Vor Abriss gerettet: die Moldau-Brücke in Libeň
Die Brücke verbindet den Prager Stadtteil Libeň mit Holešovice. Erbaut wurde sie vor fast 90 Jahren und wurde nie restauriert. In den letzten Jahren gab es bereits Pläne, die Brücke abzureißen, anstatt sie zu reparieren. Den geplanten Abriss kritisierten jedoch Architekten und Kunsthistoriker. Die Stadtbewohner haben zudem Unterschriften gesammelt für eine Petition, um den beachtenswerten Bau aufrechtzuerhalten. Die Monate lang geführte Diskussion hat nun ein vorläufiges Ende gefunden. Am Donnerstag beschloss der Prager Stadtrat, die Brücke von Libeň aufrechtzuerhalten und gründlich in Stand zu setzen.
Kubistiche Gesichter und beschädigte Treppe
Lenka Burgerová ist nicht nur Architektin und Historikerin, sondern auch Mitglied des Gemeinderats des siebten Prager Stadtbezirks. Die Brücke von Libeň sei ein sehr wertvoller Bau, meint sie.
„Die Brücke ist ein technischer Bau mit kubistischen Elementen – und er war damals zukunftsgerichtet. Denn erst heutzutage entstehen an beiden Ufern des Flusses, die über die Brücke miteinander verbunden sind, dicht besiedelte Stadtteile. Und dafür war die Brücke einst entworfen worden. Wenn man sich von unten die Bögen der Brücke anschaut, erkennt man über den drei Pfeilern, die im Fluss stehen, drei kubistische Gesichter. Es sieht so aus, als ob sie den Bau überwachen würden. Vermutlich ist es die einzige Brücke mit kubistischen Elementen auf der Welt.“
Burgerová zufolge wird kaum erwähnt, dass die Brücke nicht aus einem einzigen Element besteht. Vielmehr handele es sich um sechs Brückenkonstruktionen hintereinander.„Der Zustand der einzelnen Brückenteile ist sehr unterschiedlich. Während die Bogenkonstruktionen gut erhalten sind, befinden sich die Teile am Anfang und am Ende der Brücke in einem erbärmlichen Zustand. Auch die Treppen, die von der Brücke zum Fluss hinunterführen, sind stark beschädigt.“
Initiative gegen den Abriss
Am Donnerstag verhandelte der Prager Stadtrat bereits über die zweite Petition von Bürgern gegen den geplanten Abriss der Brücke. Rund 2000 Menschen haben die Petition unterzeichnet, ihr Titel lautet „Die Brücke von Libeň – nicht abreißen, nicht erweitern“. Initiator der Petition ist der Physiker Adam Scheinherr. Dank einem Bekannten aus Italien habe er entdeckt, wie wertvoll diese Architektur sei, sagt er.
„Wir sind am Ufer der Moldau unter der Brücke spaziert, und da sah ich auf einmal, wie schön der Bau ist. Ich wollte wissen, warum sich niemand um die Brücke kümmert, warum sie so schlimm aussieht. Es stellte sich heraus, dass der Abriss geplant war. Sie sollte durch eine neue Brücke ersetzt werden, erweitert um zwei zusätzliche Fahrspuren. Als ich nach den Beweggründen suchte, erfuhr ich, dass die Pläne von einem Projekt aus den Jahren 2003 bis 2006 ausgehen. 2003 passierten täglich rund 20.000 Autos die Brücke. Man rechnete damit, dass die Zahl bis 2010 auf 28.000 Autos steigen würde. Stattdessen kam es aber zu einem Rückgang. 2014 passierten die Brücke nur noch 17.200 Autos täglich. Das heißt, der Hauptgrund für den Abriss der Brücke und ihren Ersatz durch einen breiteren, mehrspurigen Bau fehlte plötzlich. Das hat mich sehr geärgert. Darum habe ich die Initiative gegründet. Denn ich wollte eine Diskussion lostreten und außerdem weitere Prager Bürger informieren. Für einen Normalbürger ist es schwierig, alle relevanten Zahlen und Daten zusammenzutragen.“Ausstellung über die Brücke
Im Januar dieses Jahres wandte sich Adam Scheinherr an das Kulturministerium. Das Ministerium hatte zuvor bereits befunden, dass die Brücke eine einzigartige technische Sehenswürdigkeit ist. Früher waren dem Ressort jedoch Unterlagen vorgelegt worden, denen nach es nicht mehr möglich sei, den Bau zu reparieren und zu retten. Adam Scheinherr fand jedoch Dokumente der Technischen Straßenverwaltung, aus denen hervorgeht, dass die Brücke zu reparieren ist. Das Ministerium beschäftigt sich momentan mit dem Vorschlag, die Brücke zum Denkmal zu erklären.Zur Debatte über die Zukunft der Brücke trug auch das Prager Nationalmuseum für Technik bei. Dort wurde vor kurzem eine Ausstellung zu diesem Thema eröffnet. Architekt Petr Krajči ist Kurator der Schau:
„Zu sehen sind im Museum das Originalmodell eines Brückenbogens, viele Archivalien, darunter Zeichnungen, sowie historische Fotografien der Brücke. Zudem werden Aufnahmen von Gebäuden gezeigt, die zur selben Zeit wie die Brücke entstanden sind. Dazu gehören das Škoda-Palais in der Jungmann-Straße und das Gebäude des Automotoklubs in der Opletalova. Skizzen von Architekt Janák dokumentieren, wie sich sein Baustil vom Kubismus entfernt hat.“
Die Ausstellung mit dem Titel „Libeň-Brücke aktuell“ ist noch bis Ende März im Nationalmuseum für Technik sehen. Das Museum ist dienstags bis freitags von 9 bis 17.30 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Wann mit der Instandsetzung der Brücke in Libeň begonnen wird, ist vorläufig unklar. Den ersten Schritt zur Rettung der Brücke haben die Stadträte bereits gemacht.