrieges auf tschechischem Boden gefallen. Die Deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte Anfang der 90er Jahre begonnen, die sterblichen Überreste der Soldaten an verschiedenen Orten in der Tschechischen Republik zu exhumieren, um sie würdig zu bestatten. Das ging einige Zeit lang gut, denn es war die tschechische Regierung, welche die Errichtung eines Soldatenfriedhofs anordnen konnte. Aber dann kamen die Probleme, die dazu führten, dass die Särge mehrere Jahre zwischengelagert werden mussten, wie Reinhard Führer, der Präsident des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge, berichtet:
„Dann ist die Zuständigkeit auf die örtlichen Behörden
übergegangen,
so dass die Regierung nicht mehr einfach anordnen konnte, wo ein
Soldatenfriedhof entstehen soll. Dies führte dazu, dass die Diskussionen
nun auch in der Bevölkerung stattfinden, was unter anderem auch sehr
positiv ist, denn man setzt sich somit mit dem Thema auseinander.
Allerdings kam es auch zu langwierigen Prozessen. Ich glaube in
Deutschland
wäre es ähnlich, wenn es um ein Thema geht, das eventuell
Unannehmlichkeiten mit sich bringt, das lässt man dann gerne mal die
anderen machen.“
So ist das auch in Cheb gewesen. Auch hier stieß die Errichtung eines
Friedhofs für deutsche Soldaten auf Widerstand. In der Bevölkerung,
unter
noch lebenden Zeitzeugen und bei einigen Stadträten. Die kommunistische
Partei wiederum befürchtete, dass der Friedhof zum Aufmarschplatz von
Neonazis werden könnte. Bürgermeister Jan Svoboda konnte jedoch eine
Einigung erzielen, ist sich aber bewusst, dass das Eisen immer noch heiß
ist.
„Ich bin auf meine eigene Weise froh, dass wir die deutschen Soldaten bestatten können, damit sie nach 63 Jahren endlich ihren Frieden finden. Ich bin mir aber bewusst, dass diese Bestattung deutscher Soldaten eine sehr sensible Angelegenheit ist für alle, welche die Zeiten damals noch erlebt haben. Nicht jeder kann sich damit abfinden. Diese Menschen möchte ich bitten, tolerant zu sein, damit wir den gefallenen Soldaten ihre letzte Ruhe geben können.“
1,7 Millionen Euro kostet der Umbau des Friedhofes und die Bestattung der
Soldaten, finanziert durch die Kriegsgräberfürsorge und die
Bundesregierung. Bevor dann am Mittwoch die ersten knapp 500 Soldaten auf
dem Gelände des städtischen Friedhofs in die Erde gebettet wurden,
sprach
noch Tomáš Kosta. Er ist Berater des tschechischen Außenministeriums,
das
ebenso bei der Einigung vermittelt hat. Tomáš Kosta hat die Nazizeit und
den Zweiten Weltkrieg selbst schmerzlich durchlebt, besser gesagt
überlebt:
Tomáš Kosta„Die sterblichen Überreste der Soldaten gehören zu meiner
Generation.
Wir haben unweit von hier das Ende des Krieges gemeinsam erlebt. Ich als
Gefangener in einem Konzentrationslager; sie als junge, oft verwundete
Menschen, die dann für eine Sache starben, die grauenhaft war. Mein Motto
ist: Wir müssen vergeben, aber wir dürfen nicht vergessen.
Und wenn ich hier so stehe, dann wird mir noch mal bewusst, dass ein Teil meiner Familie, meiner Freunde in Auschwitz geblieben ist. Ihre Asche wurde über die Felder verstreut und sie hatten nicht das letzte Glück unter die Erde zu kommen und dort zur Ruhe zu kommen.“
Und dann sprach Tomáš Kosta auf Deutsch weiter:
„Ich wünsche den Männern in den Särgen, dass sie ewige Ruhe auf diesem Friedhof finden. Sie sind auf einem tschechischen Gebiet, das auch so bleibt. Und dass die Freundschaft der jungen Generationen alles vergessen lässt, was zwischen uns war.“
Fotos: Autor