Es siegt… die Kohlmeise

Kohlmeise (Foto: Luc Viatour, Flickr, CC BY-SA 2.0)
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Erstmals haben in diesem Winter die Menschen hierzulande systematisch Vögel gezählt. Die Beteiligung übertraf dabei die Erwartungen.

Foto: Louis Bafrance,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Menschen, die mit dem Finger auf Baumwipfel zeigen oder Futterglocken an Äste hängen – Anfang Januar war das kein seltenes Bild in den Wäldern und auf den Wiesen in Tschechien. Ganze 14.000 Naturfreunde haben vom 4. bis 6. Januar mitgemacht bei der Aktion „Vogelzählung am Vogelhäuschen“. Damit überstieg der erste Jahrgang des Projekts alle Erwartungen. Die Hobby-Beobachter waren über 10.500 Stunden mit dem Zählen der Federtiere beschäftigt. Die Organisatoren vom tschechischen Vogelschutzbund (ČSO) hatten sich zwar auf ein noch größeres Interesse vorbereitet, aber auch so war man von der hohen Teilnehmerzahl überrascht. Das bestätigt der Ornithologe Zdeněk Vermouzek. Er leitet den Vogelschutzbund und konkretisiert die Ergebnisse:

Zdeněk Vermouzek  (Foto: Marián Vojtek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Unter den Vogelarten in allen Vogelhäuschen lag die Kohlmeise am häufigsten vorn, gefolgt vom Feldsperling, dem Hausspatz, der Blaumeise und dem Grünfink. Diese Ergebnisse beziehen sich auf das ganze Land. In den einzelnen Regionen oder Großstädten unterscheiden sich die Zahlen jedoch. In dicht besiedelten Gebieten sieht man beispielsweise Tauben, Elstern und Dohlen viel öfter als in ländlichen Gebieten. Aus der Sicht von uns Ornithologen ist dieser Winter im Grunde ganz normal, wobei es aber trotzdem einen kleinen Unterschied zum Vorjahr gibt. Und zwar sind einige Vogelarten aus dem Norden nicht hierhergezogen. Das betrifft vor allem den Seidenschwanz und den Bergfink, die sich nur im Winter in Tschechien zeigen. Infolge des Klimawandels tauchen sie hierzulande aber nicht mehr in der bisher üblichen Anzahl auf. Mal sehen, wie sich das in den kommenden Jahren entwickelt.“

Ein klarer Sieger

Kohlmeise | Foto: Luc Viatour,  Flickr,  CC BY-SA 2.0
Wie gesagt, die Kohlmeise wurde in diesem Winter am meisten gesehen. Mehr als 85 Prozent der Hobby-Birdwatcher haben den kleinen gelb-blauen Vogel in einem der Vogelhäuschen beobachtet. Zdeněk Vermouzek:

„Die Kohlmeise ist allgemein bekannt. Meist ist sie gelb mit einem schwarzen Streifen an Bauch und Kopf. So erkennt man sogar, ob es sich jeweils um ein Weibchen oder Männchen handelt. Bei den Kohlmeisen-Herren ist der schwarze Streifen am Schwanz sehr dick und lang. Das Weibchen hat wiederum einen sehr dünnen Streifen auf dem Bauch. Insgesamt ist die Kohlmeise hierzulande sehr weit verbreitet. Sie lebt in verschiedenen Umgebungen, von den Stadtzentren bis in die Wälder, Ebenen oder Gebirge. Man trifft den Vogel überall dort an, wo mindestens einige Bäume stehen, und deshalb ist die Kohlmeise auch eine der häufigsten Vogelarten in Tschechien.“

Feldsperling  (Foto: Andreas Trepte,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 2.5
Den zweiten Platz belegte der Feldsperling. Laut den Ergebnissen der großen Zähl-Aktion fühlt er sich vor allem in Südböhmen wohl. Dort hat diese Spatzenart sogar die Kohlmeise in der Gesamtzahl überholt. Auf dem dritten Platz landete schließlich der Haussperling. Insgesamt bilden diese beiden Vogelarten viel größere Vogelschwärme als die Kohlmeise. Wie kann man aber die beiden Sperlings-Arten auseinanderhalten?

„Den Haussperling kann man sehr gut vom Feldsperling unterscheiden, wenn man weiß, worauf man achten muss. Man erkennt zum Beispiel sofort, dass der Feldsperling ein bisschen kleiner ist. Dann muss man vor allem auf den Kopf und die Wangen schauen. Der Feldsperling hat nämlich weiße Bäckchen, auf denen deutlich ein schwarzer Fleck zu sehen ist. Der Haussperling hat dieses Merkmal nicht.“

Ein Drittel der Vogelhäuschen des Projekts wurden auch vom Grünfink besucht. Im Kreis Vysočina (Böhmisch-Mährische Höhe) hat ihn sogar die Hälfte der Beobachter gesehen.

Grünfink  (Foto: Francis C. Franklin,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
„Die hohe Platzierung des Grünfinks ist sehr erfreulich. In den letzten Jahren kämpft gerade diese Vogelart mit einem heimtückischen Parasiten. Dies bezeichnet man als ‚Vogelhäuschenansteckung‘, weil die Seuche an den Häuschen übertragen wird. Die Erkrankung heißt Trichomonaden-Infektion, und sie hat sich an den Grünfink als neuen Wirtsorganismus angepasst. Die Zahl der Vögel ist deshalb deutlich gesunken. Trotzdem ist der Grünfink immer noch einer der häufigsten Besucher unserer Vogelhäuschen, und das freut uns.“

Wertvolle Daten für die Wissenschaft

Die Zahl der heimischen Wintervögel ändert sich von Jahr zu Jahr. Die aktuelle Vogelzählung bringt wissenschaftliche Daten, die bisher gefehlt haben. Der tschechische Vogelschutzbund will nun in jedem Winter vergleichbare Daten sammeln und die Öffentlichkeit zum Mitmachen animieren. Denn nur so entsteht ein möglichst detailliertes Bild vom Vogelbestand. Deshalb gilt: Je mehr Menschen die kleinen Besucher am Vogelhäuschen zählen, desto besser sind die Ergebnisse.

Foto: Janmanak,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0
Tatsächlich kann jeder an dem Projekt teilnehmen. Außerdem veranstaltet der tschechische Vogelschutzbund viele weitere Lehrprogramme. Einige Projekte sind für Amateure bestimmt, die aber schon detaillierte Kenntnisse von Vogelarten und ihren Gesängen haben müssen. Bei der „Vogelzählung am Vogelhäuschen“ sind hingegen keinerlei Vorkenntnisse nötig. Die Webseite des Verbandes zeigt Bilder der häufigsten Wintervögel. So kann man sich auf das Zählen vorbereiten. Dann notiert man pro Stunde die Anzahl jeder Vogelart. Abschließend trägt man die Ergebnisse in einen Meldebogen ein. Zdeněk Vermouzek

„Zur Bestimmung der Vogelarten kann man einige Hilfsmittel verwenden, wie zum Beispiel Bücher, Broschüren oder Plakate. Die Beobachtung der Vögel an den Häuschen bietet den Vorteil, dass die Zahl der Arten dort relativ klein ist. Man braucht nur ein paar Tage, um sich beim Bestimmen der Vogelarten sicher zu sein. Außerdem macht das Ganze viel Spaß, deshalb nehmen auch viele Leute an der Zählung teil. Die Leute füttern die Vögel ja auch zum eigenen Vergnügen. Die Tiere würden den Winter nämlich auch ohne menschliche Hilfe überleben. Doch man möchte die Vögel beobachten können und sie den Kindern zeigen. Das bringt viel Freude und ist in Ordnung, solange man die Vögel nicht verletzt.“

Ganz bequem vom Fenster aus

Vögel bekommen häufig Sonnenblumenkerne  (Foto: Pixabay / CC0)
Man muss zum Vogelzählen noch nicht einmal in die Kälte, viele machen das vom Fenster aus mit einer Tasse Tee in der Hand. Wenn man den Tieren aber Leckereien ans Häuschen bringt, macht das Ganze noch mehr Spaß:

„Wir werden oft gefragt, welches Futter denn am besten für die Vögel geeignet ist. Häufig bekommen sie Sonnenblumenkerne. Bei den meisten Arten sind diese sehr beliebt, da die Kerne viel Fett enthalten. Dem Hausspatz, dem Feldsperling, dem Grünfink oder dem Kernbeißer kann man zum Beispiel verschiedene Samen geben, oder aber Spreu, falls man diese irgendwo herbekommt. Für viele Samenfresser lassen sich schon im Herbst Beeren trocknen, zum Beispiel Vogelbeeren. Eine weitere Möglichkeit sind Apfelstückchen, die man aber auf den Boden legen sollte, damit auch die Amseln und Wacholderdrosseln herankommen. Eine weitere Möglichkeit sind gekochte Kartoffeln. Für kleine Vögel ist jedoch Salz ein großes Problem. Deshalb darf man Vögel auch nicht mit Essensresten oder Gebäck füttern, das kann wirklich gefährlich sein.“

Die Idee zur „Vogelzählung am Vogelhäuschen“ kommt aus dem Ausland. Jedes Jahr im Winter findet die Aktion bereits in Großbritannien, Irland, den Niederlanden oder in Deutschland und Österreich statt.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

In Bayern läuft zudem seit Jahren das grenzübergreifende Projekt „Stunde der Wintervögel“. Dabei arbeiten die tschechischen Kreise Südböhmen, Plzeň / Pilsen und Karlovy Vary / Karlsbad mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) aus dem Freistaat zusammen. Daher stammt auch die Methode für die „Vogelzählung am Vogelhäuschen“:

„In letzter Zeit steigt hierzulande allgemein das Interesse an Vögeln und der Natur. Deshalb wächst auch die Mitgliederzahl beim tschechischen Vogelschutzbund. Es gibt immer mehr Teilnehmer an unseren Spaziergängen, die wir zum Beispiel am Welttag der Feuchtgebiete veranstalten. Je weniger Natur wir um uns herum haben, desto mehr Leute werden sich bewusst, wie wichtig sie eigentlich für uns ist. Das ist ein positives Zeichen, weil es von dort nur ein Schritt zu weiteren Aktivitäten ist, die vielleicht eine kleine persönliche Einschränkung bedeuten, aber die die Welt langfristig bewohnbarer machen“,

sagt der Direktor des tschechischen Vogelschutzbundes, Zdeněk Vermouzek.

In den kommenden Jahren will der Verein die Zusammenarbeit mit anderen Ländern wie zum Beispiel Österreich ausweiten. Das Projekt „Vogelzählung am Vogelhäuschen“ dürfte dann bereits regelmäßig stattfinden.