Versöhnung „unter einem Dach“

Foto: Martina Schneibergová
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Die Geschichten von tschechischen und deutschen Familien, die in ein und demselben Haus leben und gelebt haben – sie sind das Thema einer Ausstellung, die von der Organisation Antikomplex zusammengestellt wurde. Die Schau ist seit dieser Woche in der Bayerischen Repräsentanz in Prag zu sehen. Martina Schneibergová hat nach der Eröffnung der Ausstellung mit der Projektkoordinatorin von Antikomplex, Maja Konstantinović, gesprochen.

Foto: Martina Schneibergová

Maja Konstantinović  (Foto: Martina Schneibergová)
Frau Konstantinović, wie ist die Idee zu der Ausstellung entstanden?

„Das war innerhalb des Projektes ,Versöhnung 2016‘. Eine junge Tschechin ist damals auf Antikomplex und die Ackermann-Gemeinde zugekommen, um ein Versöhnungsprojekt zu starten. Wir wollten auf Freundschaften aufmerksam machen, die zeigen, wo die Versöhnung schon gelungen ist oder wo sie auf einem guten Weg ist. Das sollte als Beispiel für andere Tschechen dienen, die auch gern ihre Türen öffnen möchten, oder für Tschechen und Deutsche, die ihre Hand den anderen reichen möchten.“

Wie haben Sie die Familien gefunden, die früher in einem der Häuser gelebt haben oder dort heute noch leben? Haben sich Leute auch von sich aus bei Ihnen gemeldet?

„Wir haben eine Ausschreibung gemacht, und darauf haben sich die Leute gemeldet. Es waren mehr, als letztlich in die Ausstellung aufgenommen wurden. Denn es gibt inzwischen viele Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen, die nicht institutionell geregelt sind, sondern auf ganz normalen Freundschaften beruhen. Teilweise kannten wir auch Leute, oder sie wurden uns von anderen empfohlen, mit denen wir zuvor zusammengearbeitet hatten. Aber es haben sich auch sehr viele gemeldet, die einfach auf unsere Ausschreibung reagiert haben. Diese wurde online veröffentlicht sowie im Landesecho, in der Sudetendeutschen Zeitung und in anderen Zeitungen, die von Sudetendeutschen und ihren Nachkommen gelesen werden.“

Foto: Martina Schneibergová
Haben sich eher tschechische Familien gemeldet oder deutsche, deren Vorfahren aus Böhmen stammten?

„Beides. Ich kann gar nicht sagen, dass es mehr Tschechen oder mehr Deutsche waren. Es haben sich Menschen von den beiden Seiten gemeldet.“

Wie haben Sie diese sieben Häuser mit den ehemaligen und jetzigen Bewohner ausgesucht?

„Es gab einige, die sich gemeldet haben, aber dann nicht bereit waren, ihre Identität preiszugeben. Wir haben viele Interviews geführt und danach ausgewählt, was sich eignet und was nicht.“

Foto: Martina Schneibergová
Um welche Orte handelt es sich in der Ausstellung?

„Es sind sieben eher kleinere Orte: Hejnice / Haindorf, Kytlice / Kittlitz, Rudné / Trinksaifen, Poběžovice / Ronsberg, Slavonice / Zlabings, Dolní Dvůr / Niederhof und Rumburk / Rumburg. Manchmal haben wir die Menschen direkt in dem Haus getroffen, wo sie wohnen. Bei den Deutschen sind wir manchmal dorthin gefahren, wo sie jetzt leben. Denn oft waren es ältere Leute, die nicht mehr reisen konnten. Schön war, dass viele der Menschen, die in der Ausstellung vorgestellt werden, damals zu einem Versöhnungskonzert nach Prag gekommen sind. Einige hatten sich zuvor aus den Augen verloren und trafen sich beim Versöhnungstreffen dann nach Jahren wieder. Es war sehr rührend, dass die Ausstellung Menschen zusammengebracht hat.“

Foto: Martina Schneibergová
Wann haben die deutschen Familien die ersten Kontakte geknüpft – erst nach der Wende?

„Oft war es erst nach der Wende. In manchen Fällen gab es die Kontakte aber auch schon vorher. Eine Frau aus Kittlitz hatte den Ort schon vor der Wende regelmäßig besucht. Damals traute sie sich jedoch nicht, an die Tür zu klopfen. Das tat sie erst, nachdem sie erfahren hatte, dass das Haus junge Tschechen gekauft hatten. Als sie dann klopfte, haben sich die Tschechen sehr gefreut. Der Mann sagte, er habe schon vorher recherchieren wollen, wer früher einmal in dem Haus gewohnt hat. Als dann auf einmal die Frau in der Tür stand und ,Hallo’ sagte, fand er, dass es sei, als ob die Geschichte an seine Tür geklopft hätte. Dann haben sie beide beschlossen, etwas für die nächsten Generationen zu hinterlassen. Sie haben ihre Geschichte aufgeschrieben, sie in eine Plastikhülle getan und diese hinter der Hausnummer des Hauses versteckt. Wenn die nächsten Generationen über die Geschichte der Bewohner des Hauses etwas erfahren möchten, dann finden sie es dort.“

Foto: Martina Schneibergová
Ist es nicht manchmal schon die dritte Generation, die das Haus der Vorfahren sehen will?

„Teilweise auch die dritte Generation. Eigentlich reicht das von der ersten über die zweite bis zur dritten Generation. Hoffentlich kommt in der Zukunft auch noch die vierte Generation hinzu. Es gibt Beispiele aus der dritten Generation, die in der Ausstellung erwähnt werden. So hat eine Großmutter ihre Enkel immer nach Böhmen mitgenommen, und heute haben diese das Gefühl, mit dem Ort verbunden zu sein, und betrachten ihn als ein Stück Heimat.“

Neben den Fotos werden in der Ausstellung auch verschiedene Alltagsgegenstände gezeigt. Stammen diese wirklich aus den Häusern?

Foto: Martina Schneibergová
„Da muss ich Sie leider enttäuschen, die Gegenstände sind nur symbolisch. Es sind keine Originalstücke von den Zeitzeugen. Sie sind aber immer mit der Geschichte verbunden. In einem Teil der Schau spielen beispielsweise die Natur und die Hirsche, die in dieser Gegend oft zu hören sind, eine große Rolle. Auf einem anderen Tisch liegt eine Kamerahülle. Dies hängt damit zusammen, dass in beiden Familien sehr gern fotografiert wurde. Für die Familien war dies ein Anknüpfungspunkt, auch wenn sie die Sprache der anderen nicht verstanden haben.“

Es ist eine Wanderausstellung: Wo wurde sie bisher gezeigt, und was ist geplant?

Die Ausstellung mit dem Titel „Unter einem Dach“ ist in der Bayerischen Repräsentanz in Prag zu sehen, und zwar noch bis Ende August 2019.

„Sie war schon oft vor allem bei verschiedenen Freundschaftsfesten im tschechisch-deutschen Grenzgebiet zu sehen. Die Ausstellung wurde zudem vor einigen Jahren im Rahmen der Nacht der Kirchen in Prag gezeigt. Die Pläne sind offen, die Ausstellung kostet nichts, wer sie haben möchte, kann bei uns vorbeikommen. Wir sind inzwischen von einigen deutschen Organisationen angefragt worden, ob sie die Schau nicht als allgemeines Beispiel der Versöhnungsarbeit zeigen können.“