Open House: Prag öffnet seine Tore und Türen

Palais Desfours (Foto: Tomáš Sysel)

Es ist ein Tag der offenen Tür der Superlative: Ende kommender Woche öffnen zahlreiche Prager Gebäude ihre Tore, die Normalsterblichen üblicherweise verschlossen bleiben. Am 18. und 19. Mai findet nämlich der fünfte Jahrgang des internationalen Open-House-Festivals in Prag statt.

„Aus drei Gründen ist das hier ein großes Stadion: Es ist der größte Sport-Bau und das größte Stadion der Welt, gleichzeitig ist es das weltweit größte sportliche Brownfield – und vor allem ist es die wichtigste Herausforderung für Prag in der Zukunft.“

Strahov-Stadion  (Foto: Radomír Kočí)
So beschreibt der Architekt Petr Kucera bei einer kleinen Führung das Prager Strahov-Stadion. Der monströse Sportbau mit seiner Kapazität von weit über 200.000 Menschen ist nämlich einer der Höhepunkte der diesjährigen Ausgabe des Open-House-Festivals in Prag. Michaela Panková ist Pressesprecherin des Festivals und fasst die Höhepunkte 2019 zusammen:

„In diesem Jahr öffnen wir für unsere Besucher rund 80 Gebäude, aber auch andere nicht-öffentliche Räume. Das umfasst Besonderheiten wie ein Dampfschiff auf der Moldau oder eben das Strahov-Stadion, aber auch viel Friedhof-Architektur. An dieser sind wir traditionell sehr interessiert. Im Vergleich zum Jahr 2018 können wir den Interessierten ein Drittel mehr Objekte anbieten. Damals hatten wir rund 65 Gebäude im Programm. In Zukunft sollen es aber noch mehr werden.“

Haus zur steinernen Glocke  (Foto: Vladimír Lacena)
In diesem Jahr können zahlreiche Innenstadtpalais und Universitätsgebäude besichtigt werden sowie viele Wohnareale, die erst in den vergangenen Jahren gebaut wurden. Ein weiteres Highlight sind aber auch die Rathäuser der einzelnen Stadtbezirke sowie die Residenz des Oberbürgermeisters. Der neue Prager Stadtherr Zdenek Hrib (Piraten) ist übrigens einer der wichtigsten Schirmherren der Veranstaltung.

Raus aus der Stadtmitte

Eines ist den Organisatoren besonders wichtig: die Besucher nicht nur ins Stadtzentrum zu locken. Dafür hat konzentriert man sich diesmal auch auf die Randbezirke. Andrea Senkyrikova ist Gründerin des Festivals in der tschechischen Hauptstadt:

Andrea Šenkyříková  (Foto: Archiv von Andrea Šenkyříková)
„Früher haben wir uns wirklich auf das Zentrum versteift. Unser Gedanke war, dass es die Leute nicht weit haben sollten zu den jeweiligen Gebäuden. Die Prager leben aber überall in ihrer Stadt, und ein Ziel von Open House soll ja gerade sein, die Beziehung der Menschen zu ihrem Wohnort zu vertiefen. Deshalb wollen wir verstärkt auch in den Randbezirken aktiv sein und den gemeinschaftlichen Charakter der jeweiligen Viertel betonen. In London beispielsweise ist das ganz gut zu sehen. Die Freiwilligen stellen dort Kaffee und Kuchen bereit, und die Verbindung mit ihrem Wohnort ist wirklich zu spüren. Und vor allem, dass die Leute auch wirklich in den jeweiligen Gebäuden leben und sie gern haben.“

Ein Highlight sind dabei die Neubauten verschiedener Hochschulen, die in den letzten Jahren außerhalb des Stadtkerns entstanden sind. Dazu zählt auch eine der neuen Bauten der Technischen Universität im Stadtteil Dejvice. Dort ist zum Beispiel die Fakultät für Architektur untergebracht.

Haus der landwirtschaftlichen Aufklärung  (Foto: Tomáš Sysel)
Open House Prag gibt es seit nunmehr fünf Jahren. Ursprünglich kam die Idee aus London, 2014 wurde die Lizenz für einen Prager Ableger gesichert. Andrea Senkyrikova ist froh, dass das Festival mittlerweile so viel Unterstützung hat von Privateigentümern und der öffentlichen Hand:

„Seit vergangenen September fahre ich von Gebäude zu Gebäude und verhandle mit den Eigentümern. Klar gibt es immer wieder Ablehnungen. Aber ich bin um jedes Haus froh, das bei uns mitmacht, denn alle Gebäude haben ihren besonderen Wert und ihre interessante Geschichte. Deshalb gebe ich auch wahnsinnig ungern einen Tipp ab, wo man auf jeden Fall hingehen sollte.“

Top-Thema Klimaschutz

Visionary-Gebäude  (Foto: Archiv des Visionary-Gebäudes)
In diesem Jahr hat sich das Open-House-Festival zwei Themen gestellt. Eines davon ist derzeit aktueller denn je: Es geht ums Klima. Und wie macht sich das dann bemerkbar?

„Wir haben einige Niedrigenergiehäuser im Programm. Ganz besonders will ich da das sogenannte Visionary-Gebäude in Prag-Holesovice hervorheben, es hat unlängst das Well-Zertifikat für ökologisches Bauen bekommen. Das Haus ist das erste mit diesem Siegel in Tschechien und das 20. weltweit. Aus gutem Grund sind die Eigentümer sehr stolz auf ihren Bau. Insgesamt öffnen wir am Festival-Wochenende 13 umweltfreundliche Häuser, darunter das Einkaufszentrum Quadrio im Stadtzentrum, das Dock-in-Two im Stadtteil Liben oder in Michle das Greenline-Gebäude“, so Andrea Senkyrikova.

Doch es gibt noch mehr in Richtung Architektur. Ein Programmpunkt zielt dabei auf die kleinen Gäste des Festivals, soll aber auch die Großen ansprechen. Besucher können nämlich mit überdimensionierten Lego-Bausteinen ihr eigenes architektonisches Geschick unter Beweis stellen.

Städtischen Leerstand wiederbeleben

Palais Desfours  (Foto: Tomáš Sysel)
Das andere Hauptthema des diesjährigen Festivals sind Gebäude der Stadt. Anders als in den Vorjahren steht auch eine Rekordzahl von ihnen offen. Laut den Organisatoren ist das das Ergebnis einer besseren Kommunikation zwischen Festivalleitung, Stadtverwaltung, aber auch dem Staat. Festivalleiterin Andrea Senkyrikova sagte dazu bei der Pressekonferenz zum Programm:

„In der Vergangenheit ist es uns nicht gelungen, die Stadt für unsere Veranstaltung zu gewinnen. In diesem Jahr ist die Zusammenarbeit aber außergewöhnlich gut. Der Magistrat hat uns das Pagenhaus unter der Prager Burg, das Palais Derfours und weitere Verwaltungsgebäude zur Verfügung gestellt. Die Bauten stehen alle leer, womit wir eine Diskussion über ihre zukünftige Nutzung anstoßen wollen.“

Jan Chabr  (Foto: Archiv des Magistrats der Haupstadt Prag)
Warum der Magistrat bestimmte Gebäude seinen Bürgern zugänglich machen will, erläutert Jan Chabr. Er ist Stadtrat und zuständig für die Immobilienverwaltung:

„Als neue Stadtverwaltung haben wir dem Festival sehr gerne unsere Unterstützung ausgesprochen. Damit wird die Verwendung von leerstehenden Immobilien zu einem wichtigen Thema. Es geht dabei einerseits um die kommerzielle Verwendung stadteigener Gebäude, mit denen der Erhalt anderer Kulturdenkmäler finanziert wird. Anderseits können wir Beispiele vorweisen, wie die Räume gemeinnützig verwendet werden können. Ich möchte da auf das neue Prager Kreativzentrum unweit des Altstädter Rings verweisen oder auf den Campus Hybernská in unseren Gebäuden in der Hybernská-Straße in der Stadtmitte.“

Als besondere Problemimmobilie gilt gerade das Stadion Strahov. Seit gut 15 Jahren steht es praktisch leer, nur die Fußballer von Sparta Prag trainieren auf den Grünflächen im Inneren des Monumentalbaus. Die Zukunft des Areals bereitet den Stadtvätern und -müttern regelmäßig Kopfschmerzen:

„Die Konstruktion des Stadions ist ohne Frage sehr spezifisch und wunderschön. Gleichzeitig ist sie aus heutiger Sicht für eine gewerbliche oder gemeinnützige Verwendung vollkommen unbrauchbar. Derzeit arbeitet der Magistrat gemeinsam mit dem sechsten Prager Stadtbezirk an einer Studie zur Zukunft des ganzen Areals. Dabei wollen wir einerseits den Erhalt der kunsthistorisch wertvollen Tribünen berücksichtigen, anderseits dem Rest des Stadions eine neue Funktion geben. Es hat jedoch keinen Sinn, den Bau in seine Einzelteile zu zerlegen. Vielmehr muss es ein Konzept für das ganze Areal und sogar für die gesamte Anhöhe geben, auf der die Sportstätte steht.“