Fußball: 34 Punkte trennen Leader Pilsen und Schlusslicht Ostrau

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Mit dem Europa-League-Spiel des AC Sparta Prag am vergangenen Donnerstag in Nikosia haben die tschechischen Fußballclubs ihre Vorstellungen in diesem Jahr abgeschlossen. In der höchsten Spielklasse des Landes, der Synot-Liga, haben sie im Sommer und Herbst die komplette Hinrunde sowie den ersten Spieltag der Rückrunde ausgespielt. Radio Prag gibt Ihnen einen Rückblick auf den ersten Teil der Fußballsaison, inklusive einer Reaktion auf die EM-Gruppenauslosung am Samstag.

Baník Ostrava - Sparta Prag  (Foto: YouTube)
Die größte Enttäuschung des Fußballherbstes war ohne Zweifel der FC Baník Ostrava. Sicher, es war vermutet worden, dass der Traditionsverein aus der nordmährischen Stahlarbeiterstadt in dieser Saison in Probleme geraten könnte, doch mit einem derart schwachen Auftritt der Blau-Weißen hatte niemand gerechnet. In den 16 Begegnungen gelang ihnen nur ein einziger Sieg, mit lediglich vier Punkten liegt Baník weit abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Zum abschließenden Heimspiel, der Risikopartie gegen den Erzrivalen Sparta Prag, kamen folglich nur noch 3280 Zuschauer ins Städtische Stadion von Ostrava / Ostrau:

Vladimír Vůjtek  (Foto: YouTube)
„Die Fans sind natürlich nicht begeistert von unseren Leistungen. Zudem wurden die Eintrittskarten nur gegen Vorlage des Personalausweises verkauft. Ich wundere mich nicht darüber, denn wir haben ja nur vier Punkte“, fand Mittelfeldspieler Tomáš Mičola dafür eine Erklärung.

Eine stichhaltige Begründung für die erschreckend schwache Ausbeute der Ostrauer hat einer ihrer größten Fans parat, der Cheftrainer der tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft Vladimír Vůjtek:

Tomáš Mičola  (Foto: Aleksander Mysjakin,  CC BY-SA 3.0)
„Ich bin enttäuscht, ja sehr enttäuscht. Ich muss aber sagen, dass ich diese Misere erwartet habe, genau wie viele Experten. Ich kann mich doch nicht hinstellen wie die Verantwortlichen im Verein und behaupten, dass man eine Mannschaft mit Perspektive aufbauen und in zwei bis drei Jahren tollen Fußball spielen wird, wenn man dauernd nur Spieler aus der dritten oder vierten Liga verpflichtet. Oder aber vertragslose Akteure. Mit viertklassigen Spielern kann ich halt in der ersten Liga nicht bestehen.“

Angesichts dieser Voraussetzungen glaubt in Ostrau schon keiner mehr so recht an den Klassenerhalt – mit Ausnahme von Tomáš Mičola:

„Möglicherweise hält man mich für verrückt, aber ich glaube immer noch daran. Es gibt immer wieder Wunder, vielleicht holen wir im Frühjahr noch 25 Punkte. Wir werden sehen.“

Andernfalls wird der vierfache Meister und achtfache Pokalsieger des Landes wohl nach 50 Jahren erstmals wieder in den sauren Apfel beißen und absteigen müssen.

Bohemians Prag ist seit Ende Oktober ungeschlagen

David Bartek  (Foto: Archivo del Bohemians 1905)
Bei seiner zweckoptimistischen Prognose schielte Mičola gewiss auch auf die plötzliche Auferstehung eines weiteren Traditionsclubs, auf Bohemians Prag 1905. Bis zum elften Spieltag standen die Hauptstädter nämlich als letzte Mannschaft noch gänzlich ohne Sieg da. Seitdem aber haben sie ihre restlichen drei Heimspiele gewonnen und auswärts zweimal unentschieden gespielt. Da sind alle bei den Grün-Weißen natürlich wieder happy, sowohl die Fans wie auch Mittelfeldspieler David Bartek:

„Ich habe immer daran geglaubt, dass die Mannschaft das Siegen nicht verlernt habe, und dieser Glaube hat sich erfüllt“, so Bartek.

Sein Teamkollege, Torwart Zdeněk Zlámal, wiederum sieht es so:

„Wenn wir vor anderthalb Monaten gesagt hätten, dass wir zum Ende der Herbstserie 16 Punkte auf dem Konto haben werden, wäre das ein phantastischer Traum gewesen. Zum Glück ist es jetzt Realität. Aber für mich gesprochen: Ich bin ein ewiger Optimist, ich habe daran geglaubt.“

Zdeněk Zlámal  (Foto: IgorekLbc,  CC BY-SA 3.0)
Und Zlámal weiß auch noch ganz genau, wie die Trendwende zustande kam:

„Im Heimspiel gegen Jihlava lagen wir zur Pause 0:1 zurück. Unsere Leistung in der ersten Halbzeit war gespenstisch. In der Kabine gab es dann ein Donnerwetter, und wir haben die Partie noch gedreht. Der Sieg über Jihlava hat uns ins Rollen gebracht.“

Danach holten die Bohemians noch weitere acht Zähler und liegen jetzt auf dem 13. Tabellenplatz unter den 16 Liga-Teilnehmern.

Konsequenz für Mittelmaß in Jablonec: Trainer Šilhavý entlassen

Vier Punkte mehr auf dem Konto als Bohemians hat die Mannschaft aus Jablonec nad Nisou / Gablonz. Doch mit den erreichten 20 Zählern liegen die Nordböhmen nur auf dem achten Platz, und das ist nicht der Anspruch, den der Tabellen-Dritte der vergangenen Saison an sich selbst hat. Im Gegenteil, diese Herbstbilanz ist eine herbe Enttäuschung. Vor allem in den Heimspielen sei die Mannschaft vieles schuldig geblieben, bekennt Vereinssprecher Štěpán Hanuš:

Jaroslav Šilhavý  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir sind besonders betrübt über die Leistungen und Ergebnissen vor eigenem Publikum, da konnten wir von elf Pflichtspielen lediglich zwei gewinnen.“

Eines davon war noch dazu eine Pokalbegegnung, so dass Jablonec von acht Ligapartien zu Hause nur gegen Olomouc / Olmütz (4:0) alle Punkte holte. Diese ernüchternde Ausbeute, verknüpft mit sehr schwankenden Leistungen, hatte Konsequenzen: Nach Abschluss der Herbstserie wurde Trainer Jaroslav Šilhavý gefeuert. Das ist jener Coach, der erst im Sommer 2014 zu den Neißestädtern gestoßen war und die Grün-Weißen danach mit dem Vereinsrekord von 64 Punkten durch die bisher erfolgreichste Saison der Clubgeschichte geführt hatte. Der verdiente Lohn dafür waren Platz drei in der Meisterschaft und die Teilnahme an der diesjährigen Qualifikation zur Europa League. Doch vielleicht waren gerade diese Erfolge ein bisschen zu viel des Guten für einige Akteure, sinniert Šilhavý über die Gründe seines Rauswurfs:

Zdenko Frťala  (Foto: David Sedlecký,  CC BY-SA 3.0)
„Möglicherweise haben die Spieler ein wenig den Eindruck gewonnen, jetzt gehe alles von alleine. Wir hatten nicht genügend Charakterköpfe im Team, die wissen, wie man eine solche Situation bewältigt. Die Mannschaft war nicht stark genug, um sich selbst aus dem Schlamassel zu ziehen. In solchen Momenten lernt man die Leute um sich auch besser kennen.“

Auf der Suche nach einem neuen Coach ist Jablonec mittlerweile in Varnsdorf / Warnsdorf fündig geworden. Von dort will man Trainer Zdenko Frťala an die Neiße holen.

Slavia Prag nach jahrelanger Flaute endlich im Aufwind

Dušan Uhrin  (Foto: David Sedlecký,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Einen neuen Coach hat seit dieser Saison auch ein anderer Traditionsverein, der 17-fache Meister und siebenmalige Pokalsieger des Landes, SK Slavia Prag. Es ist der Sohn des einstigen gleichnamigen Nationaltrainers Dušan Uhrin. Und unter Uhrin dem Jüngeren sind die Rot-Weißen nach längerer Flaute endlich wieder zu neuen Ufern gelangt. Nach 16 Spieltagen ist der Elfte der Vorsaison jedenfalls hervorragender Fünfter – eine bessere Platzierung hatten die „Sešívaní“ (zu dt.: die Zusammengenähten) zuletzt in ihrer Meistersaison 2008/09. Klar, da kommt Freude auf, sowohl bei den Fans als auch beim Trainer:

„Wir haben das prestigeträchtige Derby gegen Sparta gewonnen, und wir sind erfreut darüber, dass es die Zuschauer wieder in unser Stadion zieht. Das ist sehr wichtig. Die Fans kommen zahlreich zu Heim- wie zu Auswärtsspielen.“

Nach vielen Jahren, in denen Slavia eher im unteren Mittelfeld dümpelte, sind die Spieler der Mannschaft wieder hungrig auf Erfolg. Und mit dem Essen wächst bekanntlich der Appetit. Mit Platz drei oder vier in der Endabrechnung würde sich Slavia womöglich auch wieder für den Vorausscheid zur Europa League qualifizieren. Deshalb gibt Mittelfeldspieler Jaromír Zmrhal schon jetzt die Parole für die Rückrunde aus:

Slavia Prag - Sparta Prag  (Foto: YouTube)
„Selbstverständlich wollen wir noch weiter nach oben kommen, welches Team will das nicht? Wir haben bereits gezeigt, dass wir dazu in der Lage sind, denn für eine Weile waren wir schon Vierter. Wir werden weiter Dampf machen, jeder von uns wird sein Maximum dafür geben.“

Sparta Prag nach starkem Beginn zuletzt etwas müde

Zdeněk Ščasný  (Foto: David Sedlecký,  Wikimedia CC BY-SA 4.0)
Für den ewigen Lokalrivalen von Slavia, den Rekordtitelträger Sparta Prag, gibt es hingegen nur eine Zielsetzung: den Gewinn der Meisterschaft. Zu Beginn der Punktspiele waren die Spartaner dabei auch auf einem guten Weg, denn nach sieben Spieltagen führten sie die Tabelle mit 17 Punkten und noch ohne Niederlage an. Ende September ereilte sie jedoch die bittere 0:1-Niederlage im Derby bei Slavia, dieser folgten noch weitere Pleiten in Plzeň / Pilsen und Liberec / Reichenberg. Und die anfängliche Souveränität der Weinroten wich plötzlich einer ziemlichen Einfallslosigkeit. Deshalb ist Sparta nun auch nicht mehr Tabellenführer, sondern liegt drei Punkte hinter Titelverteidiger Pilsen in Lauerstellung. Für den Leistungsabfall aber hat Trainer Zdeněk Ščasný eine einleuchtende Erklärung:

„Meine Spieler sind etwas müde. Viele Fußballexperten werden sagen, das sei Unsinn, doch es ist einfach Fakt. Wir haben im Herbst vielleicht 28 Spiele absolviert, unsere Nationalspieler noch einige mehr. Ein solches Pensum haben andere Mannschaften in einem Jahr. Ich möchte aber nicht jammern, denn wir sind froh, dass wir in der Europa League spielen.“

Und in der Europa League spielten die Prager überragend. In der Gruppe K haben sie keine ihrer sechs Begegnungen verloren, mit zwölf Punkten belegten sie den zweiten Platz hinter dem FC Schalke 04. Damit ist Sparta Prag das einzige tschechische Team, das in einem europäischen Wettbewerb überwintert.


Vrba zu EM-Auslosung: Werden genügend Punkte holen und weiterkommen

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Am vergangenen Wochenende lag das Hauptaugenmerk der tschechischen Fußballfans bereits auf einem Großereignis des kommenden Jahres: auf der EM-Endrunde in Frankreich. Am Samstag erfolgte dazu die Auslosung der Vorrundengruppen in Paris. Tschechien wurde in die Gruppe D gelost und erhielt starke Gegner: Titelverteidiger Spanien, Kroatien und die Türkei. Nationaltrainer Pavel Vrba sieht der schweren wie auch reizvollen Aufgabe indes mit einer gesunden Portion Zweckoptimismus entgegen:



Pavel Vrba  (Foto: ČTK)
„Wir werden sehen, wie wir das meistern. Möglicherweise ist es gut, dass wir gleich mit dem Spiel gegen Spanien beginnen. Vorteil hin oder her, ich sehe das natürlich positiv. Und ich denke, dass wir genügend Punkte holen und weiterkommen werden. Auch wenn ich mich wiederholen muss, dass uns eine schwere Gruppe erwartet.“

In dieser Gruppe trifft Tschechien zunächst am 13. Juni 2016 in Toulouse auf Spanien, danach am 17. Juni in St. Etienne auf Kroatien und schließlich am 21. Juni in Lens auf die Türkei.

Autor: Lothar Martin
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