Sáblíková stolz auf Supersaison mit je drei WM-Titeln und Weltrekorden

Martina Sáblíková (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)

Für die Wintersportler neigt sich die Saison dem Ende zu. In einigen Sportarten wird bereits Bilanz gezogen, darunter im Eisschnelllauf. Und hier brillierte erneut eine Tschechin, für deren Leistungen den Medien fast schon die Superlative ausgehen: Martina Sáblíková.

Martina Sáblíková  (Foto: ČTK / Michal Kamaryt)
„Diese Medaille stufe ich unglaublich hoch ein. Denn vor dieser Saison habe ich mir überhaupt nicht vorstellen können, solch ein Glücksgefühl noch einmal zu erleben. Ich muss meinem Trainer Petr Novák ganz herzlich dafür danken, denn ich habe nicht damit gerechnet, noch einmal so in Form zu kommen.“

Das sagte Martina Sáblíková Anfang Februar nach ihrem WM-Sieg über 3000 Meter bei der Einzelstrecken-Weltmeisterschaft im bayerischen Inzell. Bis zu den olympischen Winterspielen in Pyeongchang galt die Tschechin als die weltbeste Eisschnellläuferin der zurückliegenden Dekade. Von 2007 bis 2018 erkämpfte Sáblíková drei Olympiasiege und 13 Weltmeistertitel auf den Langstrecken sowie viermal WM-Gold im Mehrkampf. Im vergangenen Jahr aber hatte sie gesundheitliche Probleme. Zunächst kämpfte sie mit Kniebeschwerden. Kaum waren diese auskuriert, da begannen auch schon ihre Rückenschmerzen. Zudem litt sie unter Erkältungen und einer Virusinfektion.

Martina Sáblíková  (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)
Das schlug sich auf Sáblíkovás Saisonleistungen nieder. Bei Olympia wurde sie Zweite über 5000 Meter, ansonsten kamen keine weiteren Titel und Medaillen hinzu. Und weil die junge Niederländerin Esmee Visser in Südkorea die Tschechin auf ihrer Paradestrecke bezwang, sprachen nicht wenige Experten bereits von einer Wachablösung. Zumal Sáblíková hin und wieder mit dem Gedanken spielte, ihre überragende Karriere nach Olympia zu beenden.

Doch dem ist nicht so. Im Gegenteil: In der abgelaufenen Saison 2018/19 gewann die 31-Jährige die WM-Titel über 3000 und 5000 Meter sowie im Mehrkampf. Und sie untermauerte ihre wiedergewonnene Leistungsstärke mit drei Weltrekordläufen auf den langen Distanzen. Entsprechend gut gelaunt präsentierte sie sich in der vergangenen Woche in Prag den Medien:

Martina Sáblíková: „Ein paar Leute haben mich gefragt, wie ich denn das nur mache. Denen habe ich geantwortet: ‚Ich mache alles genauso wie immer, nur dass ich in dieser Saison absolut gesund war.‘ Das war das A und O für mich und meine Erfolge.“

„Ein paar Leute haben mich gefragt, wie ich denn das nur mache. Denen habe ich geantwortet: ‚Ich mache alles genauso wie immer, nur dass ich in dieser Saison absolut gesund war.‘ Das war das A und O für mich und meine Erfolge.“

In einem Gespräch für den Tschechischen Rundfunk ergänzte Sáblíková:

„Natürlich tun mir nach all den Rennen die Beine weh, aber ich habe weder Schmerzen im Rücken noch im Kniegelenk. Das ist ein Gefühl für mich, wie ich es schon lange nicht mehr hatte. Meine Freude am Eislaufen war daher viel größer, und ich habe auch wesentlich mehr Zeit auf dem Eis verbracht. Es war einfach alles anders.“

Das konnte man auch sehen, wenn man die Wettkämpfe der Eisschnellläuferin aus Žďár nad Sázavou / Saar in dieser Saison verfolgte. Sáblíková demonstrierte nicht nur ihre technische Klasse in den Kurven beim Umsetzen der Kufen, sondern sie wirkte auch leicht und locker in all ihren Bewegungsabläufen. Deshalb konnte sie sich am Ende der Saison nochmals steigern und ihre beeindruckenden Vorstellungen mit drei Weltrekorden krönen. Der erste gelang ihr bei der Mehrkampf-Weltmeisterschaft im kanadischen Calgary auf der kürzeren der beiden Langstrecken:

Martina Sáblíková und Petr Novák  (Foto: ČTK / Michal Kamaryt)
„Ich habe den Lauf über 3000 Meter in Calgary sehr genossen, auch weil ich mit solch einer Zeit überhaupt nicht gerechnet habe. Zuvor bin ich zweimal in der Höhe von Calgary gelaufen und habe den Weltrekord jeweils um Längen verfehlt.“

Auch ihr Trainer Petr Novák war überrascht von dieser Leistung, zumal ihm seine Athletin noch Stunden vor dem Rennen ein paar Probleme offenbart hatte:

„Martina hat mir im Training gesagt, dass sie den Rekord nicht attackieren könne, weil sie unter Sauerstoffmangel leide. Von daher wissen wir den Weltrekord noch mehr zu schätzen.“

Beim Mehrkampf werden insgesamt vier Läufe über die Distanzen 500, 1500, 3000 und 5000 Meter ausgetragen, die jeweiligen Zeiten werden mit einem Koeffizienten zu einem Punktergebnis addiert. Weil Martina Sáblíková auf den kürzeren Strecken nicht so stark ist, muss sie auf den längeren entsprechende Zeitabstände herauslaufen. Das gelang ihr mit einem weiteren Weltrekord über 5000 Meter. Danach sagte sie:

Foto: ČT Sport
„Der WM-Titel im Mehrkampf wird an die vielseitigste Eisschnellläuferin der Welt vergeben. Bei den Problemen, die ich mit der 500-Meter-Sprintstrecke habe, ist es für mich stets unglaublich, wenn ich eine Medaille gewinne. Von daher weiß ich diesen Titel ungemein zu schätzen. Zudem war dieser noch geschmückt mit den beiden Weltrekorden, einer beinahe persönlichen Bestleistung über 500 Meter und einer weiteren Top-Zeit für mich über 1500 Meter. Der Mehrkampf von Calgary ist mir besonders gut gelungen.“

Im Gespräch für den Rundfunk schilderte sie schließlich, auf welche Weise man einen Weltrekordversuch in Angriff nimmt:

Esmee Visser  (rechts) in Salt Lake City  (Foto: YouTube)
„Die Bestzeiten sind bekannt. Und wir wissen natürlich, welche Rundenzeiten man laufen muss, um einen Weltrekord zu knacken. Demnach läuft man ein Rennen mit einer bestimmten Zeitvorgabe an und versucht dann, hintenheraus noch zu beschleunigen. Oder man startet das Rennen nach eigenem Zeitgefühl und schaut dann, ob man in der Lage ist, das Tempo bis zum Schluss durchzuhalten. Wir haben die erste Variante gewählt. Doch natürlich weiß man nie genau, ob man während des Laufes imstande ist, das Tempo noch zu erhöhen. Für mich ist dieser Moment in Nordamerika gekommen, und ich habe ihn genutzt.“

Sáblíková: „Der WM-Titel im Mehrkampf wird an die vielseitigste Eisschnellläuferin der Welt vergeben. Bei den Problemen, die ich mit der 500-Meter-Sprintstrecke habe, ist es für mich stets unglaublich, wenn ich eine Medaille gewinne. Der Mehrkampf von Calgary ist mir besonders gut gelungen.“

Und das nicht nur in Calgary, sondern auch eine Woche später beim Weltcup-Finale im amerikanischen Salt Lake City. Dort war auch ihre große Rivalin aus den Niederlanden, Olympiasiegerin Esmee Visser, am Start. Vor dem Rennen über 3000 Meter ließ diese über die Medien wissen, sie sei eigens dafür angereist, um Sáblíková den Weltrekord von Calgary wieder zu entreißen.

Die Tschechin war über diese Aussage etwas perplex. Sie sagte, sie selbst habe für die neue Bestzeit sechs Jahre lang gebraucht, Visser wolle sie aber mir nichts dir nichts knacken. Deswegen habe sie nach dem Lauf der Holländerin erst einmal etwas aufgeatmet, bemerkte Sáblíková:

„Dann habe ich mir gesagt: ‚Gut, das ist mein letzter Lauf in der Saison, und wenn mich meine Superform nicht verlässt, dann will ich ihn noch gut zu Ende bringen.‘ Nach der ersten Runde aber hörte ich die Zwischenzeit von 29,1 Sekunden und dachte nur: ‚So schnell bist du diese Strecke noch nie angelaufen, das hältst du nicht durch.‘ Die letzte Runde war dann auch extrem schwer, ich bin praktisch auf der letzten Rille ins Ziel gekommen.“

Martina Sáblíková  (Foto: YouTube)
Doch der Einsatz hat sich gelohnt: In Salt Lake City unterbot Sáblíková ihre Fabelzeit von Calgary noch einmal um über eine Sekunde. Eigentlich sind Sportler immer dann, wenn eine kräftezehrende Saison zu Ende geht, schon etwas müde. Und etwaige Höchstleistungen sind dann eher nicht mehr zu erwarten. Für Eisschnellläuferinnen aber gelten scheinbar andere Gesetzmäßigkeiten. So hatte Sáblikovás Trainer Petr Novak einmal gesagt, die besten Leistungen vollbringe man gerade dann, wenn Körper und Geist schon etwas müde seien:

„Da ist was Wahres dran. Wenn man sich etwas müde fühlt, dann achtet man auch nicht so sehr auf jede Körperzuckung. Man blendet vieles aus und redet sich nicht ein, hier zwackt es und da tut etwas weh. Es ist wirklich so, die langen Strecken lassen sich mit einer gewissen Müdigkeit besser laufen.“

Sáblíková: „Wenn man sich etwas müde fühlt, dann achtet man auch nicht so sehr auf jede Körperzuckung. Man blendet vieles aus und redet sich nicht ein, hier zwackt es und da tut etwas weh. Es ist wirklich so, die langen Strecken lassen sich mit einer gewissen Müdigkeit besser laufen.“

Im Rundfunk verriet Sáblíková schließlich noch einen Grund für ihre quasi Wiederauferstehung. Nach der Enttäuschung von Pyeongchang, als sie erstmals nach elf Jahren bei einem großen Wettkampf auf ihrer 5000-Meter-Paradestrecke bezwungen wurde, halfen ihr andere Top-Sportlern aus dem psychischen Loch. In erster Linie seien dies Snowboarderin Ester Ledecká, Ruderer Ondřej Synek und Radfahrer Zdeněk Štybar gewesen, so Sáblíková:

„Das sind sehr energiegeladene und positiv denkende Menschen. Und es gefällt mir, wenn ich Leute um mich habe, die Freude ausstrahlen und nicht über die negativen Dinge sprechen. Zudem haben mir alle drei dadurch geholfen, dass sie mir bestimmte Experten empfohlen haben oder mich aber haben wissen lassen, dass sie mich bei Problemen stets beraten werden. Ich bin einfach froh, dass man sich unter Sportlern so gut versteht. Von daher hoffe ich, dass andere auch wissen, dass ich ihnen mit meinen Erfahrungen weiterhelfen kann.“

Gunda Niemann-Stirnemann  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 183-1989-1125-014 / CC-BY-SA 3.0)
Diese vor allem positiven Erfahrungen sind wirklich nicht von der Hand zu weisen. Nach ihrer Top-Saison, die sie selbst als die zweitbeste ihrer Karriere bezeichnet, ist Sáblíková nun tatsächlich die erfolgreichste Eisschnellläuferin aller Zeiten. Sie hat insgesamt 20 WM-Titel gewonnen – und damit einen mehr als die bisherige Rekordhalterin Gunda Niemann-Stirnemann aus Deutschland. Ihren eigenen Worten nach denkt Sáblíková mittlerweile auch nicht mehr an ein baldiges Karriere-Ende. Sollte sie ihre Gesundheit nicht wieder im Stich lassen, dann werde sie womöglich auch noch bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking an den Start gehen, ließ sie wissen.

Autor: Lothar Martin
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