Alte Meister in neuem Gewand

Albrecht Dürer: Das Rosenkranzfest (Foto: Archiv der Nationalgalerie in Prag)
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Die bedeutendsten Werke Alter Meister aus der Prager Nationalgalerie sind seit vergangenem Mittwoch im Palais Schwarzenberg auf der Prager Burg zu sehen. Kurator der neuen Dauerausstellung ist der Leiter der Sammlung der alten Kunst, Marius Winzeler. Martina Schneibergová hat mit ihm über die Schau gesprochen.

Foto: Martina Schneibergová

Gedicht , Was Gott? Mensch?‘  (Foto: Martina Schneibergová)
Herr Winzeler, wie ist das Konzept der neuen Dauerausstellung, die im Palais Schwarzenberg gezeigt wird?

„Es resultiert daraus, dass wir die Bestände der bisher getrennten tschechischen und sogenannten europäischen Kunst hier verstärkt zusammenführen wollten. Dabei wollten wir vor allem die Architektur des Schwarzenberg-Palais berücksichtigen. Das heißt, wir versuchen in jedem Raum eine eigene Atmosphäre zu schaffen und diese auch mit den entsprechenden Kunstwerken zu unterstreichen. Die Konzeption geht von einer Auswahl von knapp 300 Meisterwerken der Sammlung Alter Meister aus. Dazwischen befinden sich auch einige Leihgaben aus privaten Sammlungen oder anderen Museen. Die Ausstellung gliedert sich im Großen und Ganzen in drei Kapitel. Das erste Kapitel im zweiten Stock ist mit dem lakonischen Begriff ,Renaissance und Manierismus‘ beschrieben, das zweite Kapitel ,Barock und Rokoko‘. Im Erdgeschoss geht es darum, Werke unterschiedlicher Art in einen starken thematischen Zusammenhang zu setzen. Im Mittelpunkt steht da ein Gedicht des böhmischen Jesuiten Friedrich Bridel, das als Motto dient. Auf Deutsch trägt es den Titel ,Was Gott? Mensch?‘, wobei es um das Verhältnis und die Spannung zwischen dem Menschen als Individuum in seinem Verhältnis zu einer übergeordneten Macht geht – etwas, was für die Zeit der Renaissance und des Barocks zentral war.“

El Greco: Der betende Christus  (Foto: Štěpán Havlíček)
Kommen wir noch einmal ausführlicher auf die verschiedenen Ausstellungssäle zurück. Im zweiten Stock beginnt es mit dem Thema „Renaissance und Manierismus“. Da sind auch einige Gemälde zu sehen, die die Leute von früher aus der Nationalgalerie gut kennen. Durch welche weiteren Werke wurden diese ergänzt?

„Der erste große Saal, der Saal der Renaissance, eröffnet ein weites Panorama. Das beginnt mit einem Venezianischen Altar, an dem Antonio Vivarini aus Murano zusammen mit seinem Schwager Giovanni d‘Alemagna, der aus dem deutschsprachigen Raum gekommen ist, zusammenarbeitete. Und dieses Thema, diese Zusammenarbeit und dieser Diskurs sind auch für alle anderen Werke in diesem Raum wichtig. Das setzt sich fort beim berühmten Rosenkranzaltar von Albrecht Dürer, einem der Hauptwerke der Prager Kunstsammlung. Ebenso ist es beim ,St.-Lukas-Altar‘ von Jan Gossaerts, der lange Zeit in der St.-Veitskathedrale als Hochaltar diente. Es ist ein Meisterwerk der niederländischen Kunst, in dem der Künstler, der längere Zeit in Italien lebte, zeigte, was er dort gesehen und gelernt hatte, was ihn inspirierte. Dazu sehen wir im zweiten Stock ein Hauptwerk von El Greco, und zwar ,Den betenden Christus‘. Es ist ein ganz verinnerlichtes Bild. Dieses fußt zum einen auf der Ikonentradition, zum anderen auf der Inspiration der Venezianischen Malerei und dann der spanischen Kunst. Und daneben hängt ,Die Auferstehung‘ von Bartholomäus Spranger, ein Epitaph, dass in Prag entstanden ist, nachdem Spranger aus Italien hierher gerufen worden ist.“

Albrecht Dürer: Das Rosenkranzfest  (Foto: Archiv der Nationalgalerie in Prag)
Albrecht Dürers Rosenkranzfest ist eines der bekanntesten Gemälde der Sammlung Alte Meister. Wie war der Weg des Bildes nach Prag?

„Das Rosenkranzfest wurde 1506 für Venedig gemalt, für die dortigen deutschsprachigen Kaufleute. Genau ein Jahrhundert später hat Kaiser Rudolf II. dieses Werk erworben, und seither befindet es sich in Prag. Also hat es eine besonders lange böhmische Geschichte und ist daher natürlich auch von besonderer Wichtigkeit für die ganze böhmische Kulturgeschichte. Es wurde erst in den 1930er Jahren vom tschechischen Staat gekauft, und seither gehört es zu den Hauptwerken unserer Galerie. In einem der nächsten Säle, mit einer wunderbar bemalten Decke, die dem Thema ,der Sturz des Phaeton‘ gewidmet ist, sehen wir in einer Kabinettinszenierung Werke von Lucas Cranach dem Älteren und Hans Holbein dem Älteren gegenüber. Dazu kommen Werke von Zeitgenossen, beispielsweise auch vom großen böhmischen Schüler Lucas Cranachs, dem Meister IW. Zum ersten Mal sind jetzt auch die Flügel des sogenannten Hohenberg-Altars von Hans Holbein dem Älteren in einem neuen Licht zu sehen und auch frisch restauriert. Dafür sind wir sehr dankbar. Sie sind Meisterwerke der Grisaille-Technik, das heißt, sie sind auf der einen Seite vollständig in Grau gemalt, in Grau modelliert und Hans Holbein wollte damit illusionistisch ein Relief zeigen und die Realität damit sogar auch noch übertreffen. In dieser restaurierten Art kann man diese Meisterwerke der Frührenaissance süddeutscher Prägung bei uns bewundern. Der nächste Raum ist dem Einfluss der Antike gewidmet. Eine weitere Gruppe von Räumen setzt sich dann mit der manieristischen Kunst auseinander, also der Hofkunst Rudolfs II. und seines Umfeldes.“

Petr Brandl: Simeon mit dem Jesuskind  (Foto: Štěpán Havlíček)
Gehen wir weiter zur Barockkunst im Stockwerk darunter. Wurde dieser Saal umgestaltet, um stärker an die Zeit des Barock zu erinnern?

„Ja, der größte Saal dieses Palastes, der Vorsaal im ersten Stock, wurde vom Atelier Josef Pleskot in eine barocke Bildergalerie verwandelt. Insofern ist die Renaissancearchitektur Ausgangspunkt für eine neue Ausstellungsarchitektur. Diese ist in diesen Raum hineingefaltet und bringt etwas von der Dynamik der besonderen böhmischen Barockarchitektur in diesen Palast. Dazu ermöglicht dieser neugeschaffene Galerieraum die Präsentation von großformatigen Altarbildern und Bildern aus verschiedenen Zusammenhängen, wo europäische und böhmische Kunst in einem weiten Kontext zu sehen sind.“

Wie wurde die ehemalige Kapelle des Palastes neu gestaltet?

„Die ehemalige Kapelle mit ihrer Ausmalung aus dem Rokoko ist jetzt in einen Raum verwandelt, wo der Besucher sehr überraschend mit einer Monumentalfigur des liegenden Gekreuzigten, einem Hauptwerk von Matthias Bernhard Braun, konfrontiert ist. Diese Figur irritiert, denn man sieht Gekreuzigte normalerweise nicht liegend. Dazu sieht man einerseits, wie fantastisch die Arbeit geschaffen ist, wie expressiv Braun es jedoch auch verstand, nicht nur den Körper zu zeichnen, sondern auch in diesem Gewand geradezu eine kubistische Landschaft zu entwickeln. Aber viel mehr ist natürlich auch der Gesamtausdruck dieses Sterbenden, dieses Toten und gleichzeitig Lebenden hier akzentuiert. Gegenüber reflektiert das Bild von Petr Brandl mit Simeon dieses Thema, der das Jesuskind in seinen Armen hält und dabei realisiert, dass es der Messias ist. Er sieht den Erlöser und kann getrost sterben. Das Thema Leben und Tod, das in der Barockzeit stärker wirkt als in anderen Epochen, wird in diesem Raum in den Mittelpunkt gerückt. Auf der Wand gegenüber sind in dichter Reihung wie in einer barocken Bildergalerie einzelne Portraits versammelt. Dort befinden sich Werke mitteleuropäischer, italienischer und französischer Künstler, die dort auf künstlerische Art den repräsentativen Anspruch des Menschen zeigen, wie er über seinen Tod ein Zeugnis schaffen lässt. Diese Lebenden, die aus heutiger Sicht jedoch schon längst verstorben sind, stehen dem monumentalen Gekreuzigten gegenüber, ebenso wie dem Simeon mit dem Jesuskind als Bild der Hoffnung oder des neuen Lebens. Darum ging es in dieser Inszenierung, in dieser neuen Adaption. Wir wollten die Alten Meister aus ihrer schulischen Schubladisierung heraus lösen und Kontexte aufzeigen, um auch das Sehen zu schärfen. Wir möchten, dass die Besucher angeregt sind nachzudenken, sich aber auch zu freuen. Es ist auf keinen Fall eine Ausstellung, die belehren möchte, sondern sie möchte anleiten, genauer hinzuschauen.“

Blick auf den Hradschiner Platz  (Foto: Martina Schneibergová)
Es ist aber nicht der einzige Saal, der in diesem Palais früher als Kapelle gedient hat, nicht wahr?

„Ja es gibt auch im zweiten Stock eine ehemalige Kapelle. Dieser Raum ist jetzt dem Thema ,Zwischen Traum und Wirklichkeit‘ gewidmet. Dort ist eine Auswahl von Kabinett- und Landschaftsmalerei des frühen 17. Jahrhunderts zu sehen: mit biblischen und mythologischen Themen, wo auch diese übergreifende Symbolik ein eigenes Thema darstellt. Und dies im Verhältnis auch zur Entdeckung der Welt in dieser Zeit der späten Renaissance, der Wahrnehmung der Natur, der Erforschung.“

Wie kamen Sie auf die Idee die Mariensäule, die draußen auf dem Hradschiner Platz steht, in die Ausstellung miteinzubeziehen?

„Auf die Idee kam ich mit den Architekten, weil das Palais Schwarzenberg eine herausragende Position in der Topographie Prags hat. Von jedem Fenster blickt man mit wunderbarem Blick auf die Stadt, in unterschiedlicher Weise. Und das versuchen wir hier auch zu akzentuieren. Das sind auch Bilder die für sich stehen dürfen, die den Besucher auch interessieren dürfen. Deswegen haben wir so viele Fenster wie möglich geöffnet. An einer Stelle haben wir das etwas stärker akzentuiert. Die Mariensäule von Ferdinand Brokoff auf dem Hradschiner Platz ist ein herausragendes Denkmal des Barock und ein Symbol dafür, dass Barock auf keinen Fall innerhalb architektonischer Rahmen haltmachte, sondern in die Welt hinausging, die ganze Landschaft verwandelt und die Stadträume neu gestaltet hat. So haben wir mittels eines visuellen Tricks dieses Exponat sozusagen ins Innere geholt.“

Die Ausstellung Alte Meister ist im Schwarzenberg-Palais täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Am Mittwoch ist die Galerie bis 20 Uhr geöffnet.