Lässt sich Zeman zügeln? Erstes Koordinierungstreffen zur Außenpolitik

Staatspräsident Miloš Zeman (Foto: ČTK)

Staatspräsident Zeman ist irgendwie nicht auszurechnen. Mehrere Male hat er sich in den zurückliegenden Monaten verbal aus dem Fenster gelehnt und geriet dann ins Kreuzfeuer der Kritik. Nicht selten betrafen seine Äußerungen die tschechische Außenpolitik. Deswegen hat Premier Sobotka erstmals ein Treffen initiiert, bei dem die wichtigsten außenpolitischen Akteure im Land zusammenkamen.

Staatspräsident Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Zur letzten verbalen Auseinandersetzung kam es Ende Januar. Staatspräsident Miloš Zeman hielt bei einer Konferenz zum Gedenken an den Holocaust in Prag eine Rede. Dabei verglich er den „Islamischen Staat“ mit Hitler-Deutschland und rief den Westen zu einer militärischen Intervention gegen die Terrormiliz auf:

„Wenn wir einen Super-Holocaust verhindern wollen und einen Massenmord, dann brauchen wir eine konzertierte Militäraktion, die auf internationaler Ebene geführt werden muss.“

Dieser Alleingang Zemans in der Frage des Kampfes gegen den IS ließ bei Außenminister Lubomír Zaorálek die Alarmglocken schellen. In einem Interview für das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen widersprach der Sozialdemokrat dem Staatsoberhaupt vehement.

Martin Stropnický,  Milan Štech,  Miloš Zeman,  Bohuslav Sobotka,  Jan Hamáček und Lubomír Zaorálek  (Foto: ČTK)
„Eine alleinige militärische Lösung hat im Kampf gegen den Terrorismus keine Chance auf einen Erfolg. Die Vorstellung, dass wir einfach eine Armee zusammenstellen und irgendwo einmarschieren, ist meiner Meinung nach völliger Unsinn“, so Zaorálek.

Doch Zeman verteidigte nicht nur seine Ansicht, sondern setzte noch einen drauf. Über seinen Sprecher ließ er ausrichten:

„Die empörten Worte von Herrn Außenminister Zaorálek erinnern an die Appeasement-Politik der 1930er Jahre. Das ist dasselbe wie zu behaupten, die Deutschen hätten alleine mit Hitler fertig werden sollen.“.

Präsident Zeman kritisiert „Appeasement-Politik“

Dies wiederum brachte Premier Bohuslav Sobotka auf. Weder die internationale Gemeinschaft noch Tschechien betrieben eine Appeasement-Politik, insistierte der Regierungschef bei einer Fernseh-Talkshow:

Premier Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
„Ich möchte daran erinnern, dass die Verbündeten bereits seit mehreren Monaten im Irak und in Syrien Luftschläge fliegen. Und ich möchte daran erinnern, dass die Tschechische Republik zu jenen Ländern gehört, die als erstes Waffen an den Irak und an die kurdischen Kämpfer geliefert haben. Wir schenken zudem im Vergleich zu anderen eine der größten Waffenlieferungen. Ich denke, dass unsere Munition den kurdischen Kämpfern geholfen hat, in die Offensive gehen zu können.“

Aber nicht nur das Vorgehen gegen den IS wird unterschiedlich bewertet auf der Prager Burg und in der Regierungskanzlei. Differenzen bestehen auch in der Sicht auf Russland im Ukraine-Konflikt. Während die Mitte-Links-Koalition von einer Einmischung von Seiten Moskaus spricht, hält Zeman dies nicht für erwiesen. Das Staatsoberhaupt bezeichnet die Auseinandersetzungen im Donbass zudem als Bürgerkrieg. Und die Sanktionen der EU gegen Russland würde Zeman am liebsten möglichst schnell wieder abschaffen.

Die Bruchstellen zwischen Zeman und dem Kabinett lassen sich auch noch weiter zurückverfolgen. Der Staatspräsident hat bei seinen Reisen nach Asien im vergangenen Jahr dezidiert eine Außenhandelsdiplomatie betrieben, die jegliche Anmahnung von Menschenrechten ausklammerte - ob in Tadschikistan, Aserbaidschan oder in China. Zwar setzt sich auch die jetzige Regierung nicht so für die Menschenrechte ein, wie dies teils frühere Regierungen in Prag taten. Aber sich undemokratischen Potentaten anzubiedern, das liegt ihr dennoch fern.

Dreimal im Jahr gemeinsame Treffen

Außenminister Lubomír Zaorálek  (Foto: Filip Jandourek)
In jedem Fall stellen sich Beobachter die Frage: Wer bestimmt denn nun die Außenpolitik hierzulande? Die tschechische Verfassung ist in dieser Hinsicht vage. Der Präsident zählt dort ebenfalls zur Exekutive. Zudem heißt es dort, auch dieser vertrete den Staat nach außen. Daher hat sich eingebürgert, dass das Staatsoberhaupt ab und zu anstatt eines Regierungsvertreters beispielsweise zu Uno-Sitzungen fährt. In solchen Fällen gab es durchaus vorab Konsultationen.

Doch in der vergangenen Woche kam es zu einem Novum. Erstmals trafen sich gleich alle wichtigen Gestalter der tschechischen Außenpolitik. Premier Sobotka, Außenminister Zaorálek, Verteidigungsminister Martin Stropnický sowie die Vorsitzenden beider Parlamentskammern wurden von Zeman an dessen Amtssitz auf der Prager Burg empfangen. Über zwei Stunden wurden Meinungen und Positionen ausgetauscht. Als es schon längst dunkel geworden war, traten drei der Beteiligten vor die Presse. Unter ihnen Premier Sobotka.

„Es ist wichtig, dass die Vertreter unseres Landes einheitlich auftreten und unsere Außenpolitik verständlich formulieren für unsere Partner und Verbündeten. Ich halte es immer für besser, wenn man sich gemeinsam an den Tisch setzt und miteinander redet, als sich mittels der Medien Dinge an den Kopf zu werfen. Ich hoffe, dass wir heute das Fundament gelegt haben für ein neues Format zur Koordinierung der tschechischen Außenpolitik. Wenn Argumente am Tisch ausgetauscht werden und dabei ein guter Wille zu spüren ist, dann hilft das immer, um die Standpunkte anzunähern. Wir wollen uns daher mindestens dreimal im Jahr in diesem Format treffen“, sagte der Premier.

Ukraine  (Foto: ČTK)
Alle Beteiligten gaben sogar ein gemeinsames Kommuniqué heraus. Dort zu lesen sind viele allgemeine Aussagen zum Kampf gegen den islamistischen Terror und den Konflikt in der Ukraine. Zur unterschiedlichen Einschätzung des russischen Verhaltens steht dort jedoch zum Beispiel nichts geschrieben.

Journalisten bedrängten daher Sobotka, Zaorálek und die anderen mit Fragen nach Konkreterem. Der Premier verwies aber nur auf eine mögliche indirekte Wirkung dieses und der geplanten weiteren Treffen:

„Ich denke, es ist gut, dass Präsident Zeman auch die Ansichten weiterer Vertreter des Staates hören konnte. Vielleicht kann dies in letzter Konsequenz auch seine Art des Auftretens beeinflussen.“

Obwohl das Ergebnis also vage ist, kam selbst von der Opposition ein gewisses Lob. Jiří Pospíšil ist Europaabgeordneter, der Bürgerdemokrat erinnerte daran, dass es auch schon früher Probleme mit unterschiedlichen außenpolitischen Ansichten von Regierungspolitikern und dem jeweiligen Präsidenten gegeben habe:

Jiří Pospíšil  (Foto: Filip Jandourek)
„Es wäre hervorragend, wenn die tschechische Außenpolitik mit einer Stimme sprechen würde und wenn – aus meiner Sicht – Präsident Zeman weniger prorussisch auftreten, nicht das Regime in China loben und keine anderen Äußerungen von sich geben würde, die aus meiner Sicht dem Bild der Tschechischen Republik schaden. Aber das wird sich zeigen, es war erst das erste Treffen. Als Oppositionspolitiker begrüße ich, dass sich Premier, Außenminister und Präsident getroffen haben. Denn eine unterschiedliche Außenpolitik von Regierung und Staatsoberhaupt ist im Grunde seit 20 Jahren eine Unsitte hierzulande. Persönlich bin ich aber etwas skeptisch, ob Präsident Zeman wirklich seine prorussischen Äußerungen mäßigen wird.“

Die Opposition ist skeptisch

Tatsächlich kam es schon einen Tag nach dem Treffen zu einem weiteren Alleingang Zemans. Bei einem Besuch im Kreis Pardubice verkündete das Staatsoberhaupt, dass das in einer ostböhmischen Kaserne stationierte Feldlazarett abgezogen würde und in Jordanien zur Behandlung von Flüchtlingen aus Syrien eingesetzt werden solle.

Staatspräsident Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Doch im Generalstab der Armee war man erstaunt. Herauskam dann, dass Miloš Zeman wohl etwas falsch verstanden haben musste – und seine Ankündigung voreilig war. Denn zunächst muss Jordanien offiziell um das Feldlazarett anfragen. Der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses, Jan Hamáček, erläuterte dies gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Wir müssen diese Sache erst einmal über diplomatische Kanäle mit Jordanien konsultieren. Sollte das Land wirklich Interesse an solch einer Form der Hilfe haben, dann kann Tschechien dies über ein Mandat durch das Abgeordnetenhaus veranlassen.“

Es war also eher ein Missverständnis. Aber noch im Lauf der ersten Jahreshälfte dürfte die Kooperation in der Außenpolitik auf die Probe gestellt werden. Denn im Mai fahren Außenminister Zaorálek und Präsident Zeman gemeinsam nach Riga zum Treffen der Östlichen Partnerschaft der EU. Dort geht es unter anderem auch um die Beziehungen von heute unabhängigen Staaten aus dem früheren Sowjetreich zu Russland.