Die dunkle Seite der tschechischen Weihnachtszeit

Barborka (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Weihnachten sollte eigentlich das Fest der Liebe sein. Und natürlich sitzt man auch in Tschechien am Weihnachtstisch zusammen, genießt das Abendessen mit der Familie und macht sich mit Geschenken gegenseitig eine Freude. Doch das Weihnachtsfest und vor allem der Advent hierzulande haben auch eine dunkle Seite. Denn mancherorts kriechen nämlich Dämonen aus ihren Löchern.

Krampus  (Foto: Llorenzi,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Krampus  (Foto: Richenza,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Das erste Dezemberwoche ist gruselig in Tschechien. Überall im Land kommen schaurige Gestalten aus ihren Verstecken und erschrecken die Menschen auf den Marktplätzen mit Glockengeläut, Kettenrasseln und Feuer. Rund um den Nikolaustag schlägt nämlich auch hierzulande die Stunde der Krampusse.

„Der Krampus symbolisiert die Vertreibung böser Geister aus den Städten und ist eine sehr alte Tradition“, erläutert Ladislav Sedláček. Er ist Leiter des Kulturhauses in Sokolov / Falkenau und Organisator eines Krampus-Umzugs in der westböhmischen Stadt. Die Krampusse lehren einen tatsächlich das Fürchten. Die Fell-Kostüme sind sehr detailgetreu, doch vor allem die Masken mit den imposanten Hörnern kosten viel Zeit und Arbeit:

„In diesem Jahr war uns wichtig, dass nur Kostümierte mit geschnitzten Holzmasken auftreten. Denn nur da wird die Krampus-Tradition wirklich sichtbar. Eine Maske besteht meist aus Lindenholz, und das Schnitzen dauert mehrere Wochen.“

Aber Vorsicht, die Krampusse sind eine sehr junge Tradition hierzulande. Es gibt sie in der Form eigentlich erst seit einigen Jahren. Die Organisatoren der Umzüge haben den Brauch aus dem Ausland mitgebracht:

Krampus  (Foto: Anna Kottová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir sind froh, dass wir den Menschen hier in Tschechien diesen Brauch näherbringen können. Ursprünglich stammt er aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, also dem deutschsprachigen Alpenraum.“

Tschechische Teufel und verbotene Feiern

Das bedeutet aber nicht, dass es in Tschechien nicht so etwas Ähnliches wie den Krampus gibt. Um die böhmisch-mährische Version des Alpen-Dämons zu treffen, muss man nur am Vorabend des Nikolaustags durch die Innenstadt gehen.

Da trifft man sicher einen heiligen Nikolaus in Begleitung eines Engels und eben eines Teufels. Jiřina Langhammerová leitete lange Jahre das Ethnografische Museum in Prag. Vor einigen Jahren erläuterte sie den Brauch in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Hl. Nikolaus in Begleitung eines Engels und eines Teufels  (Foto: Pazuzu,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0)
„Der Nikolaus ist eine historische Gestalt, er war ja frühchristlicher Bischof in der heutigen Türkei. Als die heidnischen tschechischen Maskenumzüge christianisiert wurden, machte man sich den Nikolaus als Wohltäter zum Vorbild. Er ist dann ein weiser Richter, der alles weiß, was in den Familien vor sich geht. Der Nikolaus prüft die Kinder, und die sagen natürlich, dass sie brav waren. Der Heilige hat aber zwei übernatürliche Helfer. Einmal ist es die Macht des Bösen, also der Teufel. Auf der anderen Seite ist der gute Engel.“

Eigentlich ist der teuflische Begleiter des tschechischen Nikolaus ein Überbleibsel aus heidnischen Zeiten. Dieses konnte sich durch ein kalendarisches Problem am Leben erhalten. Beim Wechsel vom julianischen zum gregorianischen Kalender blieben zum Jahresende nämlich einige Tage übrig:

Foto: Khalil Baalbaki
„Genau an diesen Tagen sind uralte vorchristliche Traditionen hängengeblieben, die einen Wandel andeuten. Meist waren das Figuren, die in irgendeiner Weise das Ende von etwas symbolisierten, und zwar in Form von Reue, Gewissenserforschung und Strafen für kleine Sünden. Letzteres galt schon immer vor allem für Kinder. Auf der anderen Seite gab es auch stets einen Blick in die Zukunft, unter anderem versuchte man sich an Wahrsagungen. Das alles fand sich schließlich in den ganzen Bräuchen und Ritualen wieder.“

Für die neuen christlichen Herren waren die heidnischen Reste im tschechischen Advent ein Störfaktor. Die Vorweihnachtszeit sollte eine Zeit der Buße sein, vor allem die jungen Tschechen hatten aber eher Lust auf Radau:

„Der Advent war nie ganz eine Zeit der Ruhe, auch wenn die christliche Lehre das so vorschreiben wollte. Schon im Mittelalter beschwerten sich die Moralapostel, dass sich die Jugend trotz aller Regeln vergnügen würde. Öffentliche Feste gab es in dieser Zeit nicht, doch trafen sich die Burschen und jungen Damen zu sogenannten ‚Přástky‘. Das waren kleine Feiern, bei denen getanzt, gesungen, aber auch Wolle gesponnen wurde. Am Rande dieser Abende gab es Maskenumzüge, bei denen man sich als Geister des endenden Jahres verkleidete. Insgesamt war das ein großer Spaß.“

Die Bezeichnung Přástky kommt ursprünglich vom Wort příst, das im Deutschen spinnen bedeutet.

Strenge Lichtgestalten für die dunklen Tage

Barborka  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Der Teufel am Nikolaustag ist aber nicht der einzige Dämon, der im Advent sein Unwesen treibt. Im Aberglauben der Tschechen haben sich mehrere Geister und Spukgestalten erhalten, wobei sie manchmal mit christlichen Figuren verflossen sind. Die erste erscheint am 4. Dezember:

„Das ist die heilige Barbara. Wir wissen ja ganz genau, wer Barbara war und welche Attribute sie als Heilige hatte. Davon abgeleitet geht am 4. Dezember vor allem noch in der mährischen Slowakei und dem Böhmerwald die sogenannte Barborka umher. Sie ist eine weiß gekleidete Jungfrau mit einem grünen Kranz auf dem Kopf und einem Besen in der Hand. Die Barborka verdrischt die Sünder und verteilt Äpfel oder Süßigkeiten an die Kinder. Eigentlich ist sie eine gute Gestalt, doch sie befragt das Gewissen der Menschen.“

Frauen am Lucia-Tag  (Foto: Public Domain)
In manchen Regionen gibt es auch eine männliche Form der heiligen Barbara, und zwar den heiligen Ambrož oder Ambrosius. Dieser erwacht am 7. Dezember, ist ebenso weiß gekleidet und kehrt genauso wie sein weibliches Pendant die Sünden aus den Häusern.

Je weiter der Kalender zu Weihnachten hinrückt, desto dunkler wird es. In die Zeit unmittelbar vor dem Fest fällt ja auch die Wintersonnwende, also der kürzeste Tag des Jahres. Vor allem in Skandinavien hat eine Gestalt überlebt, die zu Ende des Jahres für mehr Licht sorgen sollte – die heilige Lucia. Auch in Tschechen hat sich die Figur der Lucia erhalten, wenn auch etwas schwächer als in anderen Gegenden Europas:

„Anderswo sind das wunderschöne junge Frauen, die in weiße Gewänder gekleidet sind. Da ist es ein bisschen so wie bei einem Schönheitswettbewerb, wobei die Siegerin einen grünen Kranz mit brennenden Kerzen auf den Kopf bekommt. In Tschechien ist das ein wenig anders. Aus der uralten Auslegung dieses Brauches ist aber geblieben, dass es sich um einen Feiertag der Frauen handelt. Sie haben dann auch das Recht, die Männer zu bestrafen. Aber nur bis Mitternacht, denn da ist ja der Zeitenwechsel.“

Deshalb konnten die Frauen am Lucia-Tag auch Schabernack mit ihren Männern treiben. So sprühen sie ihre Gatten mit Rasierschaum ein oder geben ihnen mit dem Besen einen Klaps auf den Hintern. Oft wird die Lucia aber auch als Mutter mit einem Kind dargestellt. Dass sowohl die Barbara als auch die Lucia weiß gekleidet sind, hat übrigens einen ganz bestimmten Grund.

Perchta  (Foto: Public Domain)
„Immer wieder die weiße Farbe. Diese ist im Volksglauben die Farbe der Reinheit, aber auch des Todes. Sie symbolisiert die Geister der Ahnen, die um uns herum sind.“

Mit Fleischermesser und Blutkübel

Während die restlichen Dämonen im Advent geradezu sympathisch sind, kommt in Tschechien an Heiligabend eine richtige Grauensgestalt – die Perchta:

„Die Perchta, Perechta oder Šperechta. Sie ist ein sehr unschönes Wesen und hat meist die Gestalt eines kleinen Drachens. Weil sie so furchteinflößend ist, konnte sie im Gegensatz zu den anderen Dämonen nicht mit einem bestimmten Heiligen assoziiert werden. Um aber trotzdem einen Platz im christlichen Kalender zu finden, hat man sie an Heiligabend spuken lassen. Sie geht umher und bestraft diejenigen sündigen Kinder, die nicht gefastet haben.“

Die Perchta hatte nicht nur eine Rute, mit der sie den Kindern einen Klaps auf den Hintern gab für ihre kleinen Vergehen im Jahresverlauf. Der Drache im weißen Gewand nutzte rabiatere Methoden, um gutes Benehmen zu erzwingen:

Perchta-Maske  (Foto: Public Domain)
„Sie war wirklich furchtbar. Das hat auch der Ethnologe Čeněk Zíbrt in einem seiner Bücher beschrieben: ‚Diese Perchta ist grausam!‘ Oft wird sie mit einem gehörnten Tierkopf dargestellt. Vor allem in Südböhmen ist sie eher ein Drache mit rotem Kastenkopf und einem weißen Hemd. In der einen Hand hat sie einen Zuber, in dem sie das Blut ihrer Opfer sammelt. In der anderen hält sie ein großes Fleischermesser, mit dem sie dem Sünder den Bauch aufschlitzt. Und am Gürtel hängen Leinenfasern, mit denen sie diesen dann ausstopft.“

Aber einen pädagogischen Effekt hatte die Schreckensgestalt scheinbar tatsächlich:

„Die Kinder hatten Angst vor der Perchta. Das sollte aber auch das Wesen dieser Gestalt sein. Deshalb fand sie auch ihren Platz in den Stunden vor Heiligabend.“