DFC Prag hat alte Tradition und gute Jugendarbeit gleichsam im Blick

Foto: Thomas Oellermann

Der DFC Prag zählte Anfang des 20. Jahrhunderts zu den besten Fußballmannschaften Europas. Die Erfolgsgeschichte des Vereins wurde jedoch schon 1939 abrupt beendet: Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Prag wurde der DFC als „jüdischer Verein“ verboten und löste sich dann aber selbst auf. Im Sommer 2016 wurde er erneut gegründet und hat seitdem in den Prager Nachwuchsligen wieder Fuß gefasst. Und so ist es für den „neuen DFC“ durchaus ein Meilenstein, dass ihn gerade in den letzten Wochen die Erinnerungen an die ruhmreiche Vergangenheit und das Zukunftspotenzial seiner Kinder- und Jugendarbeit bei zwei Veranstaltungen nachhaltig berührt haben.

Foto: Thomas Oellermann

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So steht es in den Annalen des deutschen Fußballs: Bei der ersten deutschen Meisterschaft kam es am 31. Mai 1903 in Altona (heute ein Stadtteil von Hamburg) zum Endspiel zwischen dem VfB Leipzig und dem DFC Prag. Die Sachsen gewannen die Partie mit 7:2 und wurden damit erster Deutscher Fußballmeister – obwohl die Prager als klare Favoriten ins Rennen gingen.

Der erste Titelkampf wurde als Pokal der regionalen Meister ausgetragen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte damals versucht, mehr Mitglieder zu bekommen. Deshalb erlaubte er deutschen Clubs aus Österreich-Ungarn, dem Verband beizutreten und an Pokalspielen teilzunehmen. Und der DFC Prag nutzte die Gunst der Stunde.

Um die spannende Geschichte der Gründerjahre des deutschen Fußballs wieder aufleben zu lassen, ist vor zehn Jahren die sogenannte Darmstädter Initiative 1903 e.V. entstanden. Seitdem verfolgt die Organisation vor allem ein Ziel: die erste deutsche Fußballmeisterschaft aufzuarbeiten. Dazu haben ihre Mitglieder im Jahr 2010 zunächst den Ort des ersten Finales in Hamburg besucht. Dort fanden sie jedoch keinen einzigen Hinweis auf dieses Ereignis, sagt Sebastian Bona, der Erste Vorsitzende der Initiative:

Sebastian Bona  (Foto: Thomas Oellermann)
„Schon war prompt der Gedanke geboren, gerade hier im fußballverrückten Deutschland ein Zeichen zu setzen und die Pioniere des Spiels mit dem runden Leder zu würdigen. Also die Fußballer der ersten Stunde, die diese Sportart damals hierzulande etabliert haben. So haben wir uns dann auf die Reise gemacht und die sechs Vereine aufgesucht, die die Endrunde der ersten deutschen Meisterschaft ausgespielt haben. Dies geschah im Jahresturnus, und bei jedem Treffen haben wir vor Ort Pilgersteine gesetzt, die an das damalige Ereignis erinnern sollen. Nach dieser sechsjährigen Pilgersteinreise keimte bei uns dann der Gedanke auf, die erlangte Korrespondenz in die Aufarbeitung der Meisterschaft von 1903 einzubeziehen. Dazu ist zu sagen, dass manche Vereine der ersten Stunde schon nicht mehr unter demselben Namen florieren oder sich – auch als ein Ergebnis unseres Besuchs – wieder neugegründet haben, wie der DFC Prag. Es galt also, diese Euphorie zu nutzen, und die einzige logische Konsequenz war, die gesamte Endrunde von 1903 noch einmal neu auszutragen. Jetzt sind wir froh und glücklich, dass alle Teilnehmer ihr Interesse an dem Kleinfeldturnier in Leipzig bekundet haben, hierhergekommen sind und wir so heute einen tollen Turniertag gehabt haben.“

Sebastian Bona: „Manche Vereine der ersten Stunde florieren schon nicht mehr unter demselben Namen oder haben sich wieder neugegründet, wie der DFC Prag. Es galt also, diese Euphorie zu nutzen, und die einzige logische Konsequenz war, die gesamte Endrunde von 1903 noch einmal neu auszutragen.“

Die Wiederholung der ersten Endrunde wurde am Sonntag vor einer Woche in der Messestadt ausgetragen. Neben dem VfB Leipzig und dem DFC Prag liefen dazu auch die Traditionsmannschaften des Berliner TuFC Britannia 1892, des Magdeburger FC Viktoria 1896, des Altonaer FC 93 und des Karlsruher FV auf dem Rasen des Bruno-Plache-Stadions auf. Also genau die sechs Vereine, die 1903 die erste Meisterschaft bestritten. Und wie ging es diesmal aus? Sebastian Bona:

„Die Vorrunde des Turniers wurde in zwei Staffeln mit je drei Mannschaften ausgetragen. Jedes Team absolvierte folglich drei Vorrundenspiele, danach trafen die Gruppensieger im Endspiel, die Zweiten im Spiel um Platz drei und die Dritten im Spiel um Platz fünf aufeinander. Im Finale hatten wir dann eine Konstellation, die es 1903 schon im Halbfinale gab, und zwar spielte der Altonaer FC gegen den VfB Leipzig. Der AFC ersetzte also den DFC Prag als Finalisten, der Gewinner aber war derselbe: Der VfB Leipzig siegte mit 6:1 und hat sich damit die Viktoria ein erneutes Mal geholt.“

Foto: Thomas Oellermann
Vom Gewinn der Viktoria, dem ersten deutschen Meisterpokal, waren indes die Prager diesmal weiter entfernt als vor 116 Jahren. Sie verloren alle drei Spiele: 1:2 gegen Altona, 0:1 gegen Berlin und 1:5 gegen Karlsruhe. Gerade die letzte Begegnung hatte durchaus Brisanz, denn es war die erste überhaupt zwischen dem KFV und dem DFC. Dabei sollten beide Vereine 1903 schon im Viertelfinale und nach dem Ausfall der Partie erst recht im Halbfinale aufeinandertreffen. Doch dazu ist es nie gekommen, schildert Bona:

„Der Karlsruher FV trug in Leipzig sein überhaupt erstes Spiel in der ersten deutschen Meisterschaftsendrunde aus. Denn seinerzeit im Jahr 1903 sollte er eigentlich auf den Deutschen Fußballclub Prag treffen. Das Spiel fand aber nicht statt, denn es gab die ominöse Telegramm-Affäre, weswegen die Karlsruher den Spieltermin versäumten und zu Hause blieben. In dem Telegramm stand nämlich, dass das Halbfinalspiel gegen den DFC Prag ausfällt. Somit reisten nur die Prager zum Spielort. Dort warteten sie aber vergeblich auf den Gegner aus Karlsruhe und wurden daher am grünen Tisch zum Sieger erklärt. Im Finale trafen sie dann auf den VfB Leipzig.“

Christoph Mauerer  (Foto: Thomas Oellermann)
Der DFC Prag kam damals also kampflos ins Finale und unterlag. Auch vor acht Tagen in Leipzig machten die Prager keinen Stich und wurden Letzter. Man muss ihnen jedoch zugutehalten, dass ihr History Team sehr kurzfristig zusammengestellt wurde und ohne vorheriges Training antrat. Dafür schlugen sich die Blau-Weißen recht wacker. DFC-Akteur Christoph Mauerer zeigte sich zudem sehr angetan vom Niveau des Turniers:

„Es war ein tolles Turnier, das andererseits natürlich kein Profiniveau hatte. Es war keine richtige deutsche Meisterschaft, sondern es ging eher um den Spaß. Dennoch ging es wirklich zur Sache und wir mussten uns voll rein hängen. Es waren durchaus auch Spieler dabei, die schon ein höheres Niveau hatten. Zwischen Altherrenfußball und einigen richtig guten Spielern war alles dabei.“

Im Trikot der Prager war auch der Vorstand für Finanzen & Marketing des Vereins, Hendrik Taulin. Seiner Meinung nach hat das Turnier seinen Zweck wirklich erfüllt:

„Es war schön! Sechs Vereine aus Deutschland und Tschechien, die sich wieder getroffen haben, um diesen historischen Rahmen dann mit neuzeitlichen Emotionen wiederzubeleben. Es war ein Treffen unter Freunden.“

Kinder-Fußballturnier in Líbeznice  (Foto: Lothar Martin)
Die Traditionspflege ist die eine Sache. Die andere ist der Jugendfußball, auf die der heutige DFC Prag vorrangig ausgerichtet ist. Dort will der Verein möglichst bald erste Früchte sehen. Und das ist nach drei Jahren durchaus der Fall, wie Hendrik Taulin am Rande eines Kinder-Fußballturniers am 15. Juni in Líbeznice bei Prag mitteilte:

„Wir haben jetzt im Jugendbereich zwei Mannschaften, und zwar die Kleinen, das wäre in Deutschland die E-Jugend, und dazu ein komplettes A-Jugendteams. Die Anmeldungen kommen pro Monat, sie tröpfeln regelmäßig rein. Es hat sich mittlerweile herum gesprochen, dass wir sehr gute Jugendarbeit machen, sowohl vom Sportdidaktischen als auch vom Pädagogischen her. Deshalb haben wir jetzt 55 Kinder als aktive Mitglieder und nach wie vor die Unterstützung der drei deutschen Schulen vor Ort, also der Deutschen Schule Prag, dem Thomas Mann Gymnasium und der Grundschule der Deutsch-Tschechischen Verständigung. Ebenso aktiv unterstützt werden wir von der jüdischen Gemeinde in Prag und jetzt auch durch die deutsche Botschaft. Ich glaube, alle Beteiligten in und um den Club herum können sehr stolz sein.“

Hendrik Taulin: „Wir haben jetzt im Jugendbereich zwei Mannschaften, und zwar die Kleinen, das wäre in Deutschland die E-Jugend, und dazu ein komplettes A-Jugendteams. Die Anmeldungen kommen pro Monat, sie tröpfeln regelmäßig rein. Es hat sich mittlerweile herum gesprochen, dass wir sehr gute Jugendarbeit machen. Deshalb haben wir jetzt 55 Kinder als aktive Mitglieder.“

Mit dem Turnier in Líbeznice hat der Verein zudem ein weiteres Kapitel seiner neuzeitlichen Geschichte aufgeschlagen. Denn es war das erste, das der DFC in Eigenregie veranstaltet hat. In Anlehnung an ein im Jahr davor ausgetragenes Freundschaftsspiel der Traditionsmannschaft gegen das Team der Deutschen Botschaft Prag hat das Turnier auch seinen Namen bekommen: Es wird als Diplo Kids Cup geführt. Beim Tag der offenen Tür in der Botschaft im Juni 2018 hatte der Verein seine Kontakte zur deutschen Diplomatie auf eine neue Ebene gehoben: Man vereinbarte eine stärkere Zusammenarbeit, und Botschafter Christoph Israng wurde zum Ehrenmitglied des DFC ernannt. Das anschließende Match gegen das Team der Botschaft wurde zum Diplo Cup erhoben. Das diesjährige Kinderturnier war also nur ein folgerichtiger Schritt, erläutert Taulin:

„Für dieses Jahr hatten wir uns vorgenommen, das Ganze ein wenig größer aufzuziehen. Deshalb ist – erneut in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft als auch den deutschen Schulen und den Behörden hier in Líbeznice, einem kleinen Ort bei Prag – die Idee entstanden, an einem schönen Sommerwochenende ein Kinderturnier zu veranstalten. Auch da war das Echo sehr positiv. Deshalb können wir hier heute beim ersten eigenen Turnier des DFCs sechs Teams begrüßen, worauf wir sehr stolz sind.“

Mannschaft des SKK Hovorčovice  (Foto: Lothar Martin)
Von den sechs Mannschaften der Neun- und Zehnjährigen, die am Diplo Kids Cup teilnahmen, stellte allein der DFC Prag die Hälfte. Dies sei eine Entwicklung, die auch sie verblüffe, sagte die Schulleiterin der Prager Grundschule der Deutsch-Tschechischen Verständigung, Hana Nápravníková:

„Anfangs dachten wir an unserer Schule so: ´Es ist eine schöne Idee, dass die Kinder in ihrer Freizeit auch Fußball spielen können. Aber werden sie davon überhaupt Gebrauch machen, wenn sie bereits so viele andere Aktivitäten am Nachmittag und noch dazu eine anstrengende Schule haben´? Ich selbst dachte, dass vielleicht so zehn Jungs mitmachen würden. Aber heute bin ich wirklich überrascht, wie viele Kinder am Fußball teilnehmen. Viele kommen auch drei Mal in der Woche zum Training und spielen am Wochenende ein Turnier. Ich finde es zudem sehr wichtig, dass die Kinder fair spielen.“

Christoph Israng: „Der DFC Prag verbindet Deutsche und Tschechen und knüpft an eine große Tradition an. Es war natürlich eine besondere Ehre für mich, gefragt zu werden, ob ich Ehrenmitglied des Vereins werden möchte. Und was man heute bei dem Turnier der Kinder gesehen hat, ist, dass die gute Tradition auch in die jüngere Generation weiter getragen wird.“

Auch Botschafter Israng ließ es sich nicht nehmen, den Diplo Kids Cup des DFC als Zuschauer zu verfolgen. Gegenüber Radio Prag äußerte er:

„Es ist ganz großartig, dass es nicht nur eine Mannschaft ist, die jetzt wieder auflebt, sondern das Ganze wirklich in die Breite geht mit mehreren Mannschaften. Wichtig sind gerade die Jüngeren, weil sie den Nachwuchs für später bilden. Da sowohl deutsche als auch tschechische Kinder in den Teams mitspielen, findet auch ein ständiger zweisprachiger Dialog in der Praxis statt. Das ist ganz toll, und es macht Mut und Freude für die Zukunft.“

Nach rund fünf Stunden Spiel und Spaß fand das Kleinfeldturnier der E-Jugend schließlich einen Sieger. Es gewann die ältere Mannschaft des SKK Hovorčovice, gefolgt vom ersten und vom zweiten Team des DFC Prag. Am Ende aber waren alle Sieger, und der Botschafter höchstpersönlich überreichte die glänzenden Medaillen und Pokale. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, weshalb er den „neuen DFC“ in jeder Form sehr gern unterstütze:

Botschafter Christoph Israng mit dem Team des DFC Prag  (Foto: Lothar Martin)
„Der DFC Prag verbindet Deutsche und Tschechen und knüpft an eine große Tradition an. Es war natürlich eine besondere Ehre für mich, gefragt zu werden, ob ich Ehrenmitglied des Vereins werden möchte. Und was man heute bei dem Turnier der Kinder gesehen hat, ist, dass die gute Tradition auch in die jüngere Generation weiter getragen wird. Das macht einfach viel Spaß.“