Probleme und Finessen der Prager Toilettenlandschaft

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Jeder kennt es - das Bedürfnis, das dringend bis hin zu zwingend werden kann: Auf die Toilette zu gehen. Wenn man das stille Örtchen direkt vor der Nase hat, ist das ja nicht weiter der Rede wert. Doch unterwegs kann sich der Drang zu einer regelrechten Qual entwickeln. Nicht selten muss man nach einer öffentlichen Toilette lange suchen, und wenn man sie findet, ist der Fund oft nicht gerade einladend: Unfreundliches Personal, fehlendes Toilettenpapier, unsaubere, unangenehm riechende Kabinen. Wie die Situation in Prag rund um die öffentlichen Toiletten bestellt ist, das erforschte Sara Bartholome für den nun folgenden Schauplatz:

Die ersten öffentlichen Toiletten in Prag gab es ab 1835. Ein paar Jahre später wurden diese unter freiem Himmel gelegenen, so genannten Abstandswinkel, von freistehenden kleinen Häuschen abgelöst. Von diesen ist keines erhalten geblieben, doch auf dem Kohlenmarkt, dem Uhelný trh, ist noch heute eine sanitäre Anlage zu finden, deren Außenbereich aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt. Der Großteil der öffentlichen Toiletten, die überwiegend an den Metro-Stationen gelegen sind, kann mit einem solchen Charme aber nicht beeindrucken. Und je weiter sie vom Stadtzentrum entfernt sind, desto schlechter ist ihr Zustand. Aber auch mit der Lage der öffentlichen WCs in der Innenstadt sind einige Besucher und Einheimische reichlich unzufrieden:

"Wir waren auf Toiletten in Cafés und Bars, und diese waren viel besser als die öffentlichen. Ich würde die Metro-Toiletten nicht benutzen. Sie machen einen dreckigen Eindruck."

"Das Niveau ist sehr schlecht. Es gibt auch nicht genügend Toiletten. Das muss sich verbessern."

"Ich kann Prag mit anderen Städten in Europa vergleichen. Ich denke, dass es schon ein Problem ist, aber es ist auch normal, dass die Toiletten nicht so sauber und gut sind."

Diese missmutig gestimmten Passanten behelfen sich mit dem Gang in eine Gaststätte oder in eine der Mc Donalds-Filialen, wenn die Verrichtung der Notdurft unaufhaltsam wird. Andrerseits gibt es aber auch Leute, die mit dem Zustand der öffentlichen Toiletten, für deren Benutzung man zwischen drei und sieben Kronen bezahlt, relativ zufrieden sind:

"Sie sind in Ordnung. Ich bin schon viel gereist und oft gab es überhaupt keine öffentlichen Toiletten. Also ist es gut, dass welche da sind. Wenn ich gehen muss, gehe ich auf die öffentlichen Toiletten. Das macht mir nichts aus."

"Ich bin auf einer öffentlichen Toilette im Franziskaner-Garten gewesen, und die war sehr nett. Es war sauber und es gab alles was man braucht - Seife und Papier. Es sah sehr hygienisch aus. Ich habe einen guten Eindruck von dort."

"Es kommt darauf an, in welchem Teil von Prag die Toilette ist, und wie viel es kostet. Ich finde sie okay, für mich ist es wirklich kein Problem. Denn meistens sind sie sauber, kosten um die drei Kronen, und ich denke, die Leute geben Acht auf eine gute Qualität."

Die Sichtweise der Besucher ist die eine Seite der Medaille. Doch auf der anderen Seite der Toilettenkasse sitzt - mit einer ganz anderen Perspektive- auch ein Mensch, das Personal. Eine Angestellte der öffentlichen Toilette im Franziskanergarten gab einen Einblick in ihren Arbeitsalltag und beschreibt das Verhalten der Benutzer:

"Arroganz, auf jeden Fall Arroganz, zu 80 Prozent. Es kommt mir so vor, als ob etwa die Deutschen in der Welt einen auf Etepetete machen, und am Ende laufen sie wegen sieben Kronen davon wie kleine Kinder - das ist traurig. Und das macht mich fuchsteufelswild. Nur kann ich mit ihnen logischerweise schlecht herumstreiten oder mich gar mit ihnen 'prügeln'. Meine Aufgabe ist es, hier alles sauber zu halten und dafür das bisschen Geld einzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Also bemühe ich mich."

Und noch von einer dritten Seite ist das Thema der öffentlichen Toiletten zu beleuchten, nämlich von der verwaltungsrechtlichen. Martin Salek, der Pressesprecher des Stadtbezirks Prag 6, der einen Teil des Prager Burgviertels und das dahinter liegende Gebiet umfasst, berichtet:

"Die Verwaltungssituation bei den Toiletten ist die gleiche wie die bei Straßenbahnstationen oder Citylight-Vitrinen: Sie gehören zum städtischen Mobiliar. Über dieses Mobiliar hat die Stadt Prag einen Vertrag mit einer französischen Firma. Die einzelnen Stadtbezirke haben ihre Vorhaben bezüglich der Toiletten natürlich nur mit Einverständnis der Stadt Prag zu entscheiden. Und verständlicherweise auch mit der Zustimmung des Denkmalschutzes. Also hat die Stadt Prag die Hauptverantwortung für die öffentlichen Toiletten, und dies immer in Absprache mit der Firma."

Die Firma, von der Martin Salek spricht, ist das französische Unternehmen JC Decaux, das sich international auf Außenwerbung und Stadtmöblierung spezialisiert hat. Und Salek selbst - wie schätzt er die Situation der stillen Örtchen ein?

"Prag könnte einen größeren Komfort und eine größere Anzahl von öffentlichen Toiletten in Touristengebieten bereitstellen. Was Prag 6 betrifft, so haben wir bezüglich der Anzahl der öffentlichen Toiletten eine katastrophale Situation. Aus diesem Grund gibt es ein Projekt, das die Lage verbessern, also Toiletten neu gestalten und platzieren soll. Da das Projekt noch läuft, kann ich aber nicht sagen, wie viele Toiletten an den touristischen Plätzen von Prag 6 in Betrieb sein werden, wie sie aussehen werden und so weiter."

Auch in den Prager Medien ist in letzter Zeit verstärkt der Blick auf die öffentlichen Toiletten gerichtet worden. So meinte beispielsweise auch Milos Gregar, Mitglied des Stadtrates, gegenüber der Nachrichtenagentur CTK, es gäbe zu wenig öffentliche Toiletten in Prag. Und auch deren Qualität habe sich in den letzten vier Jahren nicht verbessert, weil die finanziellen Mittel dafür fehlen, so Milos Gregar. Auch in der Tageszeitung Lidove Noviny wurde das Thema aufgegriffen. Sie weist drauf hin, dass es nicht nur in Prag, sondern in der gesamten Tschechischen Republik einen Mangel an öffentlichen Toiletten gibt.

Doch Erfreuliches gibt es von den öffentlichen Toiletten ebenso zu berichten, denn neben den vielen unspektakulären stillen Örtchen der Metro-Stationen sind in der Toilettenlandschaft Prags auch Highlights zu finden: So stehen den vom drückenden Bedürfnis geplagten Passanten einige sich selbst reinigende vollautomatische Klosetts zur Verfügung, von denen beispielsweise eines am Karlovo námestí, dem Karlsplatz steht. Ein weiterer Höhepunkt sind die Toiletten des Kunstgewerbemuseums, deren Fenster einen Blick auf die alten Grabstätten des jüdischen Friedhofs bieten. Dieser Blick hat sich übrigens schon zu einer regelrechten Touristenattraktion entwickelt. Sie sehen also: der Besuch der öffentlichen Toiletten in Prag kann mitunter auch erlebnisreich sein.