Kutná Hora: Eintauchen in die Welt Jiří Trnkas

Jiří Trnka: „Ein Sommernachtstraum“ (Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie)

Vor 50 Jahren ist mit Jiří Trnka der wohl wichtigste tschechoslowakische Trickfilmer gestorben. Aus diesem Anlass ist in Kutná Hora / Kuttenberg derzeit eine Ausstellung über das Werk des Künstlers zu sehen. Sie unterscheidet sich aber deutlich von vorherigen Retrospektiven. Mit moderner Technik bietet sie nämlich einen Blick auf Trnka aus der Sicht seines Publikums.

Jiří Trnka  (Foto: Creative Commons,  CC BY 3.0)

„Ein Sommernachtstraum“  (Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie)
Mit seinen Stop-Motion-Märchen ist Jiří Trnka auch im Ausland zu einem großen Namen des Trickfilms geworden. „Der Prinz Bajaja“, „Der Kaiser und die Nachtigall“ oder „Ein Sommernachtstraum“ aus den 1950er und 60er Jahren fanden unter anderem in Deutschland ein begeistertes Publikum. Im Dezember 1969 ist Jiří Trnka gestorben, und deshalb ist in der Mittelböhmischen Galerie in Kutna Hora (GASK) nun eine Retrospektive zum umfangreichen Werk des geborenen Pilsners zu sehen. Doch wie unterscheidet sich diese von den unzähligen früheren Ausstellungen zu Jiří Trnka? Jakub Hora vom Puppentheater Alfa in Plzeň / Pilsen ist einer der Autoren der Schau:

„Es geht um die Auffassung, was eine Ausstellung überhaupt ist. Wir wollen die Werke Jiří Trnkas nämlich nicht nur zeigen. Wir wollen, dass sie von den Besuchern erlebt werden. Gerade das ist der Unterschied zu klassischen Ausstellungen, bei denen man nur die Wände entlanggeht und sich die Exponate in den Vitrinen anschaut. Bei uns soll sich der Gast tatsächlich in der Welt Jiří Trnkas wiederfinden.“

Jakub Hora  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die Ausstellung trägt den Titel „Garten der Vorstellungskraft“. Einzigartig ist sie auch deshalb, weil Trnkas Sohn Jan und sein Enkel Matyáš am Konzept mitgearbeitet haben. Sie hätten etwas schaffen wollen, was ganz anders sei, erklärt beispielsweise Jan Trnka in einem Vorwort zur Schau. Wie ist dies aber gelungen? Dazu Jakub Hora:

„Die Ausstellung hat zwei Teile, wobei es zwei verschiedene Blickwinkel auf das Werk Trnkas sind. Einerseits wird der Künstler in all seiner Vielseitigkeit präsentiert, und das in allen Bereichen der Kunst. Auf der anderen Seite soll man Trnka aus den Augen zweier kleiner Kinder sehen. Diese kommen in die Ausstellung, sind aber auf einmal in diesem ‚Garten der Vorstellungskraft‘, also dem Haus und Garten von Jiří Trnka.“

Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie
Der erste Teil ist doch recht museal, wobei er Trnkas Kunst in allen Facetten und durch alle seine Epochen hindurch beleuchtet. Der eigentliche „Garten der Vorstellungskraft“ folgt dann im zweiten Teil der Schau:

„Ist man erst einmal im Garten angekommen, befindet man sich im spielerischen und interaktiven Teil der Schau, der vor allem für die Kinder gedacht ist. Man ist dort inmitten von Filmkulissen und Filmdekorationen sowie ganz nah an den verwendeten Filmtricks und Kunstgriffen.“

Trnka, nicht nur ein Meister der Puppen

Im Zentrum des „Gartens der Vorstellungskraft“ stehen natürlich die Puppen, die Jiří Trnka in seinen Streifen verwendet hat. Der Trickfilmer habe schon sehr früh seine Begeisterung dafür entdeckt, erläutert Jakub Hora:

Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie
„Als Kind besuchte Trnka das Puppenspieltheater von Josef Skupa, was ihn sehr bezaubert hat. Seine ersten Figuren schnitzte er dann als Teenager, so zumindest heißt es in Erinnerungen von Familienmitgliedern. Trnka hat beispielsweise ein Buch gelesen und sich gleich daran gemacht, irgendeine Person daraus als Puppe zu gestalten. Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich seine Faszination dafür, dieses Objekt sich auch bewegen zu lassen.“

In der Mittelböhmischen Galerie sind aber nicht nur die bekanntesten Figuren Trnkas zu sehen, wie zum Beispiel der Hurvínek:

„Jiří Trnka hat Puppen für seine Filme gemacht, aber auch für das Theater. Man weiß nicht genau, wie viele es von ihnen gibt. Oft sind sie in privater Hand, wobei die Besitzer diese nicht gerne zeigen. Manchmal sind sie nämlich nicht gerade auf transparente Weise an die Puppen gekommen. Wir haben 30 Film- und 35 Theaterpuppen. In früheren Ausstellungen wurden bis zu 60 Filmpuppen gezeigt.“

Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie
Vor allem die Familie von Jiří Trnka versucht die Stücke unter einem Dach zusammenzubekommen und vor allem wieder in Schuss zu bringen:

„Die Familie des Künstlers versucht tatsächlich, viele der Film- und Theaterpuppen zu restaurieren. Zuletzt hat sie die gesamte Besetzung des ‚Sommernachtstraumes‘ erstanden. Leider ist diese aus Latex, das sehr schnell zerfällt. Und somit waren auch die Puppen in einem sehr schlechten Zustand. Zahlreiche Spender und ein Crowdfunding haben aber die Rettung ermöglicht, sodass diese Puppen bald ausgestellt werden können.“

Manche Stücke kommen aber sogar von ganz weit her:

„Als ich mit meinem Ensemble in Japan war, habe ich in dem Theater, in dem wir aufgetreten sind, ebenfalls Puppen von Trnka entdeckt. Diese haben uns unsere Freunde dort dann auch nach Tschechien geschickt für diese Ausstellung. Mich hat es gefreut, dass der gute Ruf von Jiří Trnka so weit nach Übersee reicht.“

Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie
Doch in den „Gärten der Vorstellungskraft“ hängen die Puppen Jiří Trnkas nicht nur unbeweglich in der Vitrine. Dafür sorgt Jan Trnka, der Sohn des Künstlers. Er ist aus diesem Grund in die Fußstapfen seines Vaters getreten.

„Ein Jahr lang haben wir die Puppen vorbereitet, und Jan Trnka hat das Drehbuch für einen neuen Film geschrieben für die Puppen seines Vaters. Den Streifen können sich die Besucher vor Ort ansehen. Das Gleiche haben wir übrigens mit dem bildhauerischen Werk von Trnka gemacht, dieses spielt ebenfalls die Hauptrolle in einem Film. Im Grunde ist das unser Konzept für die Ausstellung, wobei man die Exponate nicht nur sehen, sondern auch erleben soll.“

Außerdem können die Besucher mithilfe moderner Technik noch tiefer in die Werke von Jiří Trnka eintauchen. Der Enkel des Künstlers, Matyáš Trnka, hat eine Virtual-Realty-Welt mit den Figuren seines Großvaters gestaltet. Dort leben sie auf eine ganz besondere Weise wieder auf.

Begleitprogramm mit großen Namen

Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie
Jiří Trnka war aber nicht nur Puppenspieler und Filmemacher, sondern er bewegte sich frei zwischen den künstlerischen Disziplinen. Die Tschechen kennen ihn nämlich auch als Bildhauer, Maler und Illustrator. All diese schöpferischen Formen finden ihren Platz in der Ausstellung. Dazu der Dramaturg der Mittelböhmischen Galerie, Petr Adamek:

„Eines ist für mich entscheidend bei Jiří Trnka: seine Fähigkeit, sich elegant von einer künstlerischen Disziplin zur anderen zu bewegen und die verschiedenen Bereiche sogar miteinander zu verbinden. Wichtig ist die Wahrnehmung von Jiří Trnka als einem Universalkünstler, also einem Menschen, der gleichzeitig geschrieben, gemalt und Filme gemacht hat. Sein Gesamtwerk dürften wir moderne Menschen vielleicht besser verstehen als seine Zeitgenossen damals.“

Die Galerie will dies mit einem bunten Begleitprogramm zur Ausstellung unterstreichen. Deshalb stehen vor allem zwei Werke von Trnka im Mittelpunkt von gesonderten Veranstaltungen. Dazu hat man auch große Namen der tschechischen Literatur eingeladen:

Foto: Archiv der Mittelböhmischen Galerie
„Wir wollen uns auf die Spuren dessen begeben, was Jiří Trnka in seinem Schaffen inspiriert hat. So klärt uns Petr Mašek über den Hintergrund der ‚Alten böhmischen Sagen‘ auf, die wir aus unserer Schulzeit vor allem in der literarischen Fassung von Alois Jirasek kennen. Mašek leitet die Burgbibliotheken und ist ein Experte für alte Mythen in der Literatur. Den ‚Sommernachtstraum‘ bringt uns kein anderer als Martin Hilský näher. Er ist hierzulande der absolute Spitzenfachmann für englische Literatur und insbesondere William Shakespeare.“

Natürlich sollen nicht nur Erwachsene mehr über Jiří Trnka erfahren, sondern vor allem die Kinder als sein eigentliches Publikum:

„Unser Lernzentrum hat ein buntes Programm rund um die Ausstellung vorbereitet, das alle Altersgruppen anspricht und auch noch etwas für die Eltern und Großeltern bietet. Es gibt viele interaktive Workshops, die einen bleibenden Eindruck bei den Teilnehmern hinterlassen sollen.“


Die Ausstellung „V zahradách imaginace“ / „Garten der Vorstellungskraft“ in der Mittelböhmischen Galerie in Kutná Hora läuft noch bis Ende März. Geöffnet ist die Galerie Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr. Der Eintritt für das gesamte Objekt kostet 200 Kronen (knapp acht Euro), für Kinder, Schüler, Studenten und Senioren aber nur die Hälfte.