Heimat als Thema – auch für junge Menschen

Illustrationsfoto: Kreuzschnabel, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Was verbinden die Leute mit dem Begriff der Heimat? Nach der Antwort sucht Justus Haufe in einem Videoprojekt, an dem er mit jungen Menschen aus Deutschland und aus Tschechien zusammenarbeitete. Den Dokumentarfilm mit dem Titel „Supernova 2017 – Heimat!“ stellte Haufe vor kurzem bei einem deutsch-tschechischen Seminar in Mariánské Lázně / Marienbad vor.

Justus Haufe  (Foto: Martina Schneibergová)
Herr Haufe, der Dokumentarfilm ist Bestandteil eines größeren Konzeptes. Wie ist die Idee entstanden?

„Supernova 2017 ist eine Fortsetzung des ursprünglichen Projektes, das eigentlich eine Abschlussarbeit war. Wir haben da unterschiedliche Motive genommen und diese weiterverfolgt. Das erste Motiv war, Bewusstsein schaffen für den Osten. Das kommt daher, da wir in Bayreuth studiert haben und uns dort oft über Dinge unterhalten haben, die in London, den USA oder Paris passiert sind. Dabei hatten wir Prag – eine Weltstadt – direkt vor der Haustür und sind nur ganz selten hingefahren. Das wollten wir ändern. Das zweite Motiv, das wir verfolgt haben, ist die Generationsfrage. Also wo die Peripherie, die Grenze zwischen der Vergangenheit aus historischer Perspektive, nur noch in Schrift und Datum erfahrbar ist und wo noch die menschliche Erfahrung über Zeitzeugen da ist. Das reicht vielleicht hundert Jahre zurück, aber immer wenn der älteste Mensch stirbt, dann stirbt auch das Jahr, in dem er geboren ist. Das letzte Motiv ist die Zusammenarbeit, also dass man gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet und beim Weg dorthin lernen sich die Leute kennen.“

In diesem Film sind die Begriffe „domov“, „domovina“ und „vlast“ zentral - im Deutschen heißt das jeweils Heimat. Haben Sie sich mit den Begriffen ausführlicher beschäftigt?

„Als Tschechen und Deutsche zusammenkamen, um sich mit dem deutschen Begriff der Heimat zu beschäftigen, bin ich sofort auf diese Übersetzungsschwierigkeit gekommen, aber auch auf die persönliche Interpretation, dass dabei drei Hauptperspektiven rauskommen.“

„Darum ging es im Projekt Supernova 2017 mit dem Thema Heimat. Es war angestoßen von einem Filmwettbewerb, der in Bayern vom bayerischen Jugendring betreut und ausgetragen wurde. Als Tschechen und Deutsche zusammenkamen, um sich mit diesem deutschen Begriff der Heimat zu beschäftigen, bin ich sofort auf diese Übersetzungsschwierigkeit gestoßen. Aber auch auf die persönliche Interpretation, dass drei Hauptperspektiven rauskommen: Heimat als Kindheitserfahrung und -erinnerung, dann als patriotisches Element und Nationalgefühl und zuletzt als faktischer Lebensraum, als Ort, an dem man sich gerade befindet. Und da gibt es durch diese unterschiedlichen Perspektiven Schwierigkeiten, das überhaupt zu fassen, weil das so ein transzendenter Begriff ist. Jetzt kommt aber die Idee, das an Objekte zu fesseln, repräsentative Heimatsobjekte zu benennen und zu zeigen, wie diese Perspektiven funktionieren. Das hat sich mit der Übersetzung, mit den unterschiedlichen Wörtern nochmal multipliziert.“

Svržno / Zwirschen  (Foto: Allexkoch,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Ich glaube, es ist gut, dass sie für das Videoprojekt so einen Ort gefunden haben, der fast anonym ist, es könnte überall in Tschechien gewesen sein. Was haben Ihnen die Leute an Materiellem als Symbol der Heimat angeboten?

„Das Dorf heißt Svržno und ist ganz nah an Hostouň in Westböhmen. Es ist ganz nah hinter der Grenze. Darum ging es aber nicht in erster Linie, sondern darum, dass die Teilnehmer nicht daherkommen und wir eine Mini-Heimat suchen. Es ist also ein Experiment. Die Idee, loszugehen und die Leute nach dem Heimatbegriff, nach Objekten zu fragen, ist an dem Wochenende innerhalb eines Workshops entstanden. Jetzt zur Frage: Es wurden Blumen als Symbol der Heimat genannt, was man unter dem Naturaspekt zusammenfassen könnte. Als Symbol der Sicherheit wurde uns ein Kissen gegeben, dass man sich einkuschelt und geborgen fühlt. Essen hat eine große Rolle gespielt, weil da Traditionen weitergegeben werden.“

War es schwierig, an die Menschen heranzukommen?

„Am Ende waren wir dann insgesamt neun Leute und haben mit den Tschechen, die dabei waren auch eine gute Aufgabenteilung gefunden.“

„Das wird auch immer im Film gesagt, dass es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gab, auf uns zu reagieren, weil wir ziemlich proaktiv auf die Leute zugegangen sind und direkt gesagt haben: ,Wir wollen Sie filmen, wir wollen Sie fragen.‘ Es gab natürlich Leute, die gesagt haben: ,Nein, das mache ich nicht, ich möchte mich nicht mit irgendwelchen Fragen auseinandersetzen.‘ Da kam kein Dialog zustande, und darum können wir auch nicht genau sagen, wie die Leute sind und warum sie nichts gesagt haben. Immerhin haben wir es versucht.“

Haben die Tschechen, die dort auftreten, Sie unterstützt oder Ihnen beim Übersetzen geholfen? Waren sie ansonsten irgendwie beteiligt an dem Ganzen?

„Das Projekt war so konzipiert, dass Deutsche und Tschechen gesucht werden, die Zeit haben, an diesem Wochenende zusammenzukommen. Wir hatten mit mehr Leuten gerechnet und es auch groß beworben. Es war aber schwer, Leute zu finden, die mitmachen und sich auch auf so etwas einlassen. Am Ende waren wir dann insgesamt neun Leute und haben mit den Tschechen, die dabei waren auch eine gute Aufgabenteilung gefunden. Wir hatten auch eine Dolmetscherin dabei, die aber auch in die Gruppe mit hineingewachsen ist, weil es so offen war und sich jeder an diesem Dialog beteiligt hat.“

Wird es noch eine Fortsetzung geben?

„Wir haben auch einen neuen Begriff, mit dem wir weiterarbeiten: Identität. Wie kann man das suchen? Wie findet man das?“

„2016 gab es das erste Projekt, das war ein Deutsch-Tschechischer Filmabend und Supernova 2017 war dieses Projekt in Svržno mit jungen Leuten. Wir wollten eigentlich 2018 ein größeres Projekt machen. Das ist aufgrund von Förderengpässen zeitlicher Natur nicht zustande gekommen. Wir haben auch einen neuen Begriff, mit dem wir weiterarbeiten: Identität, was ist Identität? Wie kann man das suchen? Wie findet man das? Es steht Identität als Wort erstmal im Raum und muss betrachtet werden. Darüber sprechen wir in diesem Sommer mit denen, die Zeit und Lust haben und die ganze Zeit schon dabei waren, aber auch mit neuen Leuten. Diesmal versuchen wir ein intermediales Theaterstück auf die Beine zu stellen, das heißt mit unterschiedlichen Medien zu experimentieren, mit klassischer Musik oder Musik im Allgemeinen, mit Installationen, aber auch mit digitalen Komponenten.“