Tschechiens Asse im Speerwerfen sind heiße Anwärter auf WM-Medaillen

Olympiastadion London (Foto: David Jones, CC BY 2.0)

An diesem Freitag steigt einer der Höhepunkte dieses Sportjahres: die Weltmeisterschaft in der Leichtathletik. Am Start ist erneut auch eine schlagkräftige Truppe aus Tschechien. Seit 24 Jahren sind die Tschechen von jeder WM mit einer Medaille heimgekommen. Wird es auch diesmal der Fall sein?

Libor Varhaník  (Foto: ČTK)
Seit 1993, also seit der Gründung der Tschechischen Republik, gab es insgesamt ein Dutzend Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Alle zwölf Titelkämpfe hat der Chef des tschechischen Leichtathletik-Verbandes (ČAS), Libor Varhaník, als Funktionär miterlebt. Der 51-Jährige weiß also nur zu gut, welchen Stellenwert dieses Championat besitzt:

„Die Weltmeisterschaft ist ein Mega-Event. In London werden 2034 Athleten aus 205 Ländern an den Start gehen. Es sind 1080 Männer und 954 Frauen.“

Libor Varhaník leitet die Geschicke der tschechischen Leichtathletik seit 2009. Im April dieses Jahres wurde er schließlich für weitere vier Jahre zum Vorsitzenden des nationalen Verbandes gewählt. In dieser Funktion, aber auch schon früher, hat er mehrere Höhen und Tiefen durchlebt. Insgesamt aber zeichnet sich die hiesige Leichtathletik durch eine gewisse Kontinuität aus. In der laufenden Saison scheint für Libor Varhaník aber ein Knoten geplatzt zu sein. Denn seiner Meinung nach könnten die tschechischen Athleten künftig noch weiter vorn in der Weltelite mitmischen:

Libor Varhaník: „Ich bin sehr erfreut darüber, dass wir in dieser Saison bereits 16 neue Landesrekorde registrieren konnten. Besonders froh bin ich aber, dass dabei auch einige Uraltrekorde gelöscht wurden.“

„Ich bin sehr erfreut darüber, dass wir in dieser Saison bereits 16 neue Landesrekorde registrieren konnten. Besonders froh bin ich aber, dass dabei auch einige Uraltrekorde gelöscht wurden, wie zum Beispiel durch Radek Juška der Rekord im Weitsprung aus dem Jahr 1988 und durch Tomáš Staněk der Rekord im Kugelstoßen aus dem Jahr 1987. Und auch der neue Schülerrekord von Tomáš Kratochvíl im Weitsprung, der die alte Bestmarke aus dem Jahr 1942 getilgt hat, spricht dafür, dass die diesjährige Saison für die tschechische Leichtathletik bislang außergewöhnlich ist.“

Bei den zwölf Weltmeisterschaften seit 1993 haben die tschechischen Leichtathleten insgesamt 22 Medaillen geholt, davon 13 goldene. Eine stattliche Bilanz, die man in London aber durchaus ausbauen könne, glaubt Cheftrainer Tomáš Dvořák. Dafür sollen die 27 Athleten – 12 Männer und 15 Frauen – sorgen, die für Tschechien an den Start gehen. Und einige von ihnen mit berechtigten Medaillenambitionen, so Dvořák:

Tomáš Dvořák  (Foto: ČTK)
„Den vorliegenden Anmeldungen nach treten wir mit vier Athletinnen und Athleten an, die in der aktuellen Weltjahresbestenliste in den Top Acht stehen. Dies sind Speerwerferin Barbora Špotáková als Zweitplatzierte, Kugelstoßer Tomáš Staněk auf Rang vier, sowie Speerwerfer Jakub Vadlejch und Hürdenläuferin Zuzana Hejnová als jeweils Sechstplatzierte. Weitere acht Athleten sind in den Top 16.“

Die Disziplin, in der sich Tschechien seit Jahren die größten Chancen ausrechnet, ist das Speerwerfen. Das ist schon etwas ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass gerade das Speerwerfen der Männer jahrzehntelang als eine Domäne der Finnen galt. Und bei den Speerwerferinnen machten bislang am häufigsten die Athletinnen aus Deutschland von sich reden. In beiden Disziplinen aber werden die aktuellen Weltrekorde von Vertretern aus Tschechien gehalten: Bei den Männern gehört dem legendären Jan Železný seit 1996 die Bestweite mit 98,78 Meter, bei den Frauen ist es Barbora Špotáková. Sie hat die Rekordweite von 72,28 Meter 2008 in Stuttgart erzielt. Und die 36-Jährige zählt auch in London wieder zu den Favoritinnen, zumal sie dort auch einen ihrer zwei Olympiasiege gefeiert hat:

Barbora Špotáková  (Foto: ČTK)
„Auf das Championat freue ich mich sehr, denn London ist ein phantastischer Austragungsort. Es werden viele Zuschauer kommen, das Stadion liegt mir, und in diesem Jahr habe ich dort meine bisherige Saisonbestleistung erzielt. Alles positive Faktoren also, von daher gibt es keinen Grund, sich nicht zu freuen.“

Die Athletin aus Jablonec nad Nisou ist zudem froh, dass sie nach ihrer verkorksten Vorsaison wieder Energie und Spaß an ihrem Sport gefunden hat. Daran hat nicht zuletzt ihr alter und neuer Coach einen großen Anteil:

„Gewiss hat mir die Rückkehr meines Trainers Rudolf Černý geholfen. Er hat mich bereits trainiert, als ich 2008 den Weltrekord geworfen habe. Sein Training von heute ist ähnlich wie damals. Das liegt mir. Jetzt bin ich froh, dass ich in diesem Jahr ganz gut in Form bin. Denn das vergangene Jahr, als ich mir im März den Fuß gebrochen hatte, war eine Saison zum Vergessen.“

Sara Kolak  (Foto: Marin Sarec,  CC BY-SA 4.0)
In dieser Saison aber bestimmt Špotáková wieder die Szenerie im Speerwurf der Frauen – gemeinsam mit der amtierenden Olympiasiegerin von Rio, der Kroatin Sara Kolak. Vor ihrer Kontrahentin hat Špotáková großen Respekt:

„Ich muss vor ihr den Hut ziehen, wie gut sie die Rolle der Olympiasiegerin angenommen hat. Und das trotz ihres noch sehr jungen Alters. Sara Kolak hat sich nicht verrückt machen lassen, sondern weiter hart an sich gearbeitet. So ist sie in diesem Jahr sogar noch besser als 2016. Sie hat einen hervorragenden Wurfstil, und wie jede Sportlerin vom Balkan ist sie sehr wettkampfhart. Sie ist eine wirklich starke Gegnerin.“

Barbora Špotáková hofft, dass Kolak und sie den WM-Titel unter sich ausmachen werden:

Barbora Špotáková: „Das wird sehr interessant, denn zwischen Kolak und mir liegt ein Altersunterschied von 14 Jahren. Der Wettkampf wird also ein Duell der Generationen. Ich hoffe doch sehr, dass es dazu kommen wird.“

„Das wird sehr interessant, denn zwischen uns liegt ein Altersunterschied von 14 Jahren. Der Wettkampf wird also ein Duell der Generationen. Ich hoffe doch sehr, dass es dazu kommen wird.“

Wie viele internationale Meisterschaften schon mehrfach gezeigt haben, gibt es nämlich nicht selten Überraschungen, weil urplötzlich ein, zwei Athleten in überragender Verfassung sind. Die will Špotáková möglichst auch haben, weil sie weiß, dass die Trauben in London besonders hoch hängen:

„Wie Tomáš Dvořák bereits sagte: Es wäre schön, wenn ich den Wettkampf in London zumindest mit einer persönlichen Saisonbestleistung abschließen würde. Damit wäre ich zufrieden, und mit diesem Anspruch reise ich auch dort an.“

Jakub Vadlejch  (Foto: ČTK)
Neben Špotáková rechnet sich aber auch Jakub Vadlejch ganz gute Chancen auf eine Medaille bei den speerwerfenden Männern aus. Und das ebenfalls deshalb, weil die WM in London stattfindet:

„Auf die WM in London freue ich mich sehr. Zum einen, weil ich gehört habe, dass dies die Weltmeisterschaft mit den meisten Zuschauern wird. Die Kulisse wird also phantastisch sein. Zum anderen habe ich an London gute Erinnerungen: Im vergangenen Jahr habe ich hier meinen ersten Sieg bei einem Meeting der Diamond League errungen. Das heißt, mein letzter Wettkampf hier war ein voller Erfolg.“

In seiner Disziplin aber bekommt es Vadlejch gleich mit einer Gruppe von starken Gegnern zu tun. Allen voran mit zwei jungen Deutschen, die gerade in dieser Saison schon mehrfach über 90 Meter geworfen haben: Olympiasieger Thomas Röhler und der neue Landesrekordhalter Johannes Vetter. Die Stärke dieser beiden habe aber auch ihn inspiriert, sagt Vadlejch:

Vítězslav Veselý  (Foto: Erik van Leeuwen,  GNU Free Documentation License)
„Da haben sich wirklich zwei Typen gefunden, die stabil über 90 Meter werfen. Meiner Meinung nach ist es auch ihre gegenseitige Rivalität, die sie antreibt, und davon profitiere auch ich. Denn bei den Wettkämpfen, bei denen wir alle drei aufeinandertreffen, geht der dritte Platz zumeist mit einer Weite von um die 87 Meter weg. Das ist ungewöhnlich gut für ein normales Meeting.“

Er sei stolz, dieser jungen aufstrebenden Generation anzugehören, ergänzt Vadlejch. Und beim Wettkampf in London, dessen Qualifikation am 10. August und das Finale am 12. August stattfinden, bekommt Vadlejch zudem noch kräftige Unterstützung aus dem eigenen Lager: Mit Petr Frydrych, Jaroslav Jílek, Vítězslav Veselý und ihm selbst hat Tschechien in dieser Disziplin gleich vier Aktive am Start.

Tomáš Dvořák: „Ich glaube fest daran, dass wir zumindest eine Medaille holen werden.“

Tomáš Staněk im Kugelstoßen der Männer, Jan Kudlička im Stabhochsprung oder Titelverteidigerin Zuzana Hejnová im 400-Meter-Hürdenlauf gehören zu den weiteren Hoffnungsträgern aus Tschechien. Auch deswegen formulierte Cheftrainer Tomáš Dvořák:

„Ich glaube fest daran, dass wir zumindest eine Medaille holen werden.“

Olympiastadion London  (Foto: David Jones,  CC BY 2.0)
Wie alle gut 2000 Leichtathleten, die in London am Start sein werden, ihre Trainer und Betreuer, ebenso wie die Funktionäre und Zuschauer, freut sich Dvořák jedoch am meisten darüber, dass es am Freitag endlich losgeht:

„Vor uns stehen zehn Tage Leichtathletik in einem hervorragenden Stadion. Ich erwarte auch eine phantastische Kulisse mit fachkundigen Zuschauern aus aller Welt. Sowohl bei den Olympischen Spielen vor fünf Jahren als auch jüngst beim Meeting der Diamond League konnten wir erleben, dass die Atmosphäre hier einmalig ist. Ich bin daher überzeugt, dass dies die Athleten zu Höchstleistungen treiben wird.“

Autor: Lothar Martin
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