Weder indiskret noch langweilig: Karl Schwarzenberg und seine Biographin Barbara Toth

Von sich selbst sagte Karl Schwarzenberg einmal, er habe im Leben nur zwei Berufe gehabt: Erstens Gast- und Forstwirt und zweitens Kanzleichef des ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Havel. Aber Schwarzenberg ist immerhin auch Erbprinz des gleichnamigen Fürstengeschlechts, Zeitungsherausgeber und seit etwa einem Jahr auch Senator im tschechischen Parlament. Der vielschichtigen Persönlichkeit des bekennenden Mitteleuropäers versucht sich nun eine umfangreiche Biografie anzunähern, die vor kurzem auf Deutsch erschienen ist und im österreichischen Kulturforum in Prag vorgestellt wurde. Gerald Schubert hat die Autorin Barbara Toth und den von ihr porträtierten Karl Schwarzenberg gemeinsam vors Mikrophon gebeten:

Eigentlich mag Karl Schwarzenberg keine Biografien. Die sind nämlich in der Regel entweder indiskret oder langweilig, meint er. Deshalb hat er bis vor kurzem auch Biographien über sich selbst stets abgelehnt. Dass er bei der österreichischen Journalistin Barbara Toth eine Ausnahme gemacht hat, das erklärt Schwarzenberg mit der Lektüre eines anderen Buches der Autorin. "Reifeprüfung" heißt es. Zusatztitel: "Prag 1989 - 25 Porträts".

Toth hatte in diesem Band die Lebenswege von 25 jungen Menschen nachgezeichnet, die allesamt im Wendejahr 1989 an einer Prager Schule ihr Abitur abgelegt hatten. Nicht an einer irgendeiner x-beliebigen Schule wohlgemerkt, sondern an einem Elitegymnasium, das seine Absolventen auf ein Leben in den oberen Stockwerken des realsozialistischen Gesellschaftsgebäudes vorbereiten sollte. Das Jahr ihrer Reifeprüfung war jedoch gleichzeitig das Jahr der Samtenen Revolution. Die alten Regeln wurden plötzlich über den Haufen geworfen, dafür eröffneten sich neue Chancen. Barbara Toth hat 25 Absolventinnen und Absolventen von damals aufgesucht, deren Erfahrungen zu Papier gebracht und damit ein scharf konturiertes Bild der ersten unmittelbaren Nachwendegeneration gezeichnet. Ein Konzept, das auch Karl Schwarzenberg überzeugt hat:

"Es war ein sehr intelligenter Ansatz für eine soziologische Analyse, für eine Befindlichkeitsanalyse einer ganzen Generation hier im Land. Obwohl ich mich Zeit meines Lebens mit diesem Land beschäftigt und auch das Schicksal des betreffenden Jahrgangs als wesentlich Älterer miterlebt habe, hat mir das Buch ungeheuer viel Neues gebracht. Und es ist, wie gewöhnlich bei Barbara Toth, so geschrieben, dass man es mit Freude liest. Dem deutschen oder auch österreichischen Prinzip, dass ein seriöses Buch unbedingt langweilig sein muss, dem ist sie nicht unterlegen."

Schwarzenberg war also einverstanden: Barbara Toth sollte seine Biografie schreiben. Er würde der Autorin mit Rat, Tat und vor allem Auskunft zur Seite stehen.

Auch Toth selbst, im Hauptberuf Redakteurin der österreichischen Tageszeitung "Der Standard", hatte nicht lange überlegt, als der Ueberreuter-Verlag mit der Idee zu einer Schwarzenberg-Biografie an sie herangetreten war:

"Ich kannte Karl Schwarzenberg bereits von einigen Begegnungen. Ich habe ihn mehrmals interviewt, vor allem wenn es darum ging, Geschichten über das tschechisch-österreichische Verhältnis zu machen - Stichwort Temelin und Benes-Dekrete. Er war für mich schon immer eine interessante Persönlichkeit. Deshalb habe ich nicht lange gezögert und sofort zugesagt, dieses Buch zu schreiben."

Karl Schwarzenberg, der Tscheche aus dem alten deutsch-böhmischen Adelsgeschlecht mit dem Schweizer Pass: Dass man sich mit der historisch-geografischen Zuordnung Schwarzenbergs nicht ganz leicht tut, bereitet Barbara Toth keine Probleme. Ganz im Gegenteil:

"Ich glaube, das Spannende und Faszinierende an Karl Schwarzenberg ist, dass er sich eben nicht in so ein Raster einordnen lässt. Er ist quasi übernational. Ein patriotischer Weltbürger - ich glaube, das ist eine Formulierung, die Vaclav Havel einmal für ihn gefunden hat. Und ich selbst sehe ihn als Europäer. So einfach ist das."

Welche Bedeutung hat das Wort Patriotismus für den so Charakterisierten? Kann der Europäer, der patriotische Weltbürger damit überhaupt etwas anfangen? Er kann. Aber auf seine Weise:

"Das Wort Patriotismus ist so altmodisch wie das deutsche Wort dafür - nämlich Vaterlandsliebe. Es ist Liebe für das Land, mit allem, was es umfasst. Mit allen seinen Bewohnern, allen, die zu seiner Geschichte gehören. Das heißt, man muss auch lieben, was einem manchmal gar nicht gefällt, und sich dafür auch interessieren. Man muss versuchen, das Ganze zu verstehen, und nicht jemanden davon ausschließen. Das, würde ich sagen, ist für mich Patriotismus."


Palais Schwarzenberg in Prag
"Eines der erstaunlichsten Dinge war das gesprochene Gedächtnis der Familie Schwarzenberg", sagt Barbara Toth auf die Frage, welcher Aspekt sie bei der Arbeit an ihrem Buch am meisten überrascht hat. "Mich hat fasziniert, dass Karl Schwarzenberg Begebenheiten und Anekdoten erzählen kann, die ihm wiederum seine Eltern, Großeltern oder Großtanten erzählt haben. Er ist in der Lage, zwei Jahrhunderte über diese Begebenheiten und Anekdoten wiederzugeben. Ich glaube, das kommt in der heutigen Zeit sonst nur noch sehr selten oder überhaupt nicht mehr vor."

Vor allem im 20. Jahrhundert hatte diese mündliche Erzähltradition auch einen ganz pragmatischen Aspekt: Wo das faschistische oder das kommunistische Spitzelwesen den Alltag überschattet, ist es besser, nicht allzu viel Geschriebenes aufzubewahren.

Karl Schwarzenberg
"Es gibt relativ wenige schriftliche Dokumente, die das Leben von Karl Schwarzenberg dokumentieren. Zwar gibt es ein sehr schönes und umfassendes Familienarchiv in Murau, das über seine Vorfahren ganze Kartons und Schubladen bereithält. Über sein Leben selbst gibt es jede Menge Zeitungsberichte, aber nur wenige Primärquellen, wie etwa Briefe aus seiner Hand, oder Briefe an ihn. Das liegt natürlich auch daran, dass er immer aufgepasst hat. Denn Briefe zu schreiben birgt immer auch eine gewisse Gefahr in sich. Vor allem, wenn man zum Beispiel in Kontakt mit Dissidenten steht."

Gab es in der Zusammenarbeit mit der Autorin Barbara Toth auch Überraschungen für Karl Schwarzenberg selbst, der im Dezember seinen 68. Geburtstag feiert? Lernt sich der Held einer Biographie auch selbst ein bisschen besser kennen, wenn er anderen über sich Auskunft gibt?

"Es wird einem bewusst, was man im Leben falsch gemacht hat", sagt Schwarzenberg. "Im Laufe der Erforschung der vergangenen Zeit, die jeder Mensch - auch ich - zu verdrängen versucht, kommt man drauf, wie viele Böcke man geschossen hat, was man versäumt hat, welche Fehler man gemacht hat. Doch das gnädige Schicksal wollte es, dass die Autorin es nicht alles sofort erkannt hat."

"Karl von Schwarzenberg - Die Biographie" heißt das Buch von Barbara Toth. Erschienen ist es im Verlag Carl Ueberreuter.

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