Kurz vor Weihnachten haben Sozialdemokraten (ČSSD), Christdemokraten (KDU-ČSL) und die ANO-Partei ihren Streit um die Besetzung der Ministerposten in der geplanten Regierungskoalition beigelegt. Fast sah es so aus, als könnte die Koalition an dieser Frage scheitern. Unser Interviewpartner im Politgespräch ist heute der christdemokratische Abgeordnete und mögliche künftige Kulturminister Daniel Herman. Im Gespräch mit Radio Prag spricht er unter anderem über die Prioritäten der Christdemokraten in der Regierungskoalition, seine persönlichen Prioritäten als Kulturminister und die Zukunft des Instituts für das Studium totalitärer Regime.
Daniel Herman (Foto: ČTK)
Herr Herman, die Koalitionsverhandlungen hingen in diesen Tagen am seidenen
Faden, weil Ihre Partei den Posten des Landwirtschaftsministers zur
Bedingung für ihre Regierungsbeteiligung gemacht hatte. Warum ist dieses
Ministerium so wichtig für die Christdemokraten?
„Das Landwirtschaftsministerium gehört schon aus historischen Gründen zu den Prioritäten der Christdemokraten: Schon vor dem Zweiten Weltkrieg haben viele Wähler der Christdemokraten auf dem Land gelebt. Und jetzt, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes ist das wieder so. Vor allem in Mähren oder in Ostböhmen leben viele Wähler der Christdemokraten auf dem Land, und nicht in den Städten. Und für uns ist das Ministerium natürlich wichtig, weil wir für diese Leute etwas Konkretes tun wollen.“
Foto: Archiv Radio Prag
Was meinen Sie damit – etwas Konkretes tun?
„Zum Beispiel im Bereich der EU-Förderung: Die Bauern brauchen dieselben Rechte wie die Bauern in den alt-europäischen Ländern. Das ist bis jetzt nicht sehr gut balanciert. Das gehört zu unseren Prioritäten. Weiter brauchen die kleineren Bauern dieselben Rechte wie die Großfirmen. Und wir haben Angst, dass einige heutige Politiker sich mehr auf die Interessen der Großfirmen konzentrieren und nicht auf die der kleineren und mittleren Bauern.“
Manche Sozialdemokraten meinten, es gehe Ihnen beim Landwirtschaftsministerium auch darum, den Prozess der Kirchenrestitution besser kontrollieren zu können...
Foto: Archiv Radio Prag
„Das halte ich für reinen Populismus. Die Frage der so genannten
Kirchenrestitution ist für uns erledigt. Es gibt einen Vertrag zwischen
sechzehn Kirchen und Religionsgemeinschaften und dem Staat. Das ist alles
auch vom Gericht bestätig worden. Für uns ist diese Frage erledigt. Für
die Sozialdemokraten war es ein Thema vor den Wahlen. Ich finde das eher
populistisch als ein Thema für eine echte Diskussion. Auf der anderen
Seite gibt es eine Kommission aus den Sozialdemokraten und der ANO-Partei
auf der einen und den Kirchen und Religionsgemeinschaften auf der anderen
Seite. Sie sprechen über Möglichkeiten, an dem Gesetz etwas zu ändern.
Aber für die KDU-ČSL ist es erledigt und kein Thema mehr.“
Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks
Welche anderen Prioritäten außer dem Landwirtschaftsressort haben die
Christdemokraten?
„Uns geht es vor allem um Werte, um die europäischen Werte. Und das ist uns gelungen. Wir schützen zum Beispiel das Leben von Anfang an bis zum natürlichen Tod, also keine Euthanasie. Und auch in der Steuerfrage sind unsere Vorstellungen von unseren Partnern berücksichtigt worden, und das ist für uns natürlich wichtig.“
Die KDU-ČSL war eine Legislaturperiode lang nicht im Parlament vertreten. Was versprechen Sie sich von einer Regierungsbeteiligung?
„Ich korrigiere Ihre Frage ein wenig: Die KDU-ČSL war im Parlament –
zwar nicht im Abgeordnetenhaus, aber im Senat. Natürlich ist die
Regierungsbeteiligung für uns eine große Chance und eine große
Möglichkeit, wieder reale Politik zu machen. Natürlich ist es auch eine
große Verantwortung. Ich persönlich habe 30 Tausend Stimmen in Prag
bekommen, was für christdemokratische Verhältnisse eine gute Zahl ist.
Für mich ist Politik vor allem Dienst an den Menschen. Wir müssen für
die Kultivierung des Alltagslebens in der Tschechischen Republik das
machen, was möglich ist. Das finde ich sehr wichtig. Denn der Name unseres
Landes steht im Ausland nicht ganz optimal da, und das ist auch unsere
Aufgabe, diesen Namen etwas zu verbessern.“
Sie sind als künftiger Kultusminister im Gespräch – was wären Ihre
Prioritäten auf diesem Posten?
„Es gibt viele Denkmäler in der Tschechischen Republik, die nicht im besten Zustand sind. Das finde ich sehr wichtig. Weiter: Lebendige Kultur, wie etwa die Theaterszene zu fördern. Ich halte Kultur für grundlegend für das Niveau unserer Gesellschaft. Sie soll nicht am Rande des Interesses oder des Lebens stehen, sondern im Zentrum. Nach vierzig Jahren kommunistischen Regimes war die Kultur des Lebens sehr schwer beschädigt und muss erneuert werden. Dasselbe finden wir zum Beispiel in Deutschland in den neuen Bundesländern vor. Die böhmische Kultur hat tiefe Wurzeln, eine hundertjährige Tradition. Und ich glaube, eine Wiederbelebung dieser Kultur kann auch heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, das Leben unserer Gesellschaft bereichern. Unsere eigene kulturelle Identität ist die mitteleuropäische Identität – das Zusammenleben mit Österreich im Rahmen der K&K-Monarchie. Das heißt auch mit unseren westlichen Partnern, mit Bayern und Sachsen, und auch mit Polen und der Slowakei. Das alles finde ich sehr wichtig. Und diese Identität gehört, finde ich, zum Familiensilber.“
Institut für das Studium totalitärer Regime (ÚSTR). Foto: Archiv ÚSTR
Die vielen Kulturminister der letzten Jahre haben immer wieder versucht,
mehr Geld für ihr Ressort zu bekommen....
„Natürlich, das steht auch im Koalitionsvertrag. Ein Prozent des Haushalts für die Kultur gehört heute zum gängigen Durchschnitt in Europa. In der Tschechischen Republik sind es heute etwa 0,8 Prozent, das reicht nicht. Das Geld ist sehr wichtig, das bildet den Rahmen, innerhalb dessen wir unsere Ziele realisieren können.“
Sie waren zuletzt Direktor des Instituts für das Studium totalitärer Regime (ÚSTR), einer Art tschechischer Birthler-Behörde. Wie sehen Sie die Zukunft des ÚSTR? Es gab ja Befürchtungen, dass eine sozialdemokratische Regierung das Institut auflösen könnte....
Gebäude des Instituts für das Studium totalitärer Regime (Foto: Dezidor, Wikimedia CC BY 3.0)
„Das glaube ich nicht. Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein
überpolitisches Thema. Natürlich war die Atmosphäre im ÚSTR zuletzt
stark politisiert, was sehr kontraproduktiv ist für die Tätigkeit des
Instituts. Aber die Aufarbeitung der Geschichte ist eine der Prioritäten,
die wissenschaftliche Arbeit muss über der Parteipolitik stehen. Die
Politisierung des Instituts finde ich sehr, sehr schlecht.“
War das ÚSTR ein Thema in den Koalitionsgesprächen?
„Nein, das Institut war kein Thema im Koalitionsvertrag oder in den Koalitionsgesprächen. Aber natürlich werden wir darüber mit unseren Partnern sprechen. Denn der Exekutivrat des Instituts muss neu gewählt werden, und das ist ein konkretes Thema für solche Gespräche.“
Sie sehen hier kein grundlegendes Konfliktpotenzial?
„Ich hoffe nicht, denn jeder weiß, dass eine Politisierung für die Arbeit eines solchen Instituts sehr kontraproduktiv ist.“