Verkehrsader in Nordostböhmen: 150 Jahre Bahnstrecke Liberec-Pardubice

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Anderthalb Jahrhunderte lang besteht bereits die Bahnlinie zwischen dem ostböhmischen Pardubice und der nordböhmischen Stadt Liberec. Heute ist sie eher eine Regionalbahn. Aber im 19. Jahrhundert hatte sie Ambitionen, Berlin und Wien miteinander zu verbinden. Auch an diese Zeiten wurde am ersten Maiwochenende bei der Jubiläumsfeier im ostböhmischen Jaroměř erinnert.

Die Bahnlinie zwischen Pardubice und Liberec / Reichenberg führt zum Teil durch das Isergebirge und das Böhmische Paradies. Beides sind beliebte Urlaubsziele in Tschechien. Was aus der Sicht eines Lokführers die attraktivsten Passagen der Bahnverbindung sind, schildert einer der Lokführer im Güterverkehr:

„Zu den schönsten Abschnitten gehören bestimmt die Tunnel zwischen Semily und Železný Brod. Schön ist auch, wenn man von Liberec nach Heřmanice fährt. Wenn man da mit einem Frachtzug bergauf fährt, lebt man sich geradezu in den Klang des Motors hinein. Man spürt, wie die Lokomotive auf Hochtouren läuft, obwohl man nur 30 Stundenkilometer fährt. Das ist für mich als Lokführer ein angenehmes Gefühl.“

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Bereits 150 Jahre lang haben Lokführer immer wieder diese Highlights der Bahnstrecke passiert. Einige Abschnitte bestehen allerdings über anderthalb Jahrhunderte. Der Teil zwischen Pardubice und Jaroměř / Josefstadt wurde schon am 4. November 1857 eröffnet. Jaromír Tauchman gehört der Společnost železniční výtopna Jaroměř (Gesellschaft Heizhaus Jaroměř) an, einem gemeinnützigen Verein zur Pflege alter Eisenbahntechnik.

„Ein weiterer Abschnitt wurde im Jahre 1858 eröffnet und führte von Jaroměř nach Horka u Staré Paky. Nach und nach folgten weitere Abschnitte, Probleme gab es jedoch bei der Bewilligung der Tunnel. Die endgültige Lizenz wurde daher erst Ende April 1859 ausgestellt. Damit war die Strecke amtlich zugelassen.“

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Am 1. Mai 1859 fand dann die feierliche Eröffnung der Strecke statt. Betreiber war die k.u.k. private Süd-Norddeutsche Verbindungsbahn. Die Pläne waren damals hochtrabend. Im Norden wollte man die Strecke von Liberec, damals Reichenberg, nach Seidenberg in Preußen und letztlich nach Berlin verlängern. Im Süden sollte Wien erreicht werden. Doch aus der Eisenbahn-Magistrale Berlin-Wien über Pardubice wurde nichts. Letztlich erhielt die Strecke über Prag und Brno / Brünn den Vorzug.

Ohnehin nimmt die Eisenbahn zwischen Pardubice und Liberec nicht den kürzesten Weg, sie verläuft viel mehr im Zickzack durch die Landschaft. Dazu Jaromír Tauchman:

Bahnhof in Hradec Králové  (Foto: Kristýna Maková)
„Die Bahnlinie musste über Hradec Králové und Jaroměř führen, denn dort waren Festungen. Und man konnte auch Turnov nicht auslassen, wo eine Militärgarnison war. Dabei hatte es zuvor auch andere Vorschläge gegeben. Letztlich bewilligte die k. u. k. Monarchie aus strategischen Gründen die Linie, wie sie heute ist.“

Obwohl der Verlauf der Bahnlinie von den damaligen Behörden bestimmt wurde, war der Betreiber eine private Bahngesellschaft, an der vor allem Unternehmer aus Liberec beteiligt waren. Und das hatte seine Gründe.

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„Es ging um die Beförderung von Kohle und von Gütern. Deswegen führt auch eine Zweigstrecke nach Svatoňovice, um Kohle aus den Bergwerken nach Liberec zu bringen. Zudem ging es um Holz aus dem Isergebirge. Das heißt, der Hauptgrund für den Bau der Linie war der Güterverkehr. Der Personenverkehr war nur Nebensache. Schon damals wusste man, dass nur der Güterverkehr Gewinn bringt und der Güterverkehr immer den Personenverkehr bezuschussen muss“, so Tauchman.

Die Festungen in Hradec Králové und Jaroměř wurden später aufgegeben, aber die Bedeutung der Bahn für die wirtschaftliche Entwicklung wuchs. Im kleinen Ort Malé Svatoňovice zum Beispiel wurde das Bergwerk dank der Eisenbahn wieder konkurrenzfähig, aber auch die Textilfabriken in Dvůr Králové nad Labem und weitere Betriebe an der Strecke profitierten.

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Heute ist die Linie weiterhin vor allem für den Lastverkehr wichtig. Jaromír Tauchman.

„Befördert wird vor allem Kohle, zudem Autos aus dem Škoda-Werk in Vrchlabí. Weitere Güter sind Holz sowie Kalk aus Kunčice.“

Nur 40 Kilometer der insgesamt 160 Kilometer langen Bahnlinie sind im Übrigen elektrifiziert. Auf den restlichen Abschnitten sind Dieselmaschinen im Einsatz. Früher fuhren auf der gesamten Strecke natürlich Dampfloks. Bei der Jubiläumsfeier vor einer Woche pendelten sie erneut auf allen Abschnitten der Bahn und auch auf anderen Strecken, die sich in der Nähe befinden. Und das zog auch Begeisterte aus Deutschland an. So auch Mitglieder des eingetragenen Vereins Ostsächsische Eisenbahnfreunde. Alfred Simm ist der Vorsitzende des Vereins und bezeichnet sich selbst als „Oberverrückten“:

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„Wer solch ein Hobby betreibt, egal ob in Tschechien oder Deutschland, der muss einfach ein bisschen verrückt sein.“

Simm zeigte sich hocherfreut über die Feier zum 150-jährigen Jubiläum:

„Auch die Strecke Zittau–Liberec wird im Herbst 150 Jahre alt und die Deutsche Bahn feiert das nicht. Da haben wir gesagt, da müssen wir eben ein bisschen hinterherfahren.“

Eisenbahn, das sind jedoch nicht nur die Loks und Waggons, sondern auch auch Fahrkarten, Fahrpläne und andere Dinge. All dies kann man auch an der Strecke besichtigen – und zwar jeden Samstag im Museum im ehemaligen Wasserwerk des Bahnhofs im Pardubicer Stadtteil Rosice nad Labem.