Gegen den Leerstand: Bürgerinitiative will verlassene Häuser beleben

Foto: Google Street View

Das Problem springt jedem aufmerksamen Fußgänger ins Auge: Im Stadtzentrum von Prag, besonders auch in den attraktivsten Lagen, befinden sich schon jahrelang verlassene Häuser. Sie haben schmutzige oder eingeschlagene Fenster, die Wände sind durch Graffitis verunstaltet. Die verlassenen Gebäude ziehen Obdachlose, Drogendealer und andere Kriminelle an. Eine Bürgerinitiative namens „Prázdné domy“ (Leere Häuser) will auf diesen Missstand aufmerksam machen und mit allen zuständigen Stellen eine Lösung finden.

Haus in der Jungmannova Straße  (Foto: Google Street View)
Wie viele verlassene Häuser es in Tschechien gibt, weiß niemand. Die vor etwa einem Jahr gegründete Initiative hat bisher beinahe 1500 dokumentiert, davon etwa 250 allein in Prag. Es gibt dabei viele Gründe, warum die Gebäude ungenutzt sind: Erbstreitigkeiten oder ungelöste Eigentumsverhältnisse durch die Restitution, unklare Vermögensverhältnisse oder einfach Immobilien-Spekulationen. Während einige Häuser noch in relativ gutem Zustand sind, lassen sich andere nicht mehr retten. Das ist zum Beispiel bei einem Haus in der Prager Jungmannova Straße der Fall. Vor einiger Zeit wurde es von einer italienischen Firma gekauft. Diese ließ das gesamte Gebäude teilweise abreißen. Nur eine mit Stützen gesicherte Fassade blieb aus planungstechnischen Gründen stehen. Für Petr Zeman, den Gründer des Projektes „Prázdné domy“, ist es eines der besten Beispiele für rücksichtlosen Kommerz.

Jungmannova Straße 1769  (Quelle: Archiv des Historischen Instituts der Akademie der Wissenschaften)
„Anfangs war es ein einstöckiges Haus. Der zweite Stock wurde während des Klassizismus errichtet. Man erkennt noch an der geschmückten hölzernen Eingangstür ein Relief des Königs – meiner Meinung nach stammt dies aus der klassizistischen Ära. 1922 wurden die weiteren drei Geschosse aufgestockt. Es war ein übliches Miethaus, in dessen Erdgeschoss sich Geschäfte befanden. Nach der Wende wechselte das Gebäude mehrere Eigentümer, offensichtlich waren das aber nur Spekulanten. Das leere Haus verfiel, bis es angeblich aus Sicherheitsgründen fast vollständig abgerissen wurde. Ich habe bereits einige Umbaupläne gesehen. Jetzt will ich aber alle Möglichkeiten nutzen, um festzustellen, warum sich das Haus in seinem heutigen Zustand befindet. Wir sind hier im denkmalgeschützten Stadtzentrum, das Haus hatte seine Geschichte, die auf diese Weise unwiederbringlich verschwunden ist.“

Dokumentieren und Aufmerksam machen

Das Schicksal des Hauses in der Jungmannova Straße bewegte Petr Zeman dazu, eine Datenbank leerer und vom Abriss bedrohter Häuser anzulegen. Mit seinen Kollegen erstellte er ein Facebook-Profil, dort können Menschen solche Objekte melden. Die Resonanz sei groß, die Tipps kommen aus dem ganzen Land. An dem Projekt arbeiten ehrenamtlich aktuell acht Menschen, sagt der Initiator:

„Aus öffentlich zugänglichen Quellen stellen wir fest, wem das Haus gehört, wo es sich genau befindet und wenn möglich, auch etwas aus seiner Geschichte. Diese Angaben tragen wir in unsere Webseite prazdnedomy.cz ein. Gerade entwickeln wir eine App, die das alles noch vereinfacht. Man kann uns dort ein Foto des Hauses samt GPS Koordinaten schicken, und das Objekt wird automatisch in der Datenbank gespeichert. Dies ermöglicht es dann auch, die Häuser nach Ort, Eigentümer oder anderen Kriterien nachzuschlagen. Unser Hauptziel aber ist natürlich, dass es mit den betroffenen Häusern etwas geschieht.“

Lukáš Žďárský  (Foto: Archiv von Lukáš Žďárský)
Die Ergebnisse der Initiative sind schon sichtbar geworden: als erste kommunale Verwaltung, ließ die des siebten Prager Stadtbezirks von sich hören. Sie beauftragte die Aktivisten, eine vollständige Liste der ungenutzten Gebäude auf ihrem Gebiet zu erstellen. Die Beamten sind bereit, mit den Eigentümern der Objekte in Kontakt zu treten und mit ihnen eine Lösung zu finden. Gute Beispiele gibt es schon: Aktivisten haben in einer ehemaligen Fabrik in diesem Stadtbezirk ein Kaffeehaus, eine Sporthalle und eine Galerie aufgemacht. Das Projekt realisierte Lukáš Žďárský mit seinem Team.

„Ich habe einfach ein leeres Haus entdeckt. Alles kaputt, überall Abfälle, Obdachlose haben dort ihr Lager aufgeschlagen. Wir hatten aber Glück: die Eigentümerin ließ sich überreden, uns das Objekt vor seinem eigentlich beabsichtigten Abriss symbolisch zu vermieten. Unser Konzept war, dort nicht eigene Veranstaltungen zu organisieren, sondern verschiede Gruppen ihre Ideen realisieren zu lassen. Das lockte viele Menschen an und machte unseren Club weit und breit bekannt. Dann konnten wir verlassene Räume für weitere Projekte suchen.“

Mit Verwaltung und Maklern reden

Palais Orco  (Foto: Sefjo,  CC BY-SA 3.0)
In bestimmten Fällen war es auch nützlich, mit Immobilienbüros zusammenzuarbeiten. Beispielweise hat sich ein Makler bei den Aktivisten gemeldet, der sich vergeblich bemühte, eine Jugendstil-Villa bei Prag zu verkaufen. Er ermöglichte ihnen, das Haus für die Webseite „Prázdné domy“ abzulichten und brachte sie mit dem Eigentümer zusammen. Nun wird über eine mögliche kurzfristige Nutzung des Gebäudes gesprochen, bevor ein Käufer auftaucht. Dieses Model kann auch in anderen Fällen funktionieren, meint Petr Zeman.

„Auf die gleiche Weise funktioniert heute das Prager Palais Orco. Es handelt sich um ein funktionalistisches Gebäude aus den 1930er Jahren, den ehemaligen Sitz der Elektrizitätswerke. Dort ist eine Komplett-Sanierung geplant, daher wurden alle Mietverträge gekündigt. Der Beginn der Bauarbeiten steht noch in den Sternen, das nur minimal gepflegte Haus lebt aber trotzdem. Es gibt dort kleine Start-up Firmen, Projektierungsbüros, verschiedene Workshops und so weiter. Alle ziehen einfach weg, sobald der Termin des Baubeginns bekannt ist. Beim Palais Alfa auf dem Wenzelsplatz ist die Lage ähnlich, trotzdem ist es leer. Das ist doch schade. Das Haus könnte mit geringem Aufwand genutzt werden, bis eine Renovierung auf die Tagesordnung kommt.“

Aktivisten und Piraten

Oldřich Lomecký  (Foto: CVSC,  CC BY-SA 3.0)
Der Wenzelsplatz liegt jedoch im ersten Prager Stadtbezirk – und dessen Vertreter bewerten das Problem ganz anders, als ihre Kollegen in Prag sieben. Bürgermeister Oldřich Lomecký sei laut Petr Zeman der Ansicht, jeder Eigentümer könne mit seiner Immobilie machen was er will. Glücklicherweise sei aber diese Meinung immer seltener, so der Aktivist. Man könne Zemans Erfahrungen nach auch sagen: je weiter vom Prager Stadtzentrum weg, desto mehr wird das Problem der leeren Häuser ernst genommen. Es sind zum Beispiel ganze Gassen und Stadtviertel in nordböhmischen Städten heruntergekommen. Die Hauseigentümer sind Spekulanten, die die Wohnungen an soziale Randgruppen vermieten und dafür Geld vom Staat kassieren. Jetzt fordern sie vom Staat sogar Entschädigungen für das entwertete Eigentum. Die Kommunen haben ein großes Interesse daran, die Situation zu lösen, was aber offensichtlich über ihren Kräften steht. Petr Zeman:

Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Ich denke, man kann es mit Steuern lösen, nach dem Grundsatz: wer eine Immobilie besitzt, muss sich auch um sie kümmern. Einfach gesagt: für ein langfristig leerstehendes Haus könnte sein Besitzer höhere Steuer bezahlen. In einem extremen Fall wäre ich ebenso nicht gegen die Enteignung eines Gebäudes. Dann hätte jeder die Motivation, seine Immobilie imstande zu halten. Es darf sich doch nicht lohnen, nur darauf zu warten, bis das Dach und die Decken einbrechen. Immer mehr Menschen kommen dazu, dass der wilde Kapitalismus ein Ende nehmen muss und dass es Sinn macht, öffentliches Interesse durchzusetzen. Es geht aber zu langsam und einige Gebäude überleben das nicht.“

Illustrationsfoto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Die Initiative „Prázdné domy“ ist nicht die einzige, die das Problem der verlassenen Häuser lösen will. Viele von ihnen entstehen ganz spontan und besetzen ein Objekt, ohne lang zu diskutieren. Vor kurzem war das eine ehemalige Poliklinik, die dem dritten Prager Stadtbezirk gehört. Die Polizei griff dort ein, was heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit auslöste. Die Menschen um „Prázdné domy“ unterstützen solche Piratenaktionen nicht, können sie jedoch verstehen. Es sei die äußerste Möglichkeit, die Beamten wachzurütteln. Sie brauchen manchmal einen medial sichtbaren Anlass, heißt es.