Tschechen und Bayern im Jahre 1918

Foto: Hans Braxmeier, Pixabay / CC0
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Tschechen und Bayern zwischen Monarchie und Republik – das war das Thema einer Diskussion in der Bayerischen Repräsentanz in Prag.

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Nicht nur die Tschechoslowakei, sondern auch der Freistaat Bayern feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Gründungsjubiläum. Kann man aber die Lage in beiden Ländern im Jahre vergleichen? Über das Thema haben Experten aus Bayern und aus Tschechien vorige Woche in der Repräsentanz des Freistaats Bayern in Prag diskutiert. Martina Schneibergová hat mit den Diskussionsteilnehmern gesprochen. Mehr im folgenden Kapitel aus der tschechischen Geschichte.

Am 28. Oktober 1918 wurde die Tschechoslowakei gegründet. In der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 wurde der Freistaat Bayern ausgerufen. Gab es irgendwelche Parallelen zwischen der Situation der Tschechen und der Bayern? Dazu Historiker Rudolf Kučera vom Masaryk-Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften:

Rudolf Kučera  (Foto: Martina Schneibergová)
„Auf jeden Fall, zum einen ist es eigentlich der Schub von der Monarchie zur Republik, auch wenn dieser sich unterschiedlich materialisiert hat in beiden Ländern. Die Republik war für breite Schichten der Bevölkerung der Horizont der Zukunft. Was wir zudem als Gemeinsamkeit sehen könnten, ist die Anwendung physischer Gewalt, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Also in Bayern ging es zugegebenermaßen gewalttätiger zu als in Böhmen.“

Der ehemalige Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, Professor Hermann Rumschöttel, stimmt dem zu:

„Beides trifft für Bayern zu. Vor allem die neue Verfassungsordnung und die Gewalt, die diese Übergangszeit in einem unterschiedlichen Umfang kennzeichnet. Ein wichtiger Unterschied ist aber, dass man in Tschechien diese Entwicklung positiv bewerten kann. Im Gegensatz dazu sieht man in Bayern, vor allem in Hinblick auf die weitere Entwicklung bis hin zum Nationalsozialismus, eher die problematischen Folgen der Revolution.“

Robert Luft  (Foto: Martina Schneibergová)
Hat in diesen turbulenten Zeiten auch eine Rolle gespielt, wer zu den Siegern und wer zu den Verlierern gehörte nach dem Ersten Weltkrieg? Historiker Robert Luft vom Collegium Carolinum in München:

„Für die große Masse der Bevölkerung, insbesondere auch für die politisch engagierte Sozialdemokratie, war das gar nicht so zentral. Besonders die sozialen Fragen und Forderungen, die aus dem Krieg entstanden waren, wurden in beiden Ländern umgesetzt. Der Achtstundentag zum Beispiel wurde in beiden Verfassungen verankert. Das sind Themen, die einfach brennend waren in jener Zeit. Die Frage, ob man auf der Verlierer-oder Gewinnerseite steht, war gar nicht entscheidend. Das ist genau ein Punkt, der unsere Diskussion heute so wichtig macht. Wir schauen immer auf die eigene nationale oder regionale Landesgeschichte. Es ist sehr verblüffend, wie ähnlich die Bedürfnisse, Ansprüche und Probleme sind. Die Leute haben nicht von Böhmen nach Bayern geschaut und verglichen, sie hatten einfach dieselben Probleme damals. Aber wir können heute rückblickend erkennen, dass es Gemeinsamkeiten gibt. Diese formten sich aus den Fragen und Problemen, die schon immer bestanden haben.“

Hermann Rumschöttel  (Foto: Martina Schneibergová)
Dies betont auch Professor Rumschöttel:

„Gerade im Hinblick auf die Diskussionen über Europa, ist dieser Ansatz von ganz zentraler Bedeutung. Man sollte von der bloßen nationalen Betrachtung der Geschichte weg kommen und über die Grenzen schauen. Auch wenn es keine unmittelbaren Einflüsse und Beziehungen gibt, sollte man feststellen, dass es eben eine gemeinsame Geschichte und Entwicklung der europäischen Staaten gibt.“